- Häufig verwendete Abkürzungen
- 1980: Stemmann wird Direktor der Kinderklinik Gelsenkirchen
- 1987: Stemmann veröffentlicht ein Buch über Neurodermitis
- 1987: Ryke Geerd Hamer: Vermächtnis einer Neuen Medizin
- 1991: Dietmar Langer wird als Verhaltenstherapeut an der KKG tätig
- 1992: Stemmann überprüft und bestätigt Hamers „Neue Medizin“
- 1992-2020: Der Einfluss von Ryke Geerd Hamer auf das GBV
- 1993-2020: Das „Trennungstraining“ in der „Mäuseburg“
- 1993-2020: Mütter als Ko-Therapeuten
- 1999: Stemmann „veröffentlicht“ ein Buch über Asthma
- 2000: Starzmann und Langer: dilettantische Studien zum GBV
- 2002: Stemmann „veröffentlicht“ sein 2. Buch über Neurodermitis
- 2008-2020: Die APPAP unter Leitung von Dr. Lion und D. Langer
- 2008-2020: Medizinisch nicht notwendige Statusuntersuchungen
- 1987-2020: Das GBV provozierte und verstärkte Schuldgefühle
- 1987-2020: Mangelnde Aufklärung am GBV interessierter Eltern
- 2008-2019: Vortäuschen von Wissenschaftlichkeit durch Dr. Lion
- 2011: Schwache Neurodermitis-Studie von Lion, Langer et al.
- 1987-2020: Das dreiste Vortäuschen von Heilerfolgen
- 4/2017: Beschwerde der Großmutter von „Karl“ bei der ÄKWL
- 10/2018: Kinostart des Dokumentarfilms „Elternschule“
- 7/2019: Der Film „Elternschule“ wird von ARD und ZDF gezeigt
- 9/2020: Schließung der Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“
- 2020f: Der Spiegel und der DLF berichten kritisch über das GBV
- 2011-2020: Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB)?
- 2011-2020: Schwerer Abrechnungsbetrug (§ 263 StGB)?
- 2016-2020: Veruntreuung von Geld von Versicherten (§ 266 StGB)?
- 2016-2020: Begünstigung von Straftaten (§ 257 StGB)?
Häufig verwendete Abkürzungen
- ÄKWL Ärztekammer Westfalen-Lippe
- AWMF AG der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
- APPAP Abtlg. für Pädiatrische Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie
- AuK Bundesverband Allergie- und umweltkrankes Kind e.V., Gelsenkirchen
- BKB Bergmannsheil und Kinderklinik Buer GmbH
- GBV Gelsenkirchener Behandlungsverfahren
- GNM Germanische Neue Medizin von Ryke Geerd Hamer
- KKG Kinderklinik Gelsenkirchen
- ND Neurodermitis, atopisches Ekzem, atopische Dermatitis
- WAZ Westdeutsche Allgemeine Zeitung
1980: Stemmann wird Direktor der Kinderklinik Gelsenkirchen
Dr. med. Ernst August Stemmann war viele Jahre lang als Assistent an der Kinderklinik der Universität Düsseldorf tätig. Er habilitierte sich 1976 mit einer Arbeit über „Diagnostische Differenzierung verschiedener Asthmaformen mit Hilfe von Lungenfunktionsprüfungen zur Verbesserung der therapeutischen Resultate“. Ende 1979 wurde er vom Land NRW zum Außerplanmäßigen Professor ernannt.
1980 wurde Stemmann zum ärztlichen Direktor der Städtischen Kinderklinik in Gelsenkirchen berufen. Von Stemmanns Neigung zu „alternativen“ Behandlungsmethoden scheint die Stadt Gelsenkirchen nichts gewusst zu haben. Stemmann war aber anscheinend seinen akademischen Kollegen schon damals unangenehm aufgefallen. Jedenfalls schrieb mir Prof. Dr. Dietrich Reinhardt, Direktor der Kinderklinik der Universität München, Ende 2004:
„Ihre Anmerkungen zur Germanischen Neuen Medizin und den Einlassungen von Herrn Stemmann kann ich voll und ganz nachvollziehen. Ich war, nachdem Herr Stemmann an die Gelsenkirchener Klinik berufen wurde, sein ehemaliger Assistent und dann Nachfolger in Düsseldorf, Leiter des pädiatrisch-pneumologischen Bereiches. Schon damals driftete Herr Stemmann zunehmend in Bereiche ab, die uns sehr wunderlich und vom Verständnis überhaupt nicht zugänglich waren. Seine Wunderheilungen der Neurodermitis beruhten weitgehend auf Spontanheilungen. Auch die Kasernierung der Mütter und ihrer Kinder über 5 Wochen einschließlich „profunder“ Kochkurse war höchst mysteriös, zumal die Mütter noch Schuldgefühle eingeimpft bekamen. Die Methoden von Herrn Stemmann sind obskur, um nicht zu sagen gemeingefährlich. Ich habe es aufgegeben, mich damit zu befassen, zumal Herr Stemmann wohl irgendwann einmal in den Ruhestand eintreten wird. Auch vielen Dank für Ihr Manuskript, das ich mit Interesse und Genugtuung gelesen habe.“
1987: Stemmann veröffentlicht ein Buch über Neurodermitis
Über die Anfänge des GBVs in der Allergie-Abteilung der KKG hat Stemmann in einem Buch berichtet. Dieses Buch erschien 1987 im Kaivos-Verlag (Peine) unter dem Titel „Neurodermitis ist heilbar – Das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren“. www.amazon.de/Neurodermitis-ist-heilbar-Gelsenkirchener-Behandlungsverfahren/dp/3924748934
Im Unterschied zu Stemmanns Beschreibung des GBVs in seinem zweiten ND-Buch, das 2002 erschien, geht es hier noch sehr um Allergene und Schadstoffe sowie bestimmte Persönlichkeitsmerkmale als Krankheitsursachen und -auslöser. Als einem potentiell traumatisierenden Trennungserlebnis, das eine ND auslösen kann, ist nur von der Scheidung der Eltern, von der Notwendigkeit eines sogenannten „Trennungstrainings“ aber noch gar nicht die Rede.
Im Folgenden soll von Zitaten aus dem Buch ausgehend ein Eindruck vom Stand des GBVs in den 80er-Jahren und dessen wissenschaftlichem, medizinischem und gesellschaftlichen Hintergrund gegeben werden. In seiner Danksagung im Vorspann des Buchs schreibt Stemmann u.a.:
„Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Diplom-Psychologen Gerd Starzmann, der das psychosomatische Behandlungskonzept wesentlich mitträgt und im Umgang mit Eltern und Patienten täglich in die Realität umsetzt.“
Herr Starzmann war von 1983 bis 2007 an der KKG tätig. Er war sowohl bei den Müttern als auch beim Personal der Allergie-Stationen der KKG für die Akzeptanz des GBVs von zentraler Bedeutung, da seine psychologische Beratungstätigkeit von den Müttern der ND-Stationen sehr geschätzt wurde. Starzmann war kein Anhänger Hamers, hat sich aber, wenn es um Trennungsangst und „Revierangst“ als angeblichen Ursachen von ND und Asthma ging, tendenziell Stemmann angepasst.
Das folgende Merkblatt für Angehörige ist vermutlich von Herrn Starzmann erstellt worden und passt zu Stemmanns Ansichten zur ND:
Der folgende Text von Herrn Starzmann passt zu Stemmanns Auffassungen vom Asthma: https://web.archive.org/web/19990202115703/http://members.aol.com/AUKGE/wenn_eng.html
Da Prof. Stemmann keine Gruppengespräche geleitet hat, nehme ich an, dass auch das Merkblatt für Angehörige mit der Überschrift „Revierkonflikt“ von Herrn Starzmann verfasst wurde:
Der Begriff „Revierkonflikt“ ist in der Psychosomatik unüblich und weist auf Hamer hin.
Starzmann war bis 2007 der leitende Psychologe der KKG und insofern für die oft abenteuerliche „Psychodiagnostik“ und das viele Säuglinge, Kleinkinder und deren Mütter psychisch schädliche „Trennungstraining“ fachlich mitverantwortlich.
Stemmann hat sich – anscheinend schon vor 1980 – mit seinen akademischen Kollegen überworfen. Viel Anerkennung hat er aber bei Journalist/inn/en, Politiker/inne/n und Müttern von Patienten bekommen. Dazu dürfte sein meist lockeres, freundliches und optimistisches Auftreten wesentlich beigetragen haben. Für viele war „der Herr Professor“ eine charismatische Persönlichkeit.
Einführend schreibt Stemmann in seinem ersten ND-Buch (1987): „Was also ist das Geheimnis der Neurodermitis? Sicher ist die Neurodermitis keine Erkrankung, deren Ursache in der Haut selbst begründet liegt. Ursache ist die Atopie. Der Neurodermitiker ist ein psychisch und mit seiner Haut überempfindlich reagierender Mensch, der zu Allergien neigt. Meidet man auslösende Faktoren wie psychische Spannungen, Allergene oder irritative Reize, so klingt die Neurodermitis ab. Heilbar wird sie erst, wenn es gelingt, den Atopiker in einen selbstsicheren, harmonischen Menschen zu verändern, der gesund lebt. Der Anspruch, den das vorliegende Behandlungsverfahren erhebt, ist enorm. Dennoch bezeugen die Behandlungsergebnisse, daß dieses hohe Ziel zu erreichen ist.“ S. 4
Anscheinend glaubte Stemmann anfangs, das „Geheimnis der Neurodermitis“ in der Persönlichkeit des Neurodermitikers, also auch in Persönlichkeitseigenschaften von Säuglingen und Kleinkindern, gefunden zu haben. Solche psychosomatischen „Theorien“ waren in den 80er-Jahren noch weit verbreitet. Schon 1965 hatten aber z.B. R.H. Moos und G.F. Solomon (USA) darauf hingewiesen, dass sie in 80 Studien zu Persönlichkeitsfaktoren bei Rheumatoider Arthritis insgesamt 140 angeblich diskriminative Persönlichkeitsfaktoren fanden (z.B. Neurotizismus oder gehemmte Aggressivität).
Salopp ausgedrückt: Stemmann hat schon bei seinem ersten psychologischen Versuch zur Erklärung der Entstehung der ND ein totes Pferd geritten. Für die psychosomatische Forschung gilt nämlich die Regel: Je schwächer eine Arbeit methodisch ist, desto toller sind ihre „Ergebnisse“. Das Forschungsfeld der Psychosomatik ist voll von „fishing expeditions“, bei denen viele potentiell bedeutsame Persönlichkeitsfaktoren „ins Rennen geschickt wurden“, und immer wieder nicht replizierbare Zufallskorrelationen ins Netz gingen. Im Übrigen dürfte Neurotizismus wohl eher Folge als Ursache der ND sein.
Behandlungsergebnisse, die bezeugen, dass durch das GBV Heilungen erzielt wurden, hat Stemmann weder in diesem Buch noch später vorgelegt. Stattdessen tendierte er zu Größenwahn und hat anscheinend gehofft, er könnte Mütter so nachhaltig in ihrem Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen, dass deren chronisch kranke Kinder sich durch „liebevoll-konsequente Erziehung“ zu gesunden, „selbstsicheren, harmonischen Menschen“ entwickeln.
„Das Buch ist speziell für den Betroffenen, den Neurodermitiker, geschrieben.“ S. 5 Es ist natürlich völlig in Ordnung, wenn ein Arzt ein Buch für Menschen schreibt, die direkt oder indirekt von einer bestimmten Krankheit betroffen sind. Im vorliegenden Fall ist das Problem jedoch, dass normabweichende Thesen aufgestellt wurden (was ebenfalls in Ordnung ist), aber aus solchen Thesen dauerhaft therapeutisches Handeln abgeleitet wurde, ohne die Wirkung des neuartigen Therapieansatzes jemals adäquat wissenschaftlich zu überprüfen.
Stemmann glaubte 1987 anscheinend, eines Tages die ND heilen zu können. Diese Fantasievorstellung beruhte anscheinend auf dem folgenden Fehlschluss: „Wenn eine Erkrankung spontan ausheilt, müßte der Heilerfolg nachzuahmen sein.“ S. 7 In Wirklichkeit können Spontanheilungen nicht nachgeahmt, aber eventuell unterstützt werden. Wenn es einem Arzt z.B. gelingt, einen zunächst uneinsichtigen Patienten dazu zu bewegen, sich wegen seiner Grippe längere Zeit ins Bett zu legen, fördert er vermutlich damit dessen Spontanheilung. Die physiologischen Vorgänge im Körper des Patienten, die typischerweise nach zwei Wochen zu einer Spontanheilung bei Grippe führen, kann der Arzt jedoch nicht nachahmen. Eine ärztliche Förderung der Spontanheilung der ND durch das GBV könnte zwar möglich sein, wurde bisher aber nicht wissenschaftlich nachgewiesen.
„Ohne Fachwissen, ohne intensive Schulung ist eine strenge allergenfreie Diät, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Neurodermitisbehandlung ist, nicht durchzuführen.“ S. 22
„Streng gemieden werden müssen:
– Obst, Fruchtsäfte, Früchtetees, die viel Fruchtsäuren enthalten.
– tierisches Eiweiß, insbesondere Kuhmilch, Hühnerei, Wurst, Käse, Quark.
– raffinierter Zucker, insbesondere Süßigkeiten.“ S. 25
„Die Ernährung des Neurodermitikers besteht hauptsächlich aus naturbelassenen pflanzlichen Produkten. S. 27
„Im Vergleich zu der Kostform, die viel tierisches Eiweiß enthält, müssen Kinder bei der vorwiegend vegetarischen Ernährung größere Mengen essen, weil sie sonst nicht gedeihen.“ S.29
„Die allergenfreie Ernährung muß ein Jahr lang strengstens befolgt werden.“ S.33
Stemmann hat weder für die Wirksamkeit noch für die Unschädlichkeit der von ihm verordneten Ernährungsumstellung wissenschaftliche Ergebnisse vorgelegt.
Etwa 30% der Patienten mit ND reagieren allergisch auf bestimmte Lebensmittel. Bei den Patienten der KKG dürfte dieser Anteil von Anfang an geringer gewesen sein, da alle Kinder zuvor schon wegen ihrer ND in ärztlicher Behandlung waren. Irgendwann scheinen die Krankenkassen außerdem verlangt zu haben, dass vor der stationären Behandlung in der KKG ausgeschlossen wurde, dass eine solche Allergie vorliegt: https://web.archive.org/web/20191015133250/https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/verband-hilft-eltern-allergieplagter-kinder-seit-25-jahren-id12191864.html .
Wie der gut dokumentierte Fall des Säuglings „Karl“ im Jahr 2017 aber zeigt, sind wohl trotzdem immer wieder Kinder mit einer nicht entdeckten Nahrungsmittel-Allergie von Prof. Stemmann oder dessen Nachfolger Dr. Lion „behandelt“ worden. Bei den meisten dieser Patienten dürfte dann die verschriebene Diät zu einer starken Verbesserung des Hautzustands geführt haben. (Der Fall „Karl“ spielt beim Gelsenkirchener Klinikskandal eine wichtige Rolle. Ich werde immer wieder auf ihn zurückkommen.)
Die beim GBV für mindestens ein Jahr angeordnete radikale Ernährungsumstellung belastete Kinder, weil sie auf viele von ihnen bevorzugte Nahrungs- und Genussmittel (z.B. Milch und Milchprodukte, Kuchen, Zucker, Bonbons, Schokolade, Limonaden) verzichten und stattdessen viel Gemüse essen mussten. In Familien, Kitas und Schulen kamen sie dadurch zusätzlich in eine Außenseiterrolle. Und für die Mütter bedeutete die Ernährungsumstellung zusätzliche Arbeit.
Stemmanns Ernährungsumstellung hat Prof. Höger 2005 im SPIEGEL wie folgt kritisiert: „Vor allem vor der Gelsenkirchener Diät warnen die Fachärzte. „Die ist Unsinn. Nahrungsmittelallergien spielen nur bei einem Drittel der Kinder eine Rolle, die Rundumschlagsdiät selbst ist das Gefährliche“, sagt Dermatologe Höger. Stemmann bestreitet, dass es je zu Problemen gekommen sei. Höger dagegen erklärt, er habe Kinder behandelt, „die als Folge dieser Diät unterernährt und in ihrer Entwicklung deutlich zurückgeblieben waren“. www.spiegel.de/spiegel/print/d-39613469.html
In keiner der drei von der KKG durchgeführten Studien zu angeblichen Effekten des GBVs auf den Verlauf der ND bei Säuglingen und Kleinkindern wird über die Gewichtsentwicklung berichtet. Es wäre daher sinnvoll, nachträglich Patientenakten daraufhin zu untersuchen, ob sich das Körpergewicht von der stationären Aufnahme bis zur Nachuntersuchung nach einem Jahr einigermaßen normal entwickelt hat.
Der Entzug von Zucker scheint gar nicht nötig gewesen zu sein:
Ab 2008 wurden in der Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie (APPAP) der KKG zunehmend auch körperlich gesunde Kinder mit Verhaltensstörungen behandelt. Auch bei diesen Patienten sollte die Ernährung in der gleichen Weise umgestellt werden wie bei Patienten mit ND. Auch diese „Behandlungen“ waren offensichtlich nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert.
„Die Eltern tragen keine Schuld an der Neurodermitis ihres Kindes. Allerdings können sie ungewollt, falls ihr Kind Atopiker ist, eine Neurodermitis durch ihr Verhalten auslösen oder unterstützen. Eine erschöpfte Mutter, ängstliche, unsichere und depressiv verstimmte Eltern erzeugen in dem Kind Spannungen, die es durch Kratzen, Ekzemreaktion beantwortet. Die intensive Zuwendung der Eltern im Krankheitsfall bedeutet für das kranke Kind Belohnung und unterhält seine Erkrankung.“ S. 35
„Kratzt sich der Neurodermitiker, so muss man ihn kratzen lassen! Zorn, Aggression der Umwelt wegen des Kratzens oder das Festhalten der Arme verstärken nur den Juckreiz.“ S. 38
Das Kratzen begünstigt Infektionen der Haut und wirkt sich daher sehr nachteilig auf deren Zustand aus.
„Mit Hilfe des autogenen Trainings gelangt der Neurodermitiker zu tiefer innerer Ruhe und Ausgeglichenheit. Ist ein Säugling oder Kleinkind erkrankt, erlernt die Mutter das autogene Training und überträgt dann die Ruhe und Gelassenheit auf das neurodermitische Kind.“ S. 41
Hier handelt es sich um Wunschdenken des Verfassers, der sich vom Autogenen Training (AT) einen wesentlichen Beitrag zur Heilung seiner Patienten versprochen hatte. Nach meiner Erfahrung macht etwa die Hälfte der Mütter beim hypnoseähnlichen AT der KKG einen kurzen Mittagsschlaf. Von mir in der KKG befragte Mütter älterer Kinder haben alle eingeräumt, dass sie das AT nicht regelmäßig durchführen.
Wie viele der Mütter kleinerer Kinder zuhause täglich das AT durch Anhören einer Kassette oder CD praktiziert haben, ist unbekannt. Wie viele dieser Mütter dadurch zu tiefer innerer Ruhe und Ausgeglichenheit gelangt sind, ist unbekannt. Wie viele Kinder dadurch ruhiger wurden, ist unbekannt. Bei wie vielen Kindern sich das AT der Mutter günstig auf die Entwicklung ihrer ND ausgewirkt hat, ist unbekannt.
Klaus Grawe et al. (1994) schreiben in ihrem wichtigen Buch „Psychotherapie im Wandel – Von der Konfession zur Profession“: „Die Auswirkungen des AT auf die jeweils behandelte Symptomatik erwiesen sich im Vergleich zu anderen Entspannungsverfahren als überraschend gering.“ S. 613 www.amazon.de/Psychotherapie-Wandel-Von-Konfession-Profession/dp/3801704815
„In dem hier vorliegenden Konzept werden Medikamente nicht zur Dauerbehandlung benutzt. … Die medikamentöse Behandlung erfolgt in dem hier vorgestellten Behandlungskonzept hauptsächlich durch homöopathische Medikamente. … Es gilt der Grundsatz, daß Medikamente aller Art sparsamst eingesetzt werden. Schwere Erkrankungen hingegen müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden.“ S. 47
„Die Lokalbehandlung des Ekzems wird von untergeordneter Bedeutung, wenn der therapeutische Angriff durch allergenfreie Kost, Spannungssenkung und Meidung von Reizen erfolgt. Bei dieser Therapieform ist es das Ziel, keine lokale Behandlung der Haut mehr durchzuführen.“ S. 48
Stemmann hielt das Eincremen der Haut für „Schmierentheater“ und Kortisonsalben für zu riskant. Die dem Kind dadurch verweigerte Leidenslinderung wurde damit gerechtfertigt, dass Heilung nur durch eine psychosomatische Behandlung zu erzielen sei. Schon allein diese Abweichung vom üblichen ärztlichen Vorgehen bei ND zeigt, dass Stemmanns „Therapie“ entweder genial oder wahnsinnig war.
Homöopathische Mittel können zur Erzielung von Placebo-Effekten eingesetzt werden. Stemmann war aber offensichtlich vom Funktionieren des mysteriösen Simile-Prinzips von Hahnemann überzeugt und war – wie anscheinend auch sein Schüler und Nachfolger Dr. Lion – auch in dieser Hinsicht ein Esoteriker.
„Die Behandlungserfolge sind davon abhängig, ob die Therapieanweisungen genauestens eingehalten werden.“ S. 55
Stemmann dürfte klargewesen sein, dass keineswegs die Mehrheit seiner Patienten mit ND ein Jahr nach Durchführung des GBVs geheilt waren. Er hat dieses Problem aber anscheinend nicht dem GBV angelastet, sondern den Müttern und sonstigen Angehörigen seiner Patienten, die (noch) nicht in der Lage waren, das GBV konsequent umzusetzen.
„Ein Ekzem tritt häufig erstmals in einer stark belastenden Situation auf, so z. B., wenn sich Eltern eines Kindes trennen.“ S. 152 Die Ansicht, dass Stress den Ausbruch von körperlichen Krankheiten begünstigt, war 1987 und ist auch heute noch weit verbreitet. Es fehlt jedoch nach wie vor an wissenschaftlich überzeugenden und von unabhängigen Wissenschaftlern bestätigten Belegen für diese Vermutung. Stemmanns Überzeugung, dass ND stets durch ein als traumatisierend empfundenes Trennungserlebnis verursacht wird, hat sich anscheinend erst in den Jahren 1987 bis 1992 unter dem Einfluss von R.G. Hamer entwickelt.
1987: Ryke Geerd Hamer: Vermächtnis einer Neuen Medizin
Am 1.1.1987 erschien im Eigenverlag Hamers „Vermächtnis einer Neuen Medizin (Bd. 1). Das ontogenetische System der Tumoren mit Krebs, Leukämie, Epilepsie“. Davon gibt es inzwischen eine Neuauflage. Das Original ist nur noch gebraucht zu hohen Preisen erhältlich:
www.amazon.de/Vermächtnis-Medizin-ontogenetische-Leukämie-Epilepsie/dp/3926755008
Es scheint, dass Hamer (1935-2017), nachdem dessen noch junger Sohn 1978 durch einen Gewehrschuss tödlich verwundet wurde, partiell den Verstand verloren hat. Siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Ryke_Geerd_Hamer https://web.archive.org/web/20010902114124/http://www.pilhar.com/News/Presse/1997/19970908.htm www.germanische-heilkunde.at/antwort-anzeigen/faq-zu-hamer-ryke-geerd-kurze-biografie-141.html (Verfasser: Hamer-Impressario Helmut Pilhar) und hier:
Hamer hat ein elaboriertes pseudomedizinisches Wahnsystem errichtet und vermarktet. Er praktizierte auch noch nach Entzug der Approbation und wurde deshalb mehrfach strafrechtlich verurteilt. Die nun von Helmut Pilhar (Fall „Olivia“) angeführte Hamer-Sekte ist noch heute aktiv und richtet weiterhin Unheil an, indem sie Krebspatienten von aussichtsreichen medizinischen Behandlungen abhält.
Die folgende Tabelle habe ich 2004 auf der Basis von Schriften Hamers erstellt, um durch Beispiele anschaulich zu machen, welche wahnhaften ätiologischen Vorstellungen Hamer hatte:
Biologischer Konflikt Sogenannte Krankheit
Ärger mit Familienangehörigen | Ca des unteren link. Drittels des Oesophagus |
Hässlicher, unverdaulicher Ärger | Colon Carcinom |
Schwerer hässlicher Konflikt | Nieren-Sammelrohr-Ca |
Besudelungskonflikt | Melanom, Pubertätsakne, Hauttuberkulose |
Geruchs- und Gestank-Konflikt | Nasenschleimhaut-Carcinom |
Konflikt des „Nicht-zubeißen-Dürfens“ | Zahnschmelz-Carcinom, sog. Karies |
Revierärger-Konflikt | Hepatitis |
Hässlicher genitaler Konflikt der Frau | Krebs der Gebärmutterschleimhaut |
Konflikt mit Flüssigkeit, Wasser, Öl | Nierenparenchym-Nekrosen |
Angst-Ekel-Konflikt | Unterzuckerung |
Tab. 1: Biologische Konflikte als Ursache von Krankheiten (Beispiele)
1991: Dietmar Langer wird als Verhaltenstherapeut an der KKG tätig
In einem Kommentar zum Dokumentarfilm „Elternschule“ schrieb Martina Knoben vom Evangelischen Pressedienst am 21.09.2018 u.a.: „Diese Kinder sind die Pest. … Als kundiger Führer in diesem Labyrinth erweist sich der Psychologe Dietmar Langer, ein amüsanter und charismatischer Mann, der als leitender Therapeut in Gelsenkirchen wahre Wunder bei verhaltensauffälligen Kindern bewirken kann.“ www.epd-film.de/filmkritiken/elternschule
Langer arbeitete ab 1991 als klinischer Psychologe in Stemmanns Abteilung für Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie und ab 2008 in der daraus hervorgegangenen APPAP der KKG. Er hat das GBV wesentlich mitgeprägt. Vor allem die anscheinend ohne Rücksicht auf den individuellen Entwicklungsstand des Kindes und die jeweilige Mutter-Kind-Beziehung rigoros durchgeführten täglichen und auch nächtlichen Trennungen von Mutter und Kind sowie weitere „Stressinduktionen“ scheint Langer eingeführt oder zumindest als Verhaltenstherapeut mitverantwortet zu haben.
Aus der Vita von Herrn Langer:
Approbation als Psychologischer Psychotherapeut sowie als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Hypnosetherapeut (ESH) und Supervisor für Verhaltenstherapie (DGVT).
1992 Dozent und Autor für den „Bundesverband Allergie- und umweltkrankes Kind“ e.V. (AUK), bundesweite Vorträge und Seminare
1999 Gründungsmitglied und Vorsitzender des „Förderverein für ganzheitliche Psychosomatik“ e.V.
2001 Aufbau und Leitung des Projektes „Der Elternführerschein“ – ein Seminarprogramm für Eltern
2002 Dozent bei der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) sowie beim Ausbildungsinstitut für klinische Verhaltenstherapie (AFKV)
2005 Akkreditierung als Supervisor bei der Landespsychotherapeutenkammer NRW
2007 Leiter des Projekts und der neu aufgelegten Seminarreihe „Liebevoll Konsequent Erziehen“
https://web.archive.org/web/20181121005855/http://www.liebevoll-konsequent-erziehen.de/vita.html
Der Dokumentarfilm „Elternschule“ vermittelt den Eindruck, dass Herr Langer der eigentliche Leiter der APPAP war. In jedem Fall ist Herr Langer von 2008 bis 2020 als Psychologe und Verhaltenstherapeut verantwortlich für die „Trennungs- und Stressimpfungstrainings“ sowie die psychologische Beratung der Teammitglieder der APPAP, des Vereins „AuK“ und der Mütter der Patienten gewesen.
Langer hat sich meines Wissens nie explizit für oder gegen Hamers „Neue Medizin“ ausgesprochen, sich aber offensichtlich der von Hamer, Stemmann und Lion vertretenen Trennungstheorie der ND angepasst. Nach dem Fortgang von Prof. Stemmann hat er sich von den esoterischen Annahmen Hamers und Stemmanns nicht distanziert, sondern als psychotherapeutischer Leiter der APPAP das GBV Stemmanns in Theorie und Praxis gemeinsam mit Dr. Lion fortgeführt und teilweise erweitert.
„Gefährliche Trennungserfahrungen sind solche, die einen plötzlich “auf dem falschen Fuß erwischen“ und für das Individuum in diesem Moment nicht einzuordnen sind. Solche biologischen Trennungserfahrungen geschehen gleichsam als “Schreck“ und haben mit Sicherheit nachhaltige Wirkung auf die weitere Steuerung des Organismus und zwar auf der Organ – wie auf der Verhaltensebene.“ (Dietmar Langer, AuK-Brief 3/2002, S. 2)
Mit der Formulierung „biologische Trennungserfahrungen“ ist Langer sprachlich Hamer sogar näher als Stemmann und Lion, denn „biologischer Konflikt“ und „biologische Sonderprogramme“ spielen in Hamers GNM eine zentrale Rolle, und Langer behauptet auf Seite 3 sogar: „Alles spricht hier für die durch ähnliche Umstände bedingte Reaktivierung eines wesentlich älteren biologischen Konfliktes“. (Prof. Stemmann wird es ihm nicht verübelt haben, dass er statt von einem „Schock“ von einem „Schreck“ gesprochen hat.)
Herrn Langer sind alle drei ND-Studien der KKG bekannt. Er war der Leiter der 2. Studie und ist Zweitautor der 3. Studie. Er musste wissen, dass es keine wissenschaftlichen Belege für Heilungen der ND in zumindest 87% der Fälle gibt. Er hat aber meines Wissens nie gegen entsprechende „fake news“ der APPAP, der KKG, der BKB oder des Vereins „AuK“ protestiert oder sich von sonstiger unseriöser Werbung der Klinik distanziert. Bei seinem Interview mit Herrn A. Riehle von der Süddeutschen Zeitung (20.10.2018) hat Langer die Gelegenheit nicht genutzt, klarzustellen, dass es bei der Behandlung von ND, Asthma und Allergien keine Heilungsquote von zumindest 87% gibt:
„SZ: Wie hoch sind denn die Heilungsquoten?
Langer: 85 bis 87 Prozent. Wir haben mit verschiedenen Unis Evaluations-Studien gemacht. Vor der Aufnahme der Familien, nach der Entlassung und ein Jahr später.“ www.kjkge.de/Inhalt/Aktuelles_Presse/_Presse_Meldungen/Interview_Langer.pdf
Herr Langer hat anscheinend die Hilfe des Statistik-Experten Prof. Holling bei der 3. ND-Studie der Öffentlichkeit als eine Zusammenarbeit mit einer Universität bei einer Evaluationsstudie verkauft. Er ist dabei nicht so weit gegangen wie Herr Dr. Lion, hat aber im o.a. SZ-Interview so etwas wie ein universitäres Gütesiegel des GBVs vorgetäuscht.
Am Anfang des Films „Elternschule“, steht Herr Langer an einer Schultafel und spricht über die Situation eines Kindes kurz nach dessen Geburt. Langer stellt dabei den Ausgangspunkt im Leben eines Neugeborenen nicht einfach als Punkt oder x oder Kreuz, sondern in Form der zentralen germanischen Rune „Hagal“ dar. Zu dieser Rune siehe: www.youtube.com/watch?v=OQrBeJ_nnGg . Mein Gedanke, dass Langer diese Rune als Erkennungszeichen für Anhänger der GNM verwendet haben könnte, ist natürlich hochspekulativ. Es könnte reiner Zufall gewesen sein.
1992: Stemmann überprüft und bestätigt Hamers „Neue Medizin“
Stemmann hat 1992 die „Neue Medizin“ Hamers „überprüft“ und dem Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Düsseldorf (HHU) mitgeteilt:
„Sehr geehrter Herr Dekan,
Ihrem Vorschlag, dass ich als Mitglied der Medizinischen Fakultät in einer Ärztekonferenz 20 Fälle daraufhin untersuchen soll, ob sie nach den biologischen Gesetzmäßigkeiten der ‚Neuen Medizin’ des Dr. Ryke Geerd Hamer reproduzierbar sind, habe ich entsprochen. … Am 23. und 24. Mai 1992 hat unter meiner Leitung eine Konferenz in der Städtischen Kinderklinik Gelsenkirchen an 24 Fällen nach den Regeln der ‚Neuen Medizin’ stattgefunden … Wir fanden ausnahmslos bei allen 24 Fällen … dass die biologischen Gesetzmäßigkeiten der ‚Neuen Medizin’ 1-3 jeweils für jede Teilerkrankung exakt erfüllt waren und zwar auf allen 3 Ebenen, der Psyche, dem Gehirn und den Organen, und das für jede einzelne Phase synchron. … In den nächsten Tagen geht Ihnen die darüber ausgefertigte ausführliche Dokumentation samt detailliertem Prüfbericht von mir gesondert zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach der strengen wissenschaftlichen Überprüfung auf Reproduzierbarkeit die Gesetzmäßigkeiten der „Neuen Medizin“ (1-3) r i c h t i g sind, muß nunmehr als sehr hoch angesetzt werden.“ https://web.archive.org/web/20000311024537/http://www.pilhar.com/News/Presse/1992/9207ddp.htm
Die Echtheit dieses Schreibens ist bisher weder von Prof. Stemmann noch von der BKB oder der HHU angezweifelt worden. Die angeblich schon angefertigte Dokumentation ist bisher weder dem Dekanat in Düsseldorf vorgelegt noch im Internet oder woanders veröffentlicht worden. Herr Dr. Stemmann hat mir im Jahr 2000 handschriftlich auf Nachfrage mitgeteilt, es sei kein Bericht angefertigt worden: www.reimbibel.de/Stemmann-kein-Bericht.pdf . Es scheint, dass Stemmann entweder den Dekan oder mich belogen hat.
Die „Überprüfung“ der „Neuen Medizin durch Stemmann dürfte der Hamer-Sekte beim Anwerben neuer Opfer geholfen haben. Die Anhänger Hamers werben noch heute damit: https://germanische-heilkunde-dr-hamer.com/archiv/verifikationen/germanische-heilkunde-verifikation-gelsenkirchen ;
https://neue-medizin.net/gelsenkirchen.html .
Es sind weit über 100 Fälle belegt, bei denen Krebspatienten durch Hamer und dessen Anhänger von Chemotherapie, Bestrahlungen, Operationen und Schmerztherapie abgehalten wurden und oft unter großen Schmerzen gestorben sind. Näheres hier: www.ariplex.com/ama/ama_ham2.htm und hier: www.psiram.com/de/index.php/Opfer_der_Germanischen_Neuen_Medizin
1992-2020: Der Einfluss von Ryke Geerd Hamer auf das GBV
„Ja, ich halte Ernst August Stemmann für einen Hamer-Anhänger, ja, das GBV ruht theoretisch auf Hamers Ideen. Das sieht ein Blinder mit dem Krückstock.“ Hubert Rehm, Laborjournal, 6/2005, S. 24
Ältere Texte Stemmanns zum GBV (Stemmann, 1987; Stemmann et al. 1989/90; Stemmann und Starzmann, 1990) bewegen sich noch im Rahmen üblicher multifaktorieller psychosomatischer Betrachtungen der ND und bestätigen im psychologischen Teil Beobachtungen zur Mutter-Kind-Beziehung von Loch (1985), der auch das Problem der Trennung anspricht.
Wann und wie Stemmann zuerst in Kontakt mit Hamer gekommen ist, weiß ich nicht. Der Einfluss Hamers auf das Denken und Handeln Stemmanns ist ab 1992 nachweisbar und von Fachleuten und Laien kaum bemerkt geschweige denn öffentlich kritisiert worden. Das GBV ist bis 2020 weitgehend ohne Verweis auf seine theoretische Anlehnung an Hamers GNM im Schafspelz einer ganzheitlichen Psychosomatik aufgetreten, d.h. die Öffentlichkeit ist von Stemmann (mit wenigen Ausnahmen) und später von Lion und Neugebauer in dieser Hinsicht systematisch hinters Licht geführt worden.
Kurz nach seiner „Überprüfung“ und Bestätigung der „Neuen Medizin“ bezeichnete Stemmann im Juli 1992 gegenüber der Presseagentur ddp Hamers Forschungsarbeiten als eine „grandiose Idee“ und Hamer selbst als „in Teilbereichen einen der größten Forscher dieser Zeit“. https://web.archive.org/web/20000311024537/http://www.pilhar.com/News/Presse/1992/9207ddp.htm
Im September 1993 schrieb Stemmann einen Bericht für die AOK Ennepe-Ruhr: „Klinische Prüfung zur Evaluierung therapeutischer Effekte im „Schwelmer Modell“. Wissenschaftliche Erfolgskontrolle. Prof. Dr. E. A. Stemmann, Prof. W. Klosterhalfen, Städtische Kinderklinik“. Auf Seite 70 dieses Berichtes, zu dem ich als Hilfskraft Stemmanns lediglich durch Auswertung der Patientenakten und statistische Darstellungen und Berechnungen beigetragen habe, heißt es:
„Laut Hamer (9) wird die Trennung wie ein Schock erlebt, wenn sie den Betreffenden unerwartet trifft und ihm wehtut. Das Trennungserlebnis bzw. –gefühl löst dann die Neurodermitis ursächlich aus. Doch zunächst sind die Krankheitssymptome noch nicht sichtbar, solange den Betroffenen sein „gekränktes“ Gefühl intensiv beschäftigt. Es ruft eine Dauersympathikotonie hervor, erkennbar an der inneren Unruhe, dem gereizten Verhalten, der trockenen und blassen Haut und den kalten Händen und Füßen. Wird das krankmachende Gefühl überwunden, so geht die Stressphase in eine vagotone Phase über, in der die Neurodermitis in Erscheinung tritt. Die Haut ist gerötet, feucht, Hände und Füße sind warm, die innere Spannung sinkt und erst danach kehrt der Organismus zur Normotonie zurück, wenn die Haut abgeheilt ist.„
Zusammen mit der Kränkung durch das Gefühl können auch andere Informationen dauerhaft eingeprägt werden, die zu dem Zeitpunkt, als der Betreffende die Kränkung empfunden hat, vorhanden waren wie – Sinneswahrnehmungen – der Kontakt mit Allergenen, infektiösen Erregern, Schadstoffen u.a. Wird das Gefühl der Trennung bewusst oder unbewusst erinnert oder werden programmierte Sinnesreize wahrgenommen bzw. findet ein erneuter Fremdstoffkontakt statt, so gerät der Betroffene automatisch in eine Stressphase, nach deren Abklingen unmittelbar Juckreiz einsetzt, und/oder es folgen ein bis zwei Tage später entzündliche neurodermitische Veränderungen nach.“
Seite 98: „9. Hamer, R. G.: Vermächtnis einer Neuen Medizin, Bd. I Amici di Dirk Verlag Köln 1987“
Stemmann hat mir nie ein Exemplar seiner Schriften oder Bücher ausgehändigt oder mich auf diese aufmerksam gemacht. Obigen Bericht erhielt ich von der Sekretärin von Prof. Stemmann mit der Bitte, ihn dem Leitenden Psychologen der KKG, Gerd Starzmann, zu übergeben. Ich habe mir bei dieser Gelegenheit eine Kopie des Berichts gemacht.
In dem folgenden Artikel (an dem ich nicht mitgearbeitet habe) hat Stemmann bizarre Auffassungen Hamers referiert, ohne diesen beim Namen zu nennen: Stemmann EA, Starzmann G, Schachoff R, Langer D, Klosterhalfen W, Lion KA, Stachnik J, van Meerbergen, S: Neurodermitis ist heilbar. Das Gelsenkirchener Behandlungsprogramm der Neurodermitis. Sozialtherapie, 1993, 6-7, 23-33.
„Eine Neurodermitis kann nur durch ein Gefühl entstehen, das den Betroffenen elementar, unerwartet, vergleichbar einem Schock, trifft. … Welches Gefühl verursacht eine Neurodermitis? Bestimmte Gefühle haben Bezug zu bestimmten Krankheiten und gehen ihnen voraus. Bei der Neurodermitis dominiert das Gefühl „Trennung“. Unter Trennung ist der Abriß des Körperkontaktes, der Verlust des Kontaktes zur Mutter, Familie, zu Freunden, zur gewohnten Umgebung zu verstehen. … und so entsteht eine Neurodermitis nach Situationen, in denen „Trennungen“ vollzogen werden, wie
. nach der Geburt, Trennung von der Mutter
. beim Abstillen, Trennung von der Brust, der Nahrungsquelle
. durch die Geburt eines Geschwisterkindes, Trennung von der Mutter
. nach Scheidung der Eltern, Trennung von einem Elternteil
. nach Wohnortwechsel, Trennung von dem alten Revier
. nach Scheitern der ersten Liebe, Trennung von dem geliebten Menschen
. nach Arbeitsplatzwechsel, Trennung von dem gewohnten Umfeld
Wiederholen sich derartige Situationen von Trennung, in denen das Gefühl erinnert und als Kränkung empfunden wird, werden jedesmal neurodermitische Beschwerden auftreten, und damit ist die chronische Krankheit programmiert.
Zusammen mit der Kränkung durch das Gefühl können auch andere Informationen wahrgenommen und gespeichert werden, die zu dem Zeitpunkt, da der Betroffene die Kränkung empfunden hat, vorhanden waren, wie Sinneswahrnehmungen in Form von Geräuschen, Gerüchen u.a.. Der Kontakt mit Allergenen, infektiösen Erregern, Schadstoffen u.a.. Werden dann diese Sinneswahrnehmungen in Form von Geräuschen, Gerüchen u.a. bewußt oder, was zumeist der Fall ist, unbewußt erinnert oder findet erneuter Fremdstoffkontakt mit Allergenen, infektiösen Erregern, Schadstoffen u.a. statt, so treten Neurodermitissymptome auf.“ S. 25f
Stemmann hat irrsinnige Vorstellungen Hamers von der Entstehung von Krankheiten – teils wörtlich – übernommen:
Gelsenkirchener Behandlungsverfahren | Germanische Neue Medizin |
(Das GBV) „vertritt die Meinung, dass die Ursachen einer Krankheit stets in einer Gefühlsverletzung liegen, die den Erkrankten unerwartet getroffen hat …“ [ https://tinyurl.com/yyhsdd98 , S. 1] „Grundsätzlich entsteht eine chronische Krankheit durch ein Gefühl, welches den Betroffenen elementar, unerwartet, vergleichbar einem Schock trifft. Bei der Neurodermitis ist dies das Gefühl von Trennung.“ https://tinyurl.com/y6mt7nmc S. 2 | „Jede Krebs- oder Krebsäquivalent-Erkrankung entsteht mit einem DHS, d.h. einem allerschwersten, hochakut-dramatischen und isolativen Konfliktschockerlebnis …“ [8, S.2] „Alles was nicht Krebs ist, ist Krebsäquivalent“ [Hamer, 2004, 46] Anmerkung: Für Hamer sind auch Asthma und Neurodermitis „Krebsäquivalente“, die innerhalb eines DHS (Dirk-Hamer-Syndrom) auftreten. |
„Zusammen mit der Kränkung durch das Gefühl können auch andere Informationen dauerhaft eingeprägt werden.“ https://tinyurl.com/yy392f4n S. 7 | „Wenn ein Individuum einen biologischen Konflikt durch ein DHS erleidet, dann wird im Moment des DHS nicht nur der Konflikt selbst einprogrammiert, sondern auch gewisse Begleitumstände.“ [Hamer, 2004, S. 35] s.a. www.neue-medizin.de/html/dhs.html |
„Werden z.B. Sinneswahrnehmungen in Form von Geräuschen, Gerüchen … erinnert … so setzt automatisch eine Stressphase ein, nach deren Abklingen Asthma auftritt.“ https://tinyurl.com/yy392f4n S. 7 | „Ein Professor für Allergologie hat das mal, als er es begriffen hatte, etwas salopp so ausgedrückt: Wenn du ein DHS mit einem biologischen Trennungs-Konflikt beim Abschied erleidest, und es läuft gerade eine Kuh vorbei, dann hast du anschließend eine „Kuh-Allergie“ …“ [ https://amici-di-dirk.com/?page_id=9816 ] |
„Unter Trennung ist hierbei der Abriß des Körperkontakts, der Verlust des Kontaktes zur Mutter, Familie, zu Freunden, zur gewohnten Umgebung zu verstehen.“ https://tinyurl.com/y6mt7nmc S. 2 | „Psychisch liegt immer ein Trennungskonflikt vor, also ein Abriß des Körperkontakts zur Mutter, Familie/Herde, Freunde auch Tiere.“ https://tinyurl.com/y5uaxnlw |
„Die Art der Trennung bestimmt die Lokalisation der Neurodermitis.“ [Stemmann und Stemmann, 2002, S. 291] | „Der Konfliktinhalt bestimmt … die Lokalisation der Krebs- oder Krebsäquivalent-Erkrankung am Organ.“ [Hamer, 1994, S.2] |
„Wichtig ist, dass nicht jede Trennung in die Erkrankung führen kann, sondern nur eine Trennuungssituation, in der der Betroffene gefühlsmäßig ‚auf dem falschen Fuß erwischt’ wird, in der er sich ‚verfühlt’.“ https://tinyurl.com/y6mt7nmc S. 2 | „Das DHS ist ein schwerer, hochakut-dramatischer und isolativer Konfliktschock, der das Individuum „auf dem falschen Fuß erwischt“ https://tinyurl.com/yy3gpkox |
„Die Sachinformation – Trennung – (in der Trennungsangst) verändert die Funktion des Gyrus postzentralis des Großhirns.“ [Stemmann und Stemmann, 2002, S.289] | (Traumatische Trennungen bewirken einen) „Hamerschen Herd im sensorischen und postsensorischen Rindenzentrum“ [Hamer, 1994, Tabellenanhang] |
„Der Krankheitsverlauf ist zweiphasig: erst wenn das krankmachende Gefühl überwunden ist, d.h. in der Entspannung, setzen Zeichen der Neurodermitis ein.“ [Stemmann et al, 1993, S.26] | „Jede Erkrankung der gesamten Medizin ist ein zweiphasiges Geschehen, sofern es zu einer Lösung des Konfliktes kommt“ https://tinyurl.com/yy3gpkox |
„Asthma entsteht in Situationen, in denen der Betroffene ein Gefühl der Angst empfindet, dass jemand in sein Revier einzubrechen oder es unerlaubterweise zu verlassen droht.“ https://tinyurl.com/yy392f4n S. 7 | (Ursache des Asthmas): „Revierangst-Konflikt (der Gegner ist noch nicht ins Revier eingebrochen, die Gefahr aber droht, steht greifbar nahe bevor)“ [Hamer, 1994, Tabellenanhang] |
„Die Betroffenen und ihre Angehörigen lernen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ihnen werden Methoden und Strategien vorgestellt, die sie befähigen, sich selbst zu helfen.“ https://tinyurl.com/y6mt7nmc S. 11 „Der Neurodermitiskranke heilt sich selbst“ [Stemmann und Stemmann, 2002, S.268] | „Der Patient wird zum ‚Agenten’, einem Mithandelnden, der ja seinen Konflikt selbst lösen muß, vielleicht mit gewissser Hilfestellung, aber im Grunde muß er ihn selbst lösen.“ https://tinyurl.com/y39j3bmm |
Tab.2: Zitate, die belegen, dass die Krankheitslehre des GBVs in wesentlichen Punkten mit der GNM wörtlich übereinstimmt oder dieser ähnelt:
Der Einfluss Hamers auf das GBV zeigt sich ebenfalls in der von Stemmann 1996 für Eltern verfassten ND-Broschüre, die vom Verein „AuK“ vertrieben wurde. In dieser Broschüre, zu der ich keinen einzigen Satz beigesteuert habe, heißt es u.a.:
„Das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren geht davon aus, daß ganz spezifische Streßsituationen für das Entstehen einer Neurodermitis verantwortlich sind. Grundsätzlich entsteht eine chronische Krankheit durch ein Gefühl, welches den Betreffenden elementar, unerwartet, vergleichbar einem Schock trifft. Bei der Neurodermitis ist dies das Gefühl von Trennung. Der Betroffene ist trennungsängstlich, trennungsempfindlich.
Unter Trennung ist hierbei der unerwartete Abriß des Körperkontaktes, der Verlust des Kontaktes zur Mutter, Familie, zu Freunden, zur gewohnten Umgebung zu verstehen. Wichtig ist, daß nicht jede Trennung in die Erkrankung führen kann, sondern nur eine Trennungssituation, in der der Betreffende gefühlsmäßig “auf dem falschen Fuß erwischt” wird, in der er sich “verfühlt”.
Die Trennungssituation kann auch eine Alltagssituation sein, wie zum Beispiel:
- Geburt durch Kaiserschnitt
- Abstillen
- Geburt eines Geschwisterkindes
- Wohnortwechsel
- Scheitern der ersten Liebe
- Arbeitsplatzwechsel“
Die Trennungssituation, die zur “Kränkung” geführt hat, löst über eine Fehlregulation der Immunabwehr bzw. eine Fehlsteuerung der Empfindlichkeit der Haut eine Neurodermitis aus. Wiederholen sich derartige Situationen von Trennung, in denen das Gefühl erinnert und als Kränkung empfunden wird, werden jedesmal neurodermitische Beschwerden auftreten, und damit ist die chronische Erkrankung programmiert.“ S. 2f
„Die Trennungsangst kann wirksam überwunden werden durch ein Trennungstraining, d.h. indem der Betroffene sich täglich mehrfach von seiner Bezugsperson löst und dadurch erfährt und lernt, daß Trennungen keine Angst und somit auch keine Neurodermitis auslösen.“ S. 5 https://web.archive.org/web/20030323131236/www.kinderklinik-ge.de/Schriften/Neurodermitis.pdf
Im März 2005 erschien Hamers Buch „Einer gegen alle. Die Erkenntnisunterdrückung der Neuen Medizin“. Der Inhalt des Buchs ist hier kostenlos einsehbar: https://archive.org/stream/HamerRykeEinerGegenAlleDieErkenntnisunterdrueckungDerNeuenMedizin2005440S./Hamer%2C%20Ryke%20-%20Einer%20gegen%20Alle%20-%20Die%20Erkenntnisunterdrueckung%20der%20Neuen%20Medizin%20%282005%2C%20440%20S.%29_djvu.txt Auf den Seiten 409-412 rechnet Hamer mit Stemmann ab.
Seite 409 ist zu entnehmen, dass Hamer 1992 bei der „Verifikation“ in der Kinderklinik war. Es scheint, dass Hamer dort zwei Tage lang über seine Fälle referiert hat. 1995 habe Hamer Stemmann in der Klinik besuchen wollen. Daraus sei aber zu Hamers unangenehmer Überraschung eine Konferenz mit 30 Ärzten und einer Fallvorstellung geworden. Dazwischen hätten Stemmann und Hamer viele Fälle gemeinsam besprochen.
Stemmann und Hamer haben außerdem am 29.9.1992 gemeinsam an einer Sitzung teilgenommen:
https://germanische-heilkunde.at/prof-hanno-beck-und-dr-hamer-eidesstattliche-erklaerung/ .
„Als ich 1997 im Gefängnis war, haben Sie für Neurodermitis alle meine Erkenntnisse abgekupfert und verkaufen sie nunmehr als Ihre eigenen Erkenntnisse im sog. Gelsenkirchener Behandlungsmodell der Neurodermitis.“ (S. 410)
„Aber auch bezüglich Asthma bronchiale (Revierangst ruft Asthma hervor) haben Sie auch alles bei mir abgekupfert. Nur verstanden haben Sie offenbar nichts. Mir kommt das so vor, als wenn jemand eine teure Maschine entwendet und dann als Zauberlehrling davor steht und nicht weiß, wie er sie bedienen soll aber dabei behauptet, er habe sie gebaut. Herr Stemmann, Sie wissen genau, was ich jetzt denke. Ich finde es einfach niedrig, wie Sie sich alle meine Erkenntnisse angeeignet haben, sie jetzt als Ihre eigenen verkaufen, und sich auch noch dafür loben lassen. Den einen sperrt man ins Gefängnis für die Germanische Neue Medizin, der andere kupfert sie ab, mischt sie, damit sie auch für Schulmedizyn akzeptabel ist und kassiert dafür seinen „Judaslohn“ in Form von Anerkennung (siehe Schreiben Frau Ministerin Fischer). Schämen Sie sich gar nicht? Schade! Doch glauben Sie mir: Eines Tages wird man mit Fingern auf Sie zeigen und Sie einen „Wissenschaftlichen Räuber“ schimpfen! Dabei hätten Sie die Möglichkeit gehabt – auf ganz ehrliche Weise – der King unter den Professoren zu sein, wenn Sie ehrlich und aufrichtig geblieben wären.“ (S. 411)
Am 21.08.2004 schrieb Hamer an die Gesundheitsministerin von NRW:
„Sehr geehrte Frau Ministerin Birgit Fischer,
aus gegebener Veranlassung schreibe ich Ihnen in Sachen „Gelsenkirchener Behandlungsmodell für Neurodermitis“. Wie Sie den beigefügten Unterlagen entnehmen können und dem Brief an Herrn Prof. Stemmann – den ich Ihnen vertraulich zur Kenntnis gebe – sind Sie einem wissenschaftlichen Betrug aufgesessen. Herr Stemmann, der früher Neurodermitis mit Ernährungs-Umstellung behandelte, hat seine Kenntnisse für das Gelsenkirchener Behandlungsmodell von mir bzw. meinen Büchern und Tabellen abgekupfert und verkauft sie nun als seine eigenen Erkenntnisse. Während ich, wegen „Nicht-abschwörens der Neuen Medizin“ (jetzt Germanische Neue Medizin) und mich „Nicht-bekehrens zur Schulmedizin“ bereits 1986 meine Approbation verloren habe und 1997 dafür 1 Jahr ins Gefängnis musste, hat Prof. Stemmann die Zeit meiner Gefängnishaft benutzt, und sich mit meinem geistigen Eigentum sein Neurodermitis-Imperium aufgebaut, unterstützt und belobigt von Ihrem Ministerium bzw. mit einem persönlichen Schreiben von Ihnen. Meinen Namen hat er nirgends mehr erwähnt.“ (S. 411f)
10.10.2006, In der Online-Ausgabe des Laborjournals erscheint ein Artikel von Siegfried Bär über Ryke Geerd Hamer. Darin heißt es u.a., Hamer habe einen leibhaftigen Professor der Universität Düsseldorf zumindest teilweise bekehren können, was dieser jedoch bestreite. www.laborjournal.de/editorials/214.php
1993-2020: Das „Trennungstraining“ in der „Mäuseburg“
Bericht einer Mutter, die 2003 mit ihrer Tochter am GBV teilnahm: „In den Vorträgen ging es überwiegend darum, wie Eltern dem Kontrollzwang der Kinder begegnen sollten und wie ausgefuchst Kinder denn seien. Immer wieder wurde gesagt, wie wichtig es ist, dem Kind die an sich gerissene Kontrolle wieder wegzunehmen. Ja, auch meine sechs Monate alte Tochter soll mich schon komplett kontrolliert und tyrannisiert haben. Dieser Zahn müsste ihr mit allen Mitteln gezogen werden. Dazu gehörte auch, dass ich sofort abstillen sollte, um ihr diese „Ausrede“ nach Nähe zu nehmen, denn Stillen wäre ein Mittel, die Mutter an sich zu binden. … Ich hörte F. schreien. Ich weinte ins Kissen. Und das alles, um eine vermeintliche Neurodermitis zu heilen. Es ging meinem Baby und mir wirklich sehr schlecht. Aber ich blieb. Unglaublich. Im Nachhinein ist es mir unbegreiflich. Ich war wohl zu schwach. Oder die „Fachleute“ zu stark. Vielleicht beides. … Ich begann zu verstehen, was ich meinem großen kleinen Mädchen seit diesem Klinikaufenthalt angetan hatte. Wie hatte ich diese offensichtlichen Absurditäten nur zulassen können? Warum habe ich nicht auf mich gehört? Wie konnte es sein, dass mir völlig fremde Menschen sagen konnten, wie ich MEIN BABY zu behandeln habe? Warum habe ich nicht für sie, nicht für uns einstehen können?“
Über diese Mutter hat am 5.10.2020 auch der DLF Kultur berichtet: „Auch Josefa Kahn kommt ziemlich verzweifelt in die Klinik, im Winter 2003, mit ihrer ebenfalls sechs Monate alten Tochter Gerti. Auch Gerti hat Neurodermitis, die Diagnose der Klinikärzte in Gelsenkirchen ähnelt der von Fritz: Stress bei der Geburt habe zu einem Trennungstrauma geführt, das wiederum die Hautkrankheit auslöse. Zur Behandlung, erzählt Josefa Kahn, habe man ihr erklärt, sie müsse sich von ihrer Tochter lösen, radikal und konsequent.„
„Ich sollte sie nicht in den Arm einer Betreuerin geben, sondern in eine Ecke auf den Boden legen. Ich fragte nach einer Decke zur Unterlage für den winterkalten PVC-Boden, aber ich bekam nur die Antwort: ‚Das braucht die nicht‘. Es gab dort nur weinende und verzweifelte Kinder und mein Baby lag mittendrin auf dem Boden. Schreiende Kinder und Babys überall. Einmal, als ich Gerti abholte, hatte sie sich zu einem anderen Baby gerobbt und lutschte an dessen vereitertem Ohr rum. Das ist ein Bild, das ich nie vergessen werde.“ www.deutschlandfunkkultur.de/elternschule-in-der-kritik-schreiende-kinder-und-babys.2165.de.html
Aus dem Bericht der Mutter des Säuglings „Karl“, die 4/2017 mit ihrem Sohn am GBV teilnahm: „Als der Vortrag um 11.30 Uhr zu Ende war, holte ich K. aus der „Mäuseburg“ ab. Ich fand ihn auf einer blutigen Bettdecke, am Kopf mit schlimmen Verletzungen, die ich fotografiert habe. Das Klinikpersonal hat K. entgegen meinen ausdrücklichen Willen die Kratzschutzhandschuhe und den Schnuller weggenommen, als sie ihn vom Bett in die „Mäuseburg“ gebracht haben. Als ich den Raum betrat, saßen zwei Betreuer in der Mitte, als wenn nichts wäre, waren ganz still und lächelten die ganze Zeit. Um sie herum schätzungsweise zehn weitere Kinder, alle älter als K. und alle am Weinen. Ein Mädchen stand neben mir am Fenster, bemerkte mich nicht, weil sie so mit heulen beschäftigt war. Sie trommelte mit den Fäusten gegen die Fensterscheiben und ich sah ihr an, dass sie nur wegwollte und unfassbare Angst gehabt haben muss. Diesen Anblick werde ich wohl nie vergessen.
Ich nahm meinen Sohn schnell mit aufs Zimmer. Als wir uns beide etwas beruhigt und ich meinen Sohn gefüttert hatte, verlangte ich, jemanden zu sprechen, der zuständig war. Ich wurde an eine bestimmte Schwester verwiesen, die vorschlug, K. ins Bett zu legen. Auf diesen Vorschlag ging ich nach dem Erlebnis mit der „Mäuseburg“ allerdings nicht ein. Ich entschied, dass er bei mir bleiben sollte. Die Schwester ging mit uns in das sogenannte Wohnzimmer. Sie schlug vor, ihm den Schnuller noch in den nächsten Tagen zu lassen, die Handschuhe allerdings nicht. Obwohl ich äußerte, dass ich anderer Auffassung war, beugte ich mich der Meinung der Schwester.
Ich war zu diesem Zeitpunkt nervlich bereits stark angeschlagen. Ich beschloss schließlich, die Behandlung abzubrechen, da ich die Methoden als zu gefährlich für meinen Sohn einstufte.“ www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=427837351406016&id=288344965355256
Diesen und weitere Berichte findet man auch auf der Facebook-Seite „Elternschule – Informationsseite“.
Bericht einer Mutter, die 2017 mit ihrer Tochter amSeite GBV teilnahm: „Das Trennungstraining in der Mäuseburg war auch ganz schlimm. Es herrschte dort eine beängstigende Stimmung. Lauter kleine, verzweifelte Kinder und dazwischen, so sah es für mich aus, nur teilnahmslos lächelndes und mit Spielzeug hantierendes Personal. Ich musste meine Tochter mehrmals täglich dort abgeben. Während die Kinder in der Mäuseburg waren, waren wir Mütter unter uns oder hörten als Gruppe Vorträge. Die Vorträge waren sehr stark auf Neurodermitis ausgerichtet. Immer wieder wurde gesagt, dass Kinder ihr Umfeld mit dem Kratzen nur manipulieren wollten. Eine andere Mutter, die ein Baby mit Neurodermitis hatte und gleichzeitig mit mir auf der Station war, wollte die Therapie abbrechen. Sie hat mir erzählt, man habe ihr gesagt, dass sie bei Therapieabbruch schuld daran sei, wenn ihr Kind weiterhin Kortison bräuchte. Außerdem seien die Nebenwirkungen des Medikaments bei so kleinen Kindern gravierend. Sie hat den Aufenthalt dann aber doch abgebrochen. Die Atmosphäre auf der Station empfand ich als generell negativ den Kleinkindern gegenüber. Nicht nur seitens des Personals, auch unter den Müttern fiel mir auf, wie der Umgang mit ihren Kindern von Tag zu Tag härter wurde. In den Gruppentherapien übertrumpfte man sich gegenseitig damit, wie manipulativ das eigene Kind sei und wie gut man das jetzt aushalte und nichts mehr durchgehen lasse. Bei der täglichen Arztvisite musste meine Tochter allein zum Arzt ins Zimmer, wobei sie bitterlich weinte. Meine Tochter hat sich dort verändert. Bereits nach wenigen Tagen Klinikaufenthalt kam sie mir wie ein „Zombie“ vor. Sie war total teilnahmslos. Trotzdem habe ich die Behandlung noch weiter zugelassen. Ich hatte solche Angst um sie, aber das Personal hat so geschickt geredet, dass ich dachte, es muss sein, um meinem Kind zu helfen. Ich habe ihnen vertraut. Nach einer Woche habe ich den Aufenthalt schließlich abgebrochen. Ich habe es nicht länger ausgehalten. Herr Langer bezeichnete meine nicht mal dreijährige Tochter im Abschlussgespräch als „gerissenes Kind“. Sie würde alle Therapeuten gegeneinander ausspielen. In der Zeit direkt nach dem Aufenthalt hatte Z. plötzlich Angst vor Trennungssituationen, die vorher nicht aufgetreten waren, zum Beispiel im Kindergarten oder sogar auch bei ihrer ihr vertrauten Oma. Ich sehe da ganz klar eine Verbindung zu dieser Mäuseburg.“ Quelle: Facebook, Elternschule – Informationsseite, 7.7.2019
Seine bzw. Hamers Trennungstheorie der ND hat Stemmann erstmals 1993 in der Zeitschrift für Sozialtherapie veröffentlicht (s. oben). Entsprechend nehme ich an, dass in der KKG spätestens ab 1993 alle Säuglinge und Kleinkinder mit ND, Asthma oder Allergien sowie ab ca. 2008 auch alle Säuglinge und Kleinkinder mit Verhaltensstörungen einem „Trennungstraining“ unterzogen wurden. Dazu wurden sie fast drei Wochen lang täglich mehrfach – jeweils bis zu 1 ½ Stunden lang – von ihren Müttern getrennt. Siehe dazu einen Behandlungsplan der APPAP aus dem Jahr 2017:
Diese Trennungen waren einerseits erforderlich, um den Müttern der Kinder zu ermöglichen, ohne ihre Kinder an dem vorgesehenen Begleitprogramm teilnehmen zu können. Andererseits sollte dadurch die bei Säuglingen und Kleinkindern mit ND und deren Müttern grundsätzlich angenommene Trennungsangst therapiert werden. Die Kinder blieben dann allein in ihrem Zimmer oder wurden in die berühmt-berüchtigte „Mäuseburg“ gebracht. Das „Trennungstraining“ bei Kindern mit Asthma, Allergien oder Verhaltensstörungen wurde anscheinend überwiegend aus organisatorischen Gründen durchgeführt.
Wie dramatisch diese Trennungen zumindest anfangs für viele Kinder waren, zeigte 2005 eindrucksvoll die SWR-Filmdokumentation „Hilfe! Mein Kind macht mich fertig – Erziehungskurse für verzweifelte Eltern“ am Beispiel des 2 ½ -jährigen neurodermitiskranken Simon und 2018 der SWR-Film „Elternschule“. Auch in den beiden ND-Büchern von Stemmann wurde deutlich, wie sehr die Kinder unter dieser „Behandlung“ litten. Sie wurden bei diesen Trennungen absichtlich nicht getröstet oder beschäftigt.
Diese rabiaten Trennungen waren aus meiner Sicht medizinisch nicht indiziert und potentiell für Mutter und Kind traumatisierend. Es bestand außerdem das Risiko auch langfristiger Schäden für Mutter und Kind sowie für die Mutter-Kind-Beziehung. Wie schlimm diese „Trennungstrainings“ auch für viele Mütter waren, zeigen auch weitere von Dr. Herbert Renz-Polster und von mir zusammengestellte Erfahrungsberichte von Müttern: www.kinder-verstehen.de/wp-content/uploads/Fallberichte_aus_neurodermitis_ch_v2-2.pdf
Aus dem Gedächtnisprotokoll der Mutter des 6 Monate alten Karl für Mittwoch, den 12.4.2017 (4. Tag in der KKG):
„7:45Uhr Betreuung in Mäuseburg während des Frühstücks
9:30Uhr – 11:00Uhr Schlafen
11:00Uhr durch Personal wecken, wickeln und in die Mäuseburg bringen
11:30Uhr Muttermilch (ab 17.04. sollte Brei gefüttert werden, nach 20min dann erst Muttermilch)
12:15Uhr Betreuung in Mäuseburg während des Mittags
13:00Uhr – 15:00Uhr Schlafen
15:00Uhr durch Personal wecken, wickeln und in die Mäuseburg bringen
15:30Uhr Muttermilch
18:15Uhr – 18:55Uhr Betreuung in Mäuseburg“
An diesem Tag wurden Mutter und Kind u.a. von 10:00 bis 11:30 getrennt. In dieser Zeit hörte die Mutter einen Vortrag von Dr. Lion, ab 11:00 gleichzeitig das Weinen und Schreien ihres Kindes in der „Mäuseburg“. Auf Mutter und Kind wartete als Teil des Therapiekonzepts täglich eine Vielzahl von Trennungen, anscheinend auch nachmittags von 14:00 bis 15:30. Ein solch rabiates „Trennungstraining“, das einem verhaltenstherapeutischen „Flooding“ ähnelt, wie es aber sonst nur bei guter Vorbereitung und unter therapeutischer Begleitung mit damit einverstandenen Erwachsenen praktiziert wird, ist an anderen Kliniken nicht üblich. Dr. Lion: „Wir sind die Einzigen, die auch Säuglinge psychosomatisch behandeln.“ https://web.archive.org/web/20190814054926/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/psychosomatik/_media/medienberichte/WAZ-vom-14-09-2016.pdf
Die meisten Mütter waren erschöpft und verzweifelt, wenn sie mit ihrem kranken Säugling oder Kleinkind in der KKG eintrafen. Wenn sie vom Personal der APPAP aufgefordert wurden, sich wiederholt für längere Zeit von ihrem Kind zu trennen, kamen viele von ihnen in einen schweren Konflikt (dem Mutterinstinkt folgen oder dem Personal?), fügten sich dann aber meistens dem geschlossen auftretenden „Behandlungsteam“, das in den letzten Jahren zum Teil schon seit etwa 25 Jahren zusammenarbeitete. Sie waren psychisch nicht in der Lage, sich zu widersetzen, befürchteten vermutlich auch, dass man ihnen vorwerfen würde, der Gesundung ihres kranken Kindes im Wege zu stehen.
Ob die KKG oder BKB jemals eine sich dem GBV widersetzende Mutter dem für die Mutter örtlich zuständigen Jugendamt gemeldet hat, ist mir nicht bekannt. Zumindest entsprechende Befürchtungen von Müttern halte ich aber für wahrscheinlich. Denn wenn eine Mutter eine für ihr Kind notwendige Therapie abbricht, ist dies ja durchaus ein Fall für das Jugendamt.
Vom familiären Umfeld der Mutter und vom Team der APPAP, oft auch von anderen auf der Station anwesenden Müttern, ging ein sehr starker sozialer Druck aus. So hat z.B. die Mutter des Säuglings „Karl“ berichtet: „Außerdem wurde mir geraten, den Kontakt nach Hause zu unterlassen und mein Telefon bei den Schwestern abzugeben, um mir selbst zu helfen. … Ich erinnere mich, dass unter den Müttern ein starker Zusammenhalt herrschte. Viele verbrachten fast den ganzen Tag zusammen – man ging beispielsweise zusammen joggen und machte autogenes Training, während die Kinder beim Schlaf- oder beim Trennungstraining waren. Wir Mütter durften die Kinder nur zu bestimmten Zeiten sehen.“
Die Entscheidungsfreiheit der sogenannten Begleitperson wurde unter Ausnutzung des eigenen Status vom Behandlungsteam stark eingeschränkt. Vor allem Ärzten und Psychotherapeuten wird von den meisten Menschen grundsätzlich viel Vertrauen entgegengebracht. Und ein Kinderarzt ist der Letzte, von dem man erwartet, dass er ein Kinderschinder ist. Keine der Mütter, die das „Behandlungsangebot“ der APPAP annahmen, rechnete damit, dass sie auf Therapeuten mit abnormen Vorstellungen von der Entstehung und Therapie von Krankheiten treffen würden, und die versprochenen Heilungen nur vorgetäuscht wurden.
Wenn eine Mutter trotzdem die „Behandlung“ in der KKG abbrach, lud sie die Verantwortung für die Folgen dieser Entscheidung auf sich. Außerdem musste sie sich eingestehen, dass die Wahl der Klinik ein Irrtum war und deren „Behandlung“ mehr schadet als nutzt. Sie musste ihre Hoffnung aufgeben, dass ihr schwer leidendes Kind durch das GBV endlich geheilt wird.
Die Mutter des Patienten „Karl“ hat sich nur deswegen zu einem Behandlungsabbruch durchringen können, weil ihr Kind sich in der „Mäuseburg“ stark selbst verletzte, niemand half, sie einen psychischen Zusammenbruch erlitt und telefonisch stark von ihrer Mutter unterstützt wurde. Sie war nicht die einzige Mutter, die die Be- bzw. Misshandlung ihres Kindes beendet hat. Die Zahl oder der Prozentsatz der Abbrecher liegt mir aber nicht vor.
Unter Bezug auf den Bericht der Mutter des Säuglings „Karl“ hat eine Ärztin zur besonderen Arzt-Eltern-Patient-Beziehung geschrieben: „Die Mutter ist demnach vollumfänglich selbst für die Verletzungen ihres Kindes verantwortlich, denn sie hat ja in die Behandlung eingewilligt. Das mag zwar vordergründig zutreffend erscheinen, doch wird hier die Gesetzgebung einem wichtigen Umstand nicht gerecht: Es wird nicht berücksichtigt, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis asymmetrisch und von einem erheblichen Machtgefälle geprägt ist. Es handelt sich nicht um eine Beziehung auf Augenhöhe, da der Arzt den Status eines Experten innehat. Gewinnt in einer Arzt-Patienten-Beziehung der Patient den Eindruck, sich gewissen Vorgaben beugen zu müssen, handelt es sich mehr um ein paternalistisch-fürsorgliches und weniger um ein partnerschaftliches Verhältnis, bei dem beide an einem Strang ziehen. Dies ist verstärkt der Fall, wenn sich der Patient beziehungsweise der Sorgeberechtigte in einer Ausnahme- oder Notsituation erlebt, in der er sich Hilfe vom Arzt erhofft. Der Arzt muss in solch einem Fall besonders verantwortungsbewusst handeln und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten respektieren, was nicht der Fall ist, wenn Aussagen getroffen werden, die beispielsweise zu Schuldgefühlen beim Patienten beziehungsweise dem Sorgeberechtigten führen. Der Umgang mit minderjährigen Patienten und ihren Eltern erfordert ein in besonderem Maße verantwortungsbewusstes Handeln von ärztlicher Seite, da Sorgeberechtigte vor allem bei kleinen Kindern noch unerfahren und unsicher sind und sich deshalb auf die Expertenmeinung des Behandelnden verlassen können müssen. Eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe ist in dieser Situation aus den genannten Gründen auf keinen Fall gegeben.“ www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=427837351406016&id=288344965355256
17.12.2020, Prof. von Klitzing über das „Trennungstraining“: Zum routinemäßigen „Trennungstraining“ in APPAP hat Prof. Kai von Klitzing, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Leipzig, beim DLF Kultur wie folgt Stellung genommen:
von Klitzing: „Wenn ein Säugling mit sechs, sieben Monaten Trennungsangst hat, dann sagt man, das ist ein normales Phänomen. Und dann kann man das doch nicht als Zeichen von einer Krankheit ansehen.“
Sprecher: „Und die Diagnose „Neurodermitis bei Trennungsangst“?“
„Die ist unwissenschaftlich und völlig unhaltbar, die suggeriert ja noch ein Schuldgefühl an die Eltern, dass sie da irgendein Trennungstrauma herbeigeführt haben. Also das finde ich vollkommen unseriös.“
„Jeder Behandlungsplan muss immer entwicklungssensitiv sein. Dann guck ich mir genau an, wie diese Störungen aussehen, wo sie entstehen, wie sie sich entfalten, und dann mach ich n spezifischen Behandlungsplan, um diese Interaktion zu verbessern. Dazu kann durchaus auch mal eine Trennung sinnvoll sein, also zum Beispiel, wenn die Mutter seit Wochen nachts nicht mehr geschlafen hat, weil das Kind so viel schreit, was es ja oft bei der Neurodermitis gibt. Ich würde aber niemals rigide Trennungsvorgänge da inszenieren, egal wie viel das Kind schreit. Ich meine, das ist schwarze Psychologie oder schwarze Pädagogik. Das erinnert mich an die Zeiten der 50er und 60er Jahre, wo, wenn ein Kind in die Kinderklinik kam, von den Eltern getrennt wurde und einmal in der Woche durch ne Fensterscheibe die Eltern sehen durfte. Da hat man auch gesagt, ja die Kinder werden dann ja ruhiger. Aber wissen Sie was? Die haben dann Depressionen entwickelt. Und da gibt´s so viel Evidenz.“
Ein medizinisch nicht notwendiges „Trennungstraining“ mit Säuglingen oder Kleinkindern ist grundsätzlich rechtswidrig. Auch die hoffnungsvolle oder zögerliche Zustimmung einer erziehungsberechtigten Person ändert daran nichts. Nach dem, was mir über das GBV bekannt geworden ist, gibt es zumindest deutliche Hinweise auf jahrelang begangene Misshandlungen von Schutzbefohlenen mit ND, Asthma oder Allergien durch pseudomedizinische „Therapiemaßnahmen“ der APPAP.
1993-2020: Die medizinisch nicht indizierte Ernährungsumstellung
E.A. Stemmann und S. Stemmann (2002) beschreiben die „Ernährung der Neurodermitiskranken“ (S. 203-218) u.a. wie folgt:
„Nahrung, frisch zubereitet und vorwiegend pflanzlicher Herkunft wirkt erfrischend und belebend. … Die Umstellung der Ernährung hat auch einen pädagogischen Grund. Der Neurodermitiskranke, der sich bisher an keine Regeln halten musste, ihm wird plötzlich eine extreme Disziplin abverlangt. Befolgt er die Nahrungsempfehlungen perfekt, so hat er das Prinzip der emotionalen Selbstbeherrschung, die Fähigkeit, einer Handlung Aufschub aufzuerlegen, erlernt, was sich günstig auf sein weiteres Leben auswirken wird. … Die Ernährung nach dem Gelsenkirchener Modell ist eine säurearme, allergenarme Kost, frei von Milcheiweiß und Hühnereiweiß sowie ohne Zusatz von Farb- und Konservierungsstoffen, mit einem überwiegenden Gemüseanteil. … Die Umstellung der Ernährung wird streng über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr durchgeführt. …Säuglinge werden sechs Monate lang gestillt … Der Abstillvorgang wird so gestaltet, dass dem Säugling vor jeder Stillmahlzeit zunächst Sojamilch … angeboten wird. … Wird die Sojamilch verweigert, wird erst nach einem Intervall von 30 Minuten gestillt, um das Fehlverhalten des Säuglings nicht zu verstärken. … Zu fordern ist, dass die Mütter ihre Säuglinge zu festgelegten Zeiten stillen bzw. füttern.“
Bei Kindern mit ND ist eine Eliminationsdiät sinnvoll, wenn bekannt ist, dass das Kind auf ein oder mehrere Lebensmittel allergisch reagiert. Dies kommt bei etwa 30 % der Patienten vor. Die KKG hat jedoch die Ernährung bei allen Kindern mit ND rigoros umgestellt. Zumindest in der APPAP scheint dem keine gründliche Allergie-Diagnostik vorausgegangen zu sein. Bei einem Teil der Patienten wird die Frage einer Nahrungsmittel-Allergie aber vor dem stationären Aufenthalt geklärt worden sein. Daher wird der Anteil auf Nahrungsmittel allergisch reagierender Kinder in der APPAP deutlich unter 30% gelegen haben. Aber selbst bei diesen Kindern wäre eine so weitreichende Einschränkung der Kost, wie sie in der KKG praktiziert wurde, nicht notwendig gewesen:
„Eine klinisch aktuelle Allergie gegen Nahrungsmittelkomponenten (vornehmlich gegen Kuhmilch und Hühnerei) lässt sich nur bei einer Minderheit der Kinder mit Neurodermitis nachweisen. Eine diätetische Intervention bei Säuglingen und Kleinkindern mit Neurodermitis ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Aktualität einer Nahrungsmittelallergie nachgewiesen wurde. Der „Goldstandard“ eines derartigen Nachweises besteht in der doppelblinden Plazebo-kontrollierten Provokation des verdächtigten Nahrungsmittels, die gegebenenfalls repetitiv durchgeführt werden sollte [426-428].“ https://web.archive.org/web/20180504161344/https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-027l_S2k_Neurodermitis_2016-06-verlaengert.pdf S. 81
Allein schon die Tatsache, dass die drei ND-Studien der KKG trotz der Ernährungsumstellung keine Daten zur Gewichtsentwicklung der kleinen Patienten enthalten, hätte die Fachwelt alarmieren müssen. Aber selbst die heftige Kritik von Prof. Höger („unterernährt und in ihrer Entwicklung deutlich zurückgeblieben“) im SPIEGEL (2005) hat anscheinend nicht zu einer kritischen Überprüfung des GBVs geführt.
1993-2020: Mütter als Ko-Therapeuten
Kinder und Begleitpersonen wurden überwiegend parallel in getrennten Gruppen „therapiert“. Die Begleitpersonen (fast ausschließlich die Mütter der Kinder) sollten vor allem durch Vorträge von Prof. Stemmann (ab 2008 vor allem von Dr. Lion über Psychoimmunologie und dem Verhaltenstherapeuten Dietmar Langer über Erziehung) sowie Gruppengespräche zu Ko-Therapeuten der Kinder ausgebildet werden:
„Die chronische Krankheit betrifft nicht nur den Betroffenen, sie erfasst zugleich auch seine Kontaktperson (und die restliche Familie). Deshalb durchläuft die Kontaktperson ebenfalls das Behandlungsprogramm und fungiert dann als Trainer für die Selbstheilung … .“ Stemmann, E.A. und Stemmann, S. (2002): Selbstheilung (Spontanheilung) der Neurodermitis. Das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren, S. 272
Samstags wurde regelmäßig ein Vortrag über das GBV für die Väter und Großeltern der Patienten angeboten: https://web.archive.org/web/20060212140557/http://www.kinderklinik-ge.de/Seminarinformation.htm
Schon allein wegen dieser „Behandlung“ von Müttern (Vorträge über Ernährung, Erziehung und Psychoimmunologie, Autogenes Training, „Traumreisen“, Progressive Muskelentspannung, Laufen zur Entspannung, Einzelgespräche), d.h. aus organisatorischen Gründen, mussten kleine Kinder und deren Mütter regelmäßig voneinander getrennt werden:
Das „Trennungstraining“ wurde nicht nur zur „Therapie“ angeblicher kindlicher Trennungsangst bei Kindern mit ND, sondern auch bei allen Kindern mit Asthma, Allergien oder Verhaltensstörungen eingesetzt. Es dürfte in Deutschland und auch weltweit keine Klinik gegeben haben, in der chronisch kranke Kinder und deren Mütter nach einem derartigen „Behandlungsplan“ be- bzw. misshandelt worden sind.
1999: Stemmann „veröffentlicht“ ein Buch über Asthma
Das Buch „Asthma ist heilbar. Das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren“ erschien 1999 im Eigenverlag. Dies früher vom Verein „AuK e.V.“ vertriebene Buch hat 533 Seiten, auf denen 318 mal der auf R.G. Hamer verweisende Begriff „Revierangst“ vorkommt. Zitate aus diesem Buch:
„Asthma beruht auf einer zentral-funktionellen Fehlsteuerung.“ (S. 4)
„Asthma entsteht, wenn der Betroffene ein krankmachendes Gefühl empfindet oder ein Gefühl der Kränkung erlebt hat.“ (S. 5)
„Der Betroffene ist weder psychisch auffällig, noch besitzt er eine kranke Seele. Er hat sich lediglich „verfühlt“, und dadurch ist er an einem Asthma erkrankt. … Asthma kann nur durch ein Gefühl entstehen, das den Betroffenen elementar, unerwartet, vergleichbar einem Schock, trifft. … Bestimmte Gefühle haben Bezug zu bestimmten Krankheiten und gehen ihnen voraus. Beim Asthma dominiert das Gefühl “Revierangst”. … Jemand droht, in das Revier, das der Betroffene für sich reklamiert, einzudringen oder es unerlaubterweise zu verlassen.“ (S. 6)
„Der Krankheitsverlauf ist zweiphasig: erst wenn das krankmachende Gefühl überwunden ist, d. h. in der Entspannung, setzt Asthma ein.“ (S. 8)
Revierangst verursacht Asthma … Die minutiöse Analyse der Lebensgeschichten von Asthmakranken hat ergeben, daß Asthma
– erstmals auftrat, als etwas elementar gegen den Willen des Betreffenden geschah und
– künftighin immer dann ausgelöst wird, wenn etwas passiert, daß die Person sich anders vorgestellt hat, wenn der Betroffene sich bedrängt fühlt.
Beachte:
Asthma entsteht, wenn etwas elementar gegen den Willen des Betreffenden geschieht! Daß etwas, das gegen den eigenen Willen geht, Asthma verursacht, ist nur zu verstehen aus der Sicht der Evolution. Es handelt sich um ein Urgefühl des Menschen, sein Revier ist bedroht, Angst um das Revier kommt auf und ruft extremen Streß hervor. Aus Sicht der Evolution entsteht Asthma durch Revierangst (119). “ S. 58
„Ein Mensch, der unter Revierangst leidet, erlebt bei einem vermuteten oder realen Revierkonflikt Streß und reagiert darauf unangemessen – mit Asthma – und seine Reaktion läßt sich willentlich nicht verhindern.“ S. 63
Dass Asthma durch Revierangst entsteht, sieht nicht die Evolution so, sondern wurde erstmals von Hamer behauptet, der – wie auch Stemmann auf Seite 63 – den Begriff „Revierkonflikt“ benutzte. Im Literaturverzeichnis findet man unter Nr. 119: „Hamer, R. G.: Kurzfassung der Neuen Medizin (Stand 1994), Zur Vorlage im Habilitationsverfahren von 1981 an der Universität Tübingen, Amici di Dirk Verlagsgesellschaft, Köln 1994“
2000: Starzmann und Langer: dilettantische Studien zum GBV
Die ND-Studien 1 und 2 der KKG wurden nicht in einer Fachzeitschrift, sondern hier: Stemmann EA, Starzmann G, Langer D: Wirksamkeit der Behandlung der Neurodermitis nach Prof. Dr. E.A. Stemmann: AUK-Brief 5/2000, Bundesverband Allergie- und umweltkrankes Kind e.V., 1-4, http://web.archive.org/web/20030323174609/http:/www.kinderklinik-ge.de/Schriften/Behandlungserfolg.pdf und hier: Stemmann EA, Stemmann, S (2002): Selbstheilung (Spontanheilung) der Neurodermitis. Das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren, Eigenverlag, S. 265-270, „veröffentlicht“.
Studie 1: Starzmann hatte 1997 die Eltern von 42 Kindern (Durchschnittsalter: 10 Monate) ein Jahr nach dem Klinikaufenthalt befragt und 35 Antworten erhalten. „70% der Befragten beurteilen den Erfolg ihrer Bemühungen als sehr gut bis gut.“ (S. 1) Diese Studie genügt u.a. aus den folgenden Gründen nicht wissenschaftlichen Ansprüchen:
1. Es wird nicht berichtet, nach welchen Kriterien die untersuchten Kinder ausgewählt wurden.
2. Es fehlt eine Kontrollgruppe, die konventionell behandelt wurde. Da die Kinder durchschnittlich nur 10 Monate alt waren, war mit vielen behandlungsunabhängigen Spontanremissionen zu rechnen.
3. Die Beurteilungen kamen nicht von Ärzten, sondern von den Eltern. Diese berichteten nicht über den Hautzustand, sondern „den Erfolg ihrer Bemühungen“.
4. Bei 7 der 42 Kinder haben die Eltern nicht geantwortet. Der „Erfolg der Bemühungen“ dürfte bei diesen Kindern im Durchschnitt geringer gewesen sein.
Studie 2: Studie 2 wird als „Langer, Dissertation, im Druck“ vorgestellt. Eine solche Dissertation scheint es aber bis heute nicht zu geben. Möglicherweise ist eine von Herrn Langer eingereichte Dissertation mangels Wissenschaftlichkeit nicht angenommen worden. Zu 40 Kindern im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren gab es ein Jahr nach dem Klinikaufenthalt (1999) 38 Antworten der Eltern: „Der Zustand der Haut wurde in 87% als gebessert angegeben, … .“
Seinen Kolleg/inn/en wirft Stemmann indirekt vor, weniger tüchtig zu sein und unnötige Kosten zu verursachen (AuK-Brief 5/2000): „Würde das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren Teil der Regelversorgung, so hätte das hohe gesundheitspolitische Bedeutung – den Betroffenen und ihren Familien könnte jahrelanges Leid und der Solidargemeinschaft unnötige Kosten erspart werden.“ S.4
Mir scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Das im September 2020 eingestellte GBV verursachte bei der Behandlung von ND und Asthma unnötiges Leid und unnötige Kosten. Bei den angeblichen Therapieerfolgen dürfte es sich um Spontanremissionen, therapieunabhängige Selektionseffekte (die Therapie wird meistens dann begonnen, wenn es dem Kind besonders schlecht geht), Effekte der Umstellung der Ernährung und Dankbarkeitseffekte handeln. Es ist unter Fachleuten unbestritten, dass bei Säuglingen und Kleinkindern nach einem Jahr mit Spontanremissionen zu rechnen ist, die – wie z.B. bei einer Grippe – unabhängig von der jeweiligen Behandlung auftreten und den beobachteten Rückgang der Symptomatik ganz oder zumindest zu einem großen Teil erklären können:
„Bei 70% der Kinder verschwinden die Symptome bis zum dritten Lebensjahr von selbst.“ (Prof. Peter Höger, www.spiegel.de/spiegel/print/d-39613469.html , S. 175, letzter Absatz)
„Je früher die Krankheit auftritt, desto größer ist die Chance, dass die Ekzeme schnell wieder nachlassen. Bei 60 bis 80 Prozent der erkrankten Säuglinge und Kleinkinder geht die Neurodermitis spätestens zum Schulbeginn entweder zurück oder hat sich stark gebessert.“ www.allergieinformationsdienst.de/krankheitsbilder/neurodermitis/verbreitung.html#c191681
„Betroffen sind ca. 23% der Säuglinge und Kleinkinder, 8% der Schulkinder und 2 bis 4% der Erwachsenen.“ www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/neurodermitis-atopisches-ekzem/was-ist-eine-neurodermitis/
Dass diese Spontanremissionen durch das GBV wesentlich gefördert wurden, hat die KKG innerhalb der letzten 40 Jahre nicht nach gewiesen. Sie hat es aber trotzdem geschafft, bei vielen Eltern, Ärzten, Journalisten, Politikern, Behörden und Krankenkassen den Eindruck zu erwecken, das GBV hätte bei den meisten Kindern mit ND, Asthma oder Allergien eine Heilung bewirkt.
Warum wird das bei der „Diskussion“ der Ergebnisse überhaupt nicht angesprochen? Warum konnte die Kinderklinik Gelsenkirchen in über 30 Jahren nie eine wissenschaftlich akzeptable Untersuchung zu ihrer lautstark beworbenen und angeblich in zumindest 87% der Fälle zu einer Heilung führenden ND-Behandlung vorlegen?
Die Ernährungsumstellung dürfte bei den meisten Kindern gar nicht nötig gewesen sein und viele Kinder und deren Familien unnötig belastet haben. Es gab keine unabhängige, „blinde“ ärztliche Diagnostik und keine konventionell behandelte Vergleichsgruppe. Beide Untersuchungen wurden von Mitarbeitern der Klinik durchgeführt, ausgewertet und „veröffentlicht“, die ein Interesse daran hatten, das GBV gut aussehen zu lassen. Das soll nicht unterstellen, dass sie geschummelt haben, stellt aber eine methodische Schwäche der Studie dar. Besser wäre es gewesen, Fotos durch zwei „blinde“ Begutachter auswerten zu lassen.
Ein an der Klinik seit 1991 tätiger Mitarbeiter (ich selbst), der durch Promotion, Habilitation, zwei Lehrstuhlvertretungen und viele nationale und internationale Kongressvorträge und Publikationen im Bereich der psychoimmunologischen und psychosomatischen Forschung ausgewiesen war, wurde von der Mitarbeit an diesen Studien ausgeschlossen bzw. über deren Planung, Durchführung und „Publikation“ erst gar nicht informiert. Einige Jahre zuvor war ich von Prof. Stemmann immerhin noch mit der Auswertung einer Studie zu einer ambulanten ND-Behandlung (Schwelmer Modell) beauftragt worden.
2002: Stemmann „veröffentlicht“ sein 2. Buch über Neurodermitis
Stemmann EA, Stemmann S (2002): Selbstheilung (Spontanheilung) der Neurodermitis (Das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren), Auslieferung: AuK, Westerholter Straße 143, 45892 Gelsenkirchen, 335 Seiten
Dieses Buch, bei dem nicht klar ist, inwiefern Sibylle Stemmann daran mitgewirkt hat, ist sozusagen die Bibel des GBVs. Es richtet sich an Eltern sowie betroffene Jugendliche und Erwachsene. In der Fachwelt scheint es kaum Beachtung gefunden zu haben. Hamer wird nicht erwähnt, die von Stemmann vorgestellten ungewöhnlichen Ansichten von der Entstehung der ND sind aber stark von Hamer beeinflusst. Dies zeigt sich auch in einigen der folgenden Zitate:
„Der Erkrankte kann seine Neurodermitis selbst heilen. … Spontanheilungen belegen, dass die Neurodermitis heilbar ist. S. 4
„Durch unkontrollierbaren Stress entsteht eine Fehlschaltung im Gehirn, die die Funktion eines Organs beeinflusst und verändert.“ S. 36
„Eine Neurodermitis entsteht durch ein Trennungs-, Verlusterlebnis, das unkontrollierbaren Stress hervorruft. … Minutiöse Analysen des Lebens Erkrankter haben ergeben, dass dem erstmaligen Auftreten neurodermitischer Hauterscheinungen ausnahmslos (!) eine Trennung, ein Verlusterlebnis vorausgegangen ist und danach sind die Betroffenen auch trennungs-empfindlich – ein Zeichen dafür, dass die Trennung traumatisch verlaufen sein muss und unkontrollierbaren Stress ausgelöst hat.“ S. 37
Meine schriftliche Nachfrage (ich war zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig) bei Prof. Stemmann zu diesen „minutiösen Analysen“ und dem Einfluss Hamers auf das GBV, wurde leider nicht beantwortet.
„Eltern haben keinen Einfluß auf die Gedanken und Gefühle ihrer Kinder“. S. 38
„Empfindet das noch Ungeborene ein traumatisches Trennungsgefühl kurz vor der Geburt, so wird es schon mit den Zeichen der Neurodermitis geboren. Tritt die Neurodermitis Tage nach der Geburt auf, so war es das Trennungsereignis durch die Geburt selbst oder unmittelbar nach der Geburt.“ … Menschen, die eine andere Krankheit als die Neurodermitis erworben haben, geben ein anderes, spezifisch zu der jeweiligen Krankheit passendes Gefühl an, das traumatisiert worden ist.“ S. 41
„Eine traumatische Trennung kann unterschiedlich erlebt werden: als Trennung von einer Person, einem Lebewesen; als Wechsel in eine neue Umgebung; als Verrat, Aufgabe von Glaubensinhalten, Leitideen; als Nicht-Erreichen eines sehnlich erwünschten Zieles; durch Trennung von einem Gegenstand, an dem das Herz hängt. Aufgrund der Fähigkeit des Menschen, sich Trennungssituationen vorzustellen, zu phantasieren, genügen diese assoziativen Fähigkeiten, um eine entsprechende unkontrollierbare Stressreaktion auszulösen.“ S. 45
„Betroffene, die sich ihre Beschwerden nicht erklären können und deshalb fürchten, zahlreiche Nahrungsmittel würden ihre Neurodermitis bedingen, sind Angstpatienten. S. 112
„Die Erfahrungen mit der eigenen Umweltstation haben ergeben: – Die Umweltbelastung scheint von untergeordneter Bedeutung zu sein, viel wesentlicher für das Krankheits- geschehen war der Stress, den der Betroffene selbst hervorrief bzw. der durch Kontakt mit seiner menschlichen Umgebung tagtäglich ausgelöst wurde.“ S. 120
„Die Erziehung sollte konsequent und liebevoll umgesetzt werden … Widersetzt sich das neurodermitiskranke Kind der Anweisung, so hat es die Konsequenzen zu tragen. Es erfährt die Folgen seines Tuns und kann daraus lernen. … Das kranke Kind erleidet auf Dauer Schaden, wenn es nicht gehorcht und dann die Ablehnung seiner Bezugsperson erfährt. … das kranke Kind ist kein harmloses Geschöpf. … das kranke Kind ist voll verantwortlich. „Das kranke Kind meint es nicht so“ – mit diesem Satz trösten sich Eltern, wenn sie von dem Kind ausgenutzt und gequält werden. Es ist schwer für die Eltern, den „Terror“ des kranken Kindes auszuhalten. Deshalb müssen sich Eltern bei einem derartigen Verhalten auch wehren. Das Kind ist für sein Verhalten voll verantwortlich.“ S. 147
„Letztlich schafft es das neurodermitiskranke Kind, Mitleid und ein schlechtes Gewissen bei seinen Eltern hervorzurufen, die somit zu Sklaven ihres kranken Kindes werden. Die Eltern müssen sich von Mitleid und Schuldgefühlen befreien. … Widersprüche seitens des Kranken werden nicht akzeptiert. Bitten und Versprechungen sich zu bessern, werden nicht angenommen. Es gibt keine Diskussion (nicht ein einziges Wort) und keine zweite Chance. Sie wenden sich ruhig ab oder führenden den protestierenden Kranken auf sein Zimmer und gehen in Ruhe Ihren Angelegenheiten nach. … Wenn Sie den Kranken ernst nehmen und seine Selbstheilung fördern wollen, müssen Sie ihn die Folgen seines Fehlverhaltens spüren lassen. Nur diese Erziehungsmethode funktioniert und sie werden die Bestätigung in einer Änderung des Verhaltens des Kranken finden, … “ S. 148
Lungenarzt Stemmann hätte sich in Hinblick auf die Erziehung von Säuglingen und Kleinkindern vermutlich mit der Lungenärztin Johanna Haarer („Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“, 1934) gut verstanden. Die folgenden Zitatvergleiche verdanke ich Christina K.:
+++
J.H.: „Auch das widerstrebende und schreiende Kind muß tun, was die Mutter für nötig hält und wird, falls es sich weiterhin ungezogen aufführt, gewissermaßen „kaltgestellt“, in einen Raum verbracht, wo es allein sein kann und so lange nicht beachtet wird, bis es sein Verhalten ändert.“
Prof. Stemmann: „… die Kontaktperson nimmt den Säugling vom Schoß und setzt ihn auf die Erde, legt ihn auf ein Tuch. Erst wenn der Säugling sich beruhigt hat, darf er wieder auf den Schoß der Kontaktperson. Schreit er dann erneut unmotiviert, wird er wieder abgesetzt.“
J.H.: „Auch wenn das Kind auf die Maßnahmen der Mutter mit eigensinnigem Geschrei antwortet, ja gerade dann lässt sie sich nicht irre machen. Mit ruhiger Bestimmtheit setzt sie ihren Willen weiter durch, vermeidet aber alle Heftigkeit und erlaubt sich unter keinen Umständen einen Zornesausbruch.“
Prof. Stemmann: „Trotz Schreien, Toben und Kratzen muss die Kontaktperson in Ruhe auf ihrer Forderung beharren, dass das Kind die Treppen selbst hinaufsteigt. Es kann Stunden dauern, ehe der Stress abgeklungen ist und das Kind sich bequemt, die Treppe zu erklimmen.“
J.H.: „Es [= das Herumtragen des Kindes] ist in dieser Altersstufe ebenso wie in den früheren aus verschiedenen Gründen unzweckmäßig: Das Kind gewöhnt sich an die ständige Nähe und Fürsorge eines Erwachsenen und gibt bald keine Ruhe mehr, wenn es nicht Gesellschaft hat und beachtet wird.“
Prof. Stemmann: „Erinnere: Erlangt der Betroffene Beachtung oder gar Vorteile infolge seines Leidens, wird seine Krankheit verstärkt.“
„Auf das Trennungstraining muss sich die Kontaktperson vorbereiten. Sie muss entschlossen und überzeugt sein, dass das kranke Kind die angstfreie Trennung erlernen muss, selbst unter dem Preis, dass die Neurodermitis kurzzeitig massiv reaktiviert wird und dass sich das Kind blutig kratzt oder dass eine andere (akute) Krankheit, z. B. eine Angina, eine Bronchitis, ein Durchfall u. a. auftritt. Es gilt, ein hohes Ziel, nämlich Gesundheit, zu erreichen. Leider gelingt das nicht, ohne kurzfristig starken Stress zu erzeugen.“ S. 175
+++
„Phase 1: nach der Verabschiedung schreit und kratzt das Kind wie toll. Es zieht sich in eine Ecke des Raums zurück und sucht Schutz an der Wand. Es nimmt keinerlei Kontakt mit seiner Umwelt, Umgebung auf und wehrt Zuwendung und Ablenkung durch andere Personen heftig ab.“ S. 176
„Eine liebevolle, konsequente Erziehung basiert auf der Theorie der logischen Konsequenz. Der Kranke ist für sein Verhalten voll verantwortlich und eine logische Konsequenz ist das Resultat für sein Fehlverhalten. … Der Kranke bekommt keine Beachtung seines Verhaltens (z.B. wenn er kratzt) und er erhält auch keine Erlaubnis das zu tun, was er vorhatte (z.B. mit einem Freund spielen, Fernsehen, usw.). Widersprüche seitens des Kranken werden nicht akzeptiert. Bitten und Versprechungen sich zu bessern, werden nicht angenommen. Es gibt keine Diskussion (nicht ein einziges Wort) und keine zweite Chance.“ S.184
„Um Fehlverhalten, das … die Neurodermitis unterhält, zu korrigieren, ist – so paradox es erscheinen mag – starker Stress notwendig. Erst wenn Betroffener und seine Kontaktperson, seine Angehörigen unter hohen Stress geraten, können sie neue Verhaltensweisen, die der Gesundheit dienen, erwerben. Das Stresshormon Cortisol wandert in die Hirnzellen und löscht die dort nicht mehr erwünschten Programme für die krankheitserhaltenden Verhaltensweisen. Der Preis für den Betroffenen ist eine (zeitlich begrenzte) deutliche Verschlechterung seines Hautzustandes und die Kontaktperson erfährt Leid.“ S. 187
„Der Kontaktperson ist zu entgegnen, dass ein derartiges Training, wenn es konsequent durchgeführt wird, nur wenige Tage benötigt. Danach gehorcht das Kind … “ S.190
Empfohlen wird auch, den Säugling nach sechs Monaten abzustillen und Muttermilch durch Sojamilch zu ersetzen. S. 214
„Der Zustand der Haut wurde in 87% als gebessert angegeben.… Der Neurodermitiskranke heilt sich selbst!“ S. 268
„Die chronische Krankheit betrifft nicht nur den Betroffenen, sie erfasst zugleich auch seine Kontaktperson (und die restliche Familie). Deshalb durchläuft die Kontaktperson ebenfalls das Behandlungsprogramm und fungiert dann als Trainer für die Selbstheilung … .“ S. 272
„Eine Neurodermitis entsteht offensichtlich nur dann, wenn der Betroffene sich in dem Geschehen handlungsunfähig, ohnmächtig fühlt – Angst um das Überleben verspürt und dadurch unter unkontrollierbaren Stress gerät.“ S. 288
„Die Sachinformation – Trennung – (in der Trennungsangst) verändert die Funktion des Gyrus postzentralis des Großhirns.“ S. 289
„Die Art der Trennung bestimmt die Lokalisation der Neurodermitis.“ S. 291
„Tägliches Salben, Cremen, Baden findet nicht statt und die Betroffenen erhalten auch langzeitig keine Medikamente. Es gibt keine Grundpflege der Haut. Damit entfällt die fortwährende Verstärkung der Erkrankung.“ S. 301
2003-2008: Öffentliche GBV-Kritik
Am 27.06.2003 hat der Betreiber der Internetseite „www.kidmed.de“, der Frankfurter Kinderarzt Ralf Behrmann, öffentlich den damaligen ärztlichen Leiter der KKG, Herrn Prof. Dr. med. Ernst August Stemmann, angegriffen, indem er auf kidmed.de schrieb:
„Die kriminelle sogenannte Neue Medizin des gesuchten Verbrechers und ehemaligen Arztes (ein schwerer Psychopath) R.G.Hamer hat auch mutmaßlich in einem Kinderkliniks-Chef einen Anhänger: „Professor“ Stemmann aus Gelsenkirchen.“
Von 5/2004 bis 9/2008 habe ich in vielen Texten das GBV kritisiert und die Nähe Stemmanns zu Hamer dokumentiert. Meine 16-seitige GBV-Kritik vom 26.12.2004 „Heilung der Neurodermitis durch Germanische Neue Medizin? Zur angeblichen Wissenschaftlichkeit und Wirksamkeit des Gelsenkirchener Behandlungsverfahrens“ habe ich u.a. Direktoren von Universitäts-Kinderkliniken und dem Geschäftsführer der BKB per Post zugestellt. Anschreiben:
Die meisten dieser Texte waren im Internet allgemein zugänglich: https://web.archive.org/web/20080225124551/http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/ .
31.12.2004, Klosterhalfen über die Umweltstation der KKG: „Zur Frage der Wissenschaftlichkeit und Wirksamkeit einer Behandlung auf der Umweltstation der Kinderklinik Gelsenkirchen Zusammenfassung Die Umweltstation der Kinderklinik Gelsenkirchen basiert nicht auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen; sie scheint therapeutisch nicht effektiv zu sein. Vor etwa 10 Jahren hat der damalige Gesundheitsminister von NRW, Herr Müntefering, die für etwa 1.2 Millionen DM errichtete Umweltstation der Kinderklinik Gelsenkirchen eingeweiht. Darüber hat damals die WAZ berichtet. Durch eine stationäre Behandlung auf dieser in Europa wohl einmaligen Einrichtung sollen allergiekranke Kinder zeitlich befristet vor Allergenen und Schadstoffen in der Luft, in der Kleidung, in Baumaterialien, in Einrichtungsgegenständen und im Wasser, das zur Körperpflege verwendet wird, geschützt werden.“
Die inzwischen nicht mehr existierende Umweltstation war eine von vielen fixen Ideen von Prof. Stemmann. Sie ist überwiegend zur sechswöchigen „Behandlung“ von verhaltensauffälligen Kindern benutzt worden. Soweit ich sehen konnte, sind diese Kinder fast gar nicht psychotherapeutisch behandelt worden. Ich selbst hatte dabei die undankbare Aufgabe, die Patienten (meist Jungen von 8 bis 12 Jahren) beim Mittagessen zu beaufsichtigen. Ein ausgebildeter Psychotherapeut stand nicht zur Verfügung. Die Krankenschwestern – sowohl der Station K6 als auch der Umweltstation – waren mehr mit dem Kaffeetrinken als mit den Kindern beschäftigt. Ich nehme an, dass sie von Prof. Stemmann Anweisung hatten, nicht mit den Kindern zu spielen oder diese zu beschäftigen.
19.01 2005, Aribert Deckers beschwert sich bei Ministerin Birgit Fischer über die Aufnahme des GBVs in den Projektverbund „Gesundes Land NRW“: „Die dort gemachten Behauptungen sind hochgradig sektoid und im medizinisch-klinischen Sinn wahnsinnig. Es kann und darf nicht sein, daß solcher Wahnsinn, ein Verbrechen an unseren Kindern, auch noch mit Staats- und WHO-Geldern finanziert wird!“ www.ariplex.com/ama/ama_stem.htm
21.01.2005, Kinderarzt Ralf Behrmann an SPD-Ministerin Birgit Fischer: Herr Behrmann hat per Brief mit deutlichen Worten Frau Birgit Fischer, Gesundheitsministerin in NRW, über die Scharlatanerie Stemmanns und dessen Nähe zu Hamer aufgeklärt.
Anfang 2005 habe ich zahlreiche weitere Rundschreiben verfasst und am 27.01.2005 in Gelsenkirchen ein Flugblatt verteilt:
07.03.2005, Sigrid Herrmann-Marschall an Ministerin Birgit Fischer:
Frau Herrmann-Marschall, Vorsitzende des Vereins Promed e.V. gegen unlautere Verfahren im Gesundheitswesen, beschwert sich ausführlich bei der Gesundheitsministerin in NRW, Birgit Fischer (SPD), über eine unzureichende und teilweise sachlich falsche Antwort von (Ministerialrätin) Dr. Weihrauch und äußert sich kritisch über das GBV und dessen Nähe zu Hamer:
www.reimbibel.de/Sigrid-Herrmann-Marschall-20050307-an-Ministerin-Fischer-SPD-1.jpg
www.reimbibel.de/Sigrid-Herrmann-Marschall-20050307-an-Ministerin-Fischer-SPD-2.jpg
www.reimbibel.de/Sigrid-Herrmann-Marschall-20050307-an-Ministerin-Fischer-SPD-3.jpg
www.reimbibel.de/Sigrid-Herrmann-Marschall-20050307-an-Ministerin-Fischer-SPD-4.jpg
07.03.2005, GBV-Kritik im SPIEGEL (Heft 10, S. 174f): Dennis Ballwieser: „PSEUDOMEDIZIN: Galilei aus Gelsenkirchen. Ein Professor behandelt neurodermitiskranke Kinder mit einer Mischung aus Diät und Psychokursen. Experten warnen, die Methode sei nicht nur nutzlos, sondern auch riskant.“
Ballwieser, damals noch Medizinstudent, hat Stemmann an seinem Arbeitsplatz aufgesucht und auch Kritiker des GBVs interviewt. Der Schwerpunkt des Berichts liegt auf Stemmanns Selbstverliebtheit und der Fragwürdigkeit von dessen großspurigen Behauptungen. Eine gewisse Nähe Stemmanns zu Hamer wird deutlich, deren große Bedeutung für das GBV aber leider nicht. Auszüge aus diesem Artikel:
„Er trägt einen Professorentitel der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und eine große Wut auf die Wissenschaft im Herzen. „Die haben versucht, mich zu vernichten“, erzählt er empört. … Ich bin Professor, habe alles erreicht. Wer sich für meine Arbeit interessiert, der soll hierher kommen. … Jeden Kritiker könne er mit seinen Ergebnissen „platt machen“, versichert er. Gerade das rufe aber die Neider auf den Plan: „Meine Ergebnisse sind zu gut. Wenn Sie etwas wirklich Neues machen, und Sie kommen mit Ergebnissen auf den Markt, werden Sie zerlegt. … Doch Fachmediziner sind entsetzt, sie warnen vor gefährlicher Quacksalberei. Der Hamburger Kinderarzt und Dermatologe Peter Höger etwa warnt vor Stemmanns Ansatz: „Das ist okkulte Medizin.“ … Vor allem vor der Gelsenkirchener Diät warnen die Fachärzte. „Die ist Unsinn. Nahrungsmittelallergien spielen nur bei einem Drittel der Kinder eine Rolle, die Rundumschlagsdiät selbst ist das Gefährliche“, sagt Dermatologe Höger. Stemmann bestreitet, dass es je zu Problemen gekommen sei. Höger dagegen erklärt, er habe Kinder behandelt, „die als Folge dieser Diät unterernährt und in ihrer Entwicklung deutlich zurückgeblieben waren“. … Rüdiger Szczepanski vom Kinderhospital Osnabrück warnt vor den psychischen Folgen: Finde die Mutter das vermeintlich auslösende Trennungsereignis nicht, könne sie ihr Kind nicht heilen. Die Mutter ist also nicht nur am Entstehen der Krankheit schuld, sondern auch daran, dass das Leiden bestehen bleibt. „Das ist eine ausweglose Situation, die Familien zerstören kann“, sagt Szczepanski. … Bei 70 Prozent der Kinder verschwinden die Symptome bis zum dritten Lebensjahr von selbst“, erklärt Peter Höger, „wir nennen das Spontanremission.“ https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/39613469
22.07.2005, Hubert Rehm über Stemmann und das GBV„Wundermedizin in Gelsenkirchen. Hamert Heinrich Heine? Gegen Wunderheiler mit nicht überprüften Behandlungsmethoden ist kein Kraut gewachsen. Selbst an Universitäten scheinen sie zu gedeihen: Ein emeritierter Gelsenkirchener Professor behandelt Neurodermitis mit Methoden, die auf den Lehren eines vorbestraften Esoterikers beruhen“ (Laborjournal, 6/2005, 20-24).
HubertRehm hat Texte pro und kontra GBV studiert, mich stundenlang interviewt, schriftlich und mündlich bei der Kinderklinik nachgefragt, das Dekanat der HHU Düsseldorf befragt, Stemmann schriftlich befragt, aber keine Antworten erhalten. Rehm hält Stemmann für einen Hamer-Anhänger. Stemmann habe seine angeblichen Therapieerfolge nicht wissenschaftlich belegt. Rehm beklagt außerdem das Verhalten in dieser Sache von Universität, Gesundheitsministerium und Kinderklinik.
30.08.2005, Wolfgang Klosterhalfen: „DAS GELSENKIRCHENER BETRUGSVERFAHREN“ https://web.archive.org/web/20060527222245/http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~klostewg/DAS-GELSENKIRCHENER-BETRUGSVERFAHREN.HTML
08.09.2006, Laborjournal: „Quacksalberei auf Krankenschein?“ In diesem Artikel geht es um meine (vergeblichen) Strafanzeigen gegen Stemmann und dessen Unterstützer: www.laborjournal.de/editorials/207.php
2006
Michael Spöttel, Langstreckenläufer und Autor, schreibt in seinem Buch „Vergebliche Hoffnung. Der Mythos von sanften und natürlichen Krebstherapien“ (Aschaffenburg: Alibri Verlag, 2006): „Eingefleischte Jüngerinnen veröffentlichen lobhudelnde Bücher über Hamers in ihren Augen geniale Gedankenwelt. Esoterische Zeitschriften und Buchhandlungen, Heilpraktiker und selbst Ärzte sympathisieren mit seinen abstrusen Lehren. Professor Dr. Ernst August Stemmann, Kinderklinik-Chef aus Gelsenkirchen, hat, ausgerichtet an den Grundzügen der Neuen Medizin, eine Therapie gegen kindliche Neurodermitis entwickelt und prahlt mit seinen Erfolgen, die er sich, so darf man annehmen, teuer bezahlen lässt. Freilich: Neurodermitis heilt bei Kindern in einer hohen Quote von selbst – und diese Quote übertrifft Stemmann nicht! Die vorgeblichen Heilerfolge Stemmanns, der sogar Gutachten zugunsten Hamers geschrieben hat, verdanken sich nicht seiner abstrusen Therapie, sondern natürlichen Heilungskräften seiner Patienten.“ (S. 44)
13.04.2007, Kritische Ankündigung eines Vortrags von Prof. Stemmann: „Kevelaer. Der Mediziner Ernst August Stemmann will seine Therapie gegen Neurodermitis in der Städtischen Begegnungsstätte Kevelaer vorstellen. Kritikern gilt der Gelsenkirchener als ein Vertreter „okkulter Medizin“. … So könnten beispielsweise die Diät-Vorschläge Stemmanns bei den behandelten Kindern zu verzögerter Entwicklung führen. Andere Mediziner kritisieren die psychologischen Rezepte des Gelsenkirchener Arztes, beispielsweise das „Trennungstraining“, bei „dem die Mutter üben soll, ihrem Kind fern zu bleiben, selbst wenn dieses schreit“, so der „Spiegel“.“ https://rp-online.de/nrw/staedte/kevelaer/ein-forum-fuer-fragwuerdiges_aid-11264143
2008-2020: Die APPAP unter Leitung von Dr. Lion und D. Langer
Dr. Lion und der Verhaltenstherapeut Dietmar Langer haben sich in Theorie und Praxis nie von dem von Hamers „Neuer Medizin“ stark beeinflussten GBV Stemmanns distanziert, sondern es im Wesentlichen fortgeführt. Die fixe Idee, ND durch eine Retraumatisierung zu „behandeln“, haben Lion und Langer aber nicht von Hamer, sondern von Stemmann übernommen. Auch die „Behandlung“ von Asthma, Allergien und Verhaltensstörungen durch „Trennungstrainings“ und Ernährungsumstellungen haben Lion und Langer offensichtlich von Stemmann „geerbt“. (Foto von Dr. Lion: https://archive.is/b6YZn , Foto von Herrn Langer: https://archive.is/tWWvH )
Therapeutisch ist das „Snoezelen“ zur Förderung der Mutter-Kind-Beziehung und das therapeutische Puppenspiel dazugekommen. Die Behandlung von Schlaf-, Fütter- und Essstörungen sowie Schreiverhalten wurde auf Patienten ohne körperliche Krankheitssymptome ausgeweitet. Letzteres vermutlich auch wegen des Rückgangs der Zahl der Patienten mit ND, Asthma oder Allergien.
Die Übereinstimmung des nun als „Multimodale-3-Phasen-Therapie“ oder später auch als „Stationäre Komplextherapie“ bezeichneten Behandlungsprogramms mit dem GBV unter Stemmann zeigt der folgende Text von Lion und Langer, der im Oktober 2009 von archive.org gespeichert wurde: „Die allergischen Reaktionen auf bestimmte Stoffe, Pollen, Nahrungsmittel betrachten wir als durch Stress konditionierte (gelernte) Reaktionen des Organismus. Sie sind nur „Nebeneffekte“ ungünstiger Stressbewältigungsstrategien.“ Dass solche allergischen Reaktionen konditionierte Nebeneffekte ungünstiger Stressbewältigungsreaktionen sind, ist eine krasse, wissenschaftlich nicht hinreichend belegte Außenseiterhypothese.
„Da Abwehrvorgänge nicht, wie lange Zeit angenommen, ausschließlich autonom nach Fremdstoffkontakt ablaufen, sondern größtenteils zentral über den Hypothalamus gesteuert werden, ergibt sich daraus das Verständnis der Neurodermitis als eine erworbene Veränderung in der Regulation des Immunsystems.“ https://web.archive.org/web/20091015012701/http://www.kinderklinik-ge.de/Fachbereiche/Paediatrische_Psychosomatik_Allergologie_und_Pneumologie/Neurodermitis.htm
Kein vernünftiger Arzt, Immunologe oder Psychologe behauptet ernsthaft, Abwehrvorgänge würden größtenteils zentral über den Hypothalamus gesteuert und die ND sei Folge eines Konditionierungsvorgangs. Stemmann, Langer und Lion haben für diese Fantasievorstellung nie ausreichende wissenschaftliche Belege geliefert oder zitiert. Es handelt sich dabei um eine maßlose Übertreibung von tatsächlichen Befunden der Psychoneuroimmunologie, die zeigen, dass die Gehirne von Menschen und Versuchstieren Vorgänge im Immunsystem beeinflussen können. Solche Effekte scheinen klinisch aber von eher geringer Bedeutung zu sein. Wir haben es hier nicht mit angewandter Psychoneuroimmunologie, sondern mit „Psychoneuroimmunomythologie“ (W. Klosterhalfen) zu tun.
„Durch unkontrollierbaren Stress kommt es bei dem Betreffenden zu einer Fehlinnervation der Haut: Eosinophile und Helferlymphozyten führen zu einer chronischen Entzündung.“
Stemmann, Lion und Langer haben weder in ihren ND-Studien noch anderswo erläutert, was neuroanatomisch und neurophysiologisch unter einer „Fehlinnervation“ verstanden werden soll. Nach meiner Einschätzung wird unter Verwendung dieses vagen Begriffs in Texten wie dem obigen eine zentrale These Hamers in verschleierter Form eingeführt, wonach ein traumatisierender Trennungskonflikt zu einer Läsion im Gyrus postcentralis führt, was dann Vorgänge in der Haut so verändert, dass es zu einer ND kommt.
„Das an Asthma erkrankte Kind weist eine höhere Revierempfindlichkeit auf. Diese zeigt sich in einem übermäßigen Kontrollverhalten in seinem Lebensraum und seinen Bezugspersonen gegenüber. In Situationen, in denen etwas gegen dessen Willen geschieht, gerät es übermäßig unter Stress, der wiederum in einer Kette innerer Reaktionen die spezifisch hyperreagiblen (überempfindlichen) Bronchien hervorruft.“
Dies sind Außenseiter-Thesen, die auf Hamer zurückgehen. Auf den Webseiten und in den Schriften der KKG habe ich dazu bisher keine wissenschaftlichen Belege gefunden.
„Bei Patienten, die an Heuschnupfen erkrankt sind findet man oft eine übermäßige Empfindlichkeit bei Konfrontationen mit der Tendenz, zu oft „gute Miene zum bösen Spiel zu machen“ und ein damit verknüpftes ausgeprägtes Vermeidungsverhalten. Probleme, sich effektiv zur Wehr zu setzen, lassen sie oft „verschnupft“, gekränkt reagieren.“
„Die allergischen Reaktionen auf bestimmte Stoffe, Pollen, Nahrungsmittel betrachten wir als durch Stress konditionierte (gelernte) Reaktionen des Organismus. Sie sind nur „Nebeneffekte“ ungünstiger Stressbewältigungsstrategien. Um diese Symptome abzubauen, muss der Betreffende lernen, mit Stress besser umzugehen und ein positives Bewältigungsverhalten aufzubauen.“
„Manche Erfahrungen können einen Menschen derart treffen und im Moment überfordern, dass Stress- und Abwehrreaktionen in Gang gesetzt werden, die körperliche Symptome wie z.B. Ekzemreaktionen zur Folge haben.“
Auch dies sind wissenschaftlich nicht untermauerte Außenseiter-Thesen.
Lion hat sich nie klar von den pseudomedizinischen Spekulationen Stemmanns distanziert. In einem Gespräch mit zwei Fachleuten hat er sich sogar ausdrücklich dazu bekannt. Frau Tina Cromme, Fachärztin für Innere Medizin, hat im Mai 2019 gemeinsam mit dem Kinderarzt und Buchautor Dr. Herbert Renz-Polster Herrn Dr. Lion in der KKG aufgesucht. Frau Cromme schrieb mir dazu:
„Kurt-André Lion hat während meines Besuchs in Gelsenkirchen mit Dr. Renz-Polster zusammen sich zu folgender Aussage hinreißen lassen: Ich fragte, warum denn nie eine deutliche Distanzierung von Stemmann erfolgt sei. Daraufhin entgegnete Lion aufgebracht, dass keinerlei Distanzierung notwendig sei, Stemmann sei ein ganz ausgezeichneter Lehrer gewesen. Dann deutete er auf meine Ausgabe des Buchs Selbstheilung (Spontanheilung) der Neurodermitis, welches vor mir auf dem Tisch lag und sagte: „Sie haben da ein sehr gutes Buch. Da steht eigentlich alles drin!““
12.07.2019 (Aufruf der Webseite): Die Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“ der Kinderklinik in Buer beschrieb ihr Angebot u.a. wie folgt (Für Ärzte, Therapeuten …): „In der stationären psychosomatischen Komplexbehandlung lässt sich über die Verhaltensbeobachtung in Alltagssituationen eine wirklichkeitsnahe Diagnostik somatischer, psychologischer und sozialer Aspekte der Symptomatik und der damit verknüpften Verhaltensmuster durchführen. Die Verhaltensmodifikation erfolgt auf der Basis eines multifokalen Therapieansatzes, welcher standardisierte und modulförmig eingesetzte Therapiebausteine wie Stressimpfungstraining, Entspannungsverfahren, systemische und kognitive Therapie, Verhaltenstherapie, Strukturtherapie, Bindungs- und Trennungstraining, Ernährungstherapie usw. beinhaltet. Ein besonderes Charakteristikum der Therapie stellen gezielte Interventionen zur Stress-Induktion dar, womit eine deutliche Abgrenzung zu Kur- und Reha-Maßnahmen gegeben ist. Maßgebend für das Therapiekonzept sind die Leitlinien zu Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter sowie die Leitlinien für eine pädiatrische Psychosomatik.“ https://web.archive.org/web/20190712102341/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/therapie/Stationaere-Komplextherapie/ https://media04.lokalkompass.de/article/2017/05/10/4/9317784_XXL.jpg Foto von Dr. Lion.
28.08.2018 (Aufruf der Webseite): Der Bundesverband „Allergie- und umweltkrankes Kind e.V.“ vermittelte u.a. die folgenden Vorträge von Dr. Lion:
Überwindung von Widerständen bei Verhaltenstherapie – Aspekte von Kommunikation und Liebe (60 – 75 Min.)
Homöopathie in der Kinderheilkunde (60 – 75 Min.) http://archive.is/PwyOh
a) Widerstände: Die BKB und Dr. Lion haben mir per Abmahnung vom 20.11.2019 mitgeteilt:
„In keinem einzigen Fall haben unsere Mandantin oder deren Mitarbeiter Druck auf Patienten bzw. deren Eltern ausgeübt.“ S. 9
Wie der Film „Elternschule“ und Berichte einzelner Mütter aber zeigen und wegen der leitlinienwidrigen Verhaltenstherapie bei Kindern unter 3 Jahren auch zu erwarten ist, sträubten sich Kinder und zumindest anfangs auch viele Mütter gegen das „Stressimpfungstraining“ der Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“. Das Team der Abteilung versuchte dann, auch mit Unterstützung des Vereins „AuK“, diese Widerstände zu überwinden.
b) Dr. Lion steht anscheinend der Homöopathie positiv gegenüber: „Homöopathie ist in der Lage, die Selbstheilung von Menschen zu fördern. Das gilt schon ab dem Säuglingsalter.“ http://archive.is/bfzlv .
Immerhin wurde für die Homöopathie ein Placeboeffekt nachgewiesen. In welchem Maß und bei welchen Erkrankungen die KKG Homöopathie betrieben hat, konnte ich ihren Internetseiten nicht entnehmen. Soweit die BKB Homöopathie eingesetzt hat, war dies legal und wurde von der DRV Knappschaft-Bahn-See unterstützt.
20.11.2019 Die BKB und Dr. Lion haben noch im Herbst 2019 in ihrem anwaltlichen Abmahnschreiben mir gegenüber unter Verweis auf zwei umfangreiche kritische Texte von mir zum GBV und zu einem Gutachten (Beschwerde über Dr. Lion bei der ÄKWL wegen der „Behandlung“ des Patienten „Karl“) eine Nähe von Stemmann zu Hamer weitgehend und eine Nähe Lions zu Hamer vollständig abgestritten:
2008-2020: Medizinisch nicht notwendige Statusuntersuchungen
In der APPAP wurde u.a. auch dann leitlinienwidrig Verhaltenstherapie an Kindern unter 3 Jahren durchgeführt, wenn diese bei der ärztlichen Statusuntersuchung starke Angst zeigten. Dies dürfte bei Säuglingen und Kleinkindern, die von Dr. Lion untersucht wurden, häufig der Fall gewesen sein. Solche Angstreaktionen werden von Fachleuten bei Kindern unter 3 Jahren als normal angesehen. In diesen Fällen eine Verhaltenstherapie durchzuführen, war fachlich nicht angemessen und vor allem deswegen kontraindiziert, weil die Kinder ja zumeist schwer krank waren und außerdem bereits durch die „Trennungstrainings“ und die Ernährungsumstellung gequält wurden. Wann die „Trennungstrainings“ erstmals in der KKG praktiziert wurden, ist mir nicht bekannt. Zu diesen „therapeutischen“ Statusuntersuchungen erklärte Dietmar Langer 2017:
„Es gibt Kinder, die im Lauf ihrer Geschichte eben aufgrund nehmen wir mal an von Krankenhausaufenthalten Angst vor Untersuchungen entwickelt haben, auch regelrechte Krankenhausangst entwickelt haben. Und wenn die dann bei uns sind, nutzen wir eben das Ritual „Untersuchung“, um diese Angst abzubauen. Wir machen dann Angstbewältigungstraining so gesehen. Dann untersuchen wir täglich, auch wenn´s medizinisch gar nicht notwendig wäre, und nach ein paar Tagen hat sich die Krankenhausangst aufgelöst.“ Quelle: Audiomaterial im Bonusmaterial der DVD „Elternschule“, 9. Minute
In ihrer Abmahnung vom 20.11.2019 haben die BKB und Dr. Lion jedoch wahrheitswidrig erklärt, meine Behauptung, es käme eine „körperliche Untersuchung des Säuglings zu nicht-diagnostischen Zwecken“ zum Einsatz, sei „ausdrücklich falsch“.
Wie schon beim „Trennungstraining“ wurde auch hier nicht die sanfte Verhaltenstherapie-Methode der Systematischen Desensibilisierung angewendet, sondern der Angstreiz gleich in voller Ausprägung präsentiert. Nach dem Motto „Gelobt sei, was hart macht“ wurden Säuglinge und Kleinkinder in dem Bestreben, sie stressresistent zu machen, aus meiner Sicht zu sehr – man könnte fast sagen: ohne Rücksicht auf Verluste – „in die Mangel genommen“.
Dr. Lion machte diese Untersuchungen nach eigener Aussage im Film „Elternschule“ absichtlich nicht im Zimmer von Mutter und Kind, weil das Schutz biete, sondern in einem Untersuchungszimmer. Der Film „Elternschule“ zeigt einen Zusammenschnitt aus mehreren solcher Untersuchungen, bei denen Dr. Lion absichtlich die psychische Belastung für das Kind erhöht (DVD, ab 7:29):
„Gut, Statusuntersuchung heißt: Wir gucken uns die Kinder an. Typischerweise eben nicht im Patientenzimmer, sondern bei uns im Untersuchungszimmer, weil es noch mal den Stress erhöht. Normalerweise Patientenzimmer ist so´n Schutzraum, da kann ich mich zurückziehen, ne, das kenn ich schon mittlerweile seit den letzten drei Tagen, ne, und jetzt hier in diesem Raum heißt erst mal: Stressimpulse gehen nach oben. Oft genug haben dann die Kinder dann gleich die Krise: Maama, Mamaa! (Lion ahmt ein ängstlich nach seiner Mutter rufendes Kind nach.) In dem Moment bleiben Sie bitte cool. Ich sag immer den Leuten: Der wichtigste Gegenstand in diesem Raum ist dieser Hocker. Da setzen Sie sich nämlich gleich drauf, und je mehr Stress die macht, desto mehr rollen Sie zurück. Und es kann sein, dass Ihr Kind das so einfach nonchalant über sich ergehen lässt. Also, die ist nicht benannt nach Luzie, dem Schrecken der Straße, oder? Hallo! Wow, Du hast ja Power, die hast Du wahrscheinlich von Deiner lieben Mama, ne? Wir beide kennen uns schon. Gestern habe ich mit der Mama gesprochen, heute werde ich (Dich) untersuchen. Ich rede immer gerne erst mit den Kindern, damit die Kinder mitbekommen, o, jetzt geht’s um mich. Richtig, es geht jetzt um Dich, und ich werd Dich jetzt untersuchen mit meinem Stethoskop. Da sind zwei Stöpsel für mich, und der dritte Stöpsel, der ist für Dich. Hör ich, wie Dein Herz schlägt. Nein? War das ein Nein? Hast Du schon angedeutet, dass gleich die Stimmung kippt, ne? Man konnte schön sehen, wie die Unterlipppe nach vorn gezogen worden ist. Jetzt hör ich hinten. Ja, Moment, ich habe ernst mit Deiner lieben Mutter zu reden. Was wir jetzt gerade erlebt haben, das war total typisch. Das gehört zur Regulationsstörung. Sie kommen rein, ich begrüße Sie. Sie freundlich, ich freundlich, Kind wohl auch noch freundlich. In dem Moment, wo es zur Sache geht: wie auf den Knopf gedrückt, ne. Wie haben Sie sich gefühlt, als er so gejammert hat? (Mutter: schlecht). Das ist einfach ein Gefühl, das kann man gar nicht erklären, ne, also das kommt, ne? Das kommt, ja. Ich denke, das ist ein ganz normales elterliches Gefühl.“
„Je mehr die Stress macht“? Es ist Dr. Lion, der Stress macht, woraufhin das Kind lediglich eine zu erwartende Stressreaktion zeigt. Die Klinik nennt das verharmlosend eine Stressimpfung. Es sind befremdliche Szenen wie diese, die nicht nur einen sogenannten Shitstorm, sondern auch fachliche Kritik ausgelöst haben. Die Kinderärztin und Psychoanalytikerin Dr. Barbara von Kalckreuth schrieb dazu: „… In dieser Kinderklinik ist ein Kind ein gerissener Stratege, bedacht auf seinen Vorteil, egoistisch und rücksichtslos, ein Gegner, den man überwältigen muss. … Die anbiedernde Zuwendung bzw. Überwältigung durch Arzt – Kinderarzt! – und Schwester hat einen aggressiven, sadistischen Unterton. … Als Erfolg wird verbucht, wenn das Kind aufgibt. Dass dadurch ein Teil seiner Explorationsfreude, seiner kindlichen Neugier und damit später seine Fähigkeit zu Lernen zerstört wird, wird völlig ausgeblendet. Die Störung der Beziehung zwischen Eltern und Kind wird vom Team nicht als seelische Not verstanden. Es gibt keine Hilfe, nur kalte, akribisch dokumentierte Beobachtung, über die im Team spöttisch gesprochen wird. … Die Reaktion der Kinder auf diese Übergriffigkeit ist eigentlich nachvollziehbar und erwartbar: sie wehren sich, geben aber im Lauf der Zeit auf. Dies wird dann als Therapieerfolg gewertet. …“
Es handelte sich bei der Station KJ3 der KKG nicht um eine Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik, sondern um eine Mutter-Kind-Umerziehungs-Einrichtung. Dabei sollten quasi aus Teufelchen Engelchen gemacht werden. (Im Film „Elternschule“ wurde eine im Flur der Station aufgehängte Zeichnung gezeigt, bei der Teufelchen in die „Mäuseburg“ spazieren und als Engelchen wieder rauskommen).
1987-2020: Das GBV provozierte und verstärkte Schuldgefühle
Den Müttern wurden beim GBV zwei gegensätzliche Botschaften übermittelt. Botschaft 1 sprach die Mütter explizit von Schuld an der Erkrankung ihrer Kinder frei: „Es besteht aber keine Schuld des Betroffenen, noch sind seine Familienangehörigen oder die weitere menschliche Umgebung für die Erkrankung verantwortlich zu machen.“ Stemmann und Stemmann, 2002, S. 39
Botschaft 2 sagte auf indirekte Weise sehr nachdrücklich das Gegenteil. Denn das GBV war darauf angelegt, das Verhalten der Mütter zu ändern, um so eine Heilung des Kindes zu ermöglichen. Die meisten (oft schon vor ihrer Teilnahme am GBV von Schuldgefühlen geplagten) Mütter werden bei ihrem (anfangs einwöchigen, später zwei oder dreiwöchigen) Aufenthalt in der KKG zu dem Schluss gekommen sein, dass ihr eigenes Verhalten entscheidend für die Entstehung oder zumindest für den chronischen Verlauf der Erkrankung gewesen ist. Trat dann nach dem stationären Aufenthalt innerhalb von ein bis 1 ½ Jahren kein Heilerfolg ein, ist zumindest bei einem Teil der Eltern das (erneute) Auftreten von Schuldgefühlen vorprogrammiert gewesen. Die Mütter fragten sich dann zum Beispiel, ob sie zu wenig Autogenes Training oder Ernährungsfehler gemacht hatten.
Dem Bericht der Mutter des Säuglings „Karl“ zufolge, wurde die Schuld-Botschaft wohl manchmal auch direkt ausgesprochen: „Mir wurde gesagt, dass ich als Mutter schuld an der Neurodermitis sei, weil während des Geburtsvorgangs die Austreibungsphase zu schnell gewesen wäre und das Kind dadurch eine zu starke Bindung hätte, was das Trennungstraining notwendig mache.“ www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=427837351406016&id=288344965355256
Die meisten Mütter mussten mit dem Widerspruch leben, dass zumindest ein Teil des Personals beteuerte, sie seien als Mütter nicht schuld, sie seien nur in ein Stressgeflecht geraten, das GBV aber darauf ausgerichtet war, in erster Linie die Mütter so zu beeinflussen, dass diese ihr Verhalten dem Kind gegenüber stark veränderten. Denn beim GBV waren die Mütter die eigentlichen Patienten und gleichzeitig auch die wichtigsten Therapeuten. Kam es nicht zu einer weitgehenden Symptomfreiheit, hatten sie folglich in der ihnen zugewiesenen Rolle als Ko-Therapeuten versagt.
Zu dieser Rolle gehörte auch die Aufgabe, weitere Bezugspersonen des Kindes, vor allem den Vater und die Großeltern, im Sinne des GBVs zu beeinflussen. Das dürfte viele Mütter überfordert haben. Die Mütter scheinen insgesamt durch das GBV eher zusätzlich belastet als entlastet worden zu sein. Dass das GBV sehr anstrengend war und sie daran gedacht haben, es abzubrechen, haben selbst Mütter berichtet, die später zu einer sehr positiven Bewertung des GBVs gekommen sind.
Dass die ND durch intensive Zuwendung der Eltern unterhalten wird, ist eine interessante These, die allerdings nicht empirisch untersucht und belegt wurde. Dass kranke Kinder mehr Zuwendung bekommen, beweist nicht, dass die Zuwendung die Krankheit unterhält.
1987-2020: Mangelnde Aufklärung am GBV interessierter Eltern
Wie konnte es sein, dass sich tausende von Eltern auf das GBV eingelassen haben? Aus meiner Sicht haben dabei viele Faktoren zusammengespielt. Ein besonders wichtiger Faktor war dabei, dass die KKG nicht mit offenen Karten gespielt, sondern die Öffentlichkeit systematisch durch unseriöse Werbung und das Verschweigen der brutalen Natur des GBVs hinters Licht geführt haben. Den Eltern von Kindern mit ND, Asthma oder Allergien, die das stationäre „Behandlungsangebot“ der KKG annahmen, war schlicht nicht ausreichend bekannt, was sie und ihre Kinder in der KKG erwarten würde. Dies soll im Folgenden am einzigen gut dokumentierten Fall, dem des Säuglings „Karl“, verdeutlicht werden.
Die Mutter von Karl war vor der Behandlung wegen der ND und gestörter Nachtruhe schon sehr erschöpft und hatte daher die Suche nach einer wirksamen Therapie ihrer Mutter überlassen. Diese war von Dr. Lion darüber aufgeklärt worden, dass es um Verhaltenstherapie und eine Veränderung des Verhaltens in mit Stress belasteten Situationen gehen würde. Davon, dass Mutter und Kind tagsüber viele Stunden und auch nachts getrennt werden sollten, das Kratzen nicht verhindert werden sollte, und auf eine Pflege und medikamentöse Behandlung der Haut möglichst ganz verzichtet werden sollte, war dabei (nach Auskunft der Mutter bzw. Großmutter und auch nach Aktenlage) nicht die Rede und wäre geeignet gewesen, die Mutter davon abzuhalten, mit ihrem erst 6 Monate alten Kind die Klinik aufzusuchen.
Auch wenn Mutter oder Großmutter sich im Internet intensiv über Verhaltenstherapie informiert hätten, hätten sie nicht gefunden, dass es dabei üblich ist, Säuglinge mehrmals täglich von ihren Müttern zu trennen. Herr Dr. Lion hätte daher die Großmutter über die ungewöhnliche Behandlung von Säuglingen, die in der KKG praktiziert wird, konkret informieren müssen. Das hat er nicht getan. Entsprechend war Karls Mutter später unangenehm davon überrascht, dass ihr Kind häufig und für längere Zeit von ihr getrennt werden sollte und beim Kratzen nicht eingeschritten werden sollte.
04.12.2018, Die Gutachterkommission der ÄKWL teilt der Großmutter des Säuglings „Karl“ mit: „… bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 22.02.2018 möchte ich bitten noch folgendes in den Fragenkatalog an Herrn Dr. med. … aufzunehmen: Zu prüfen ist außerdem, ob die Aufklärungspflichten und Dokumentationen hinsichtlich der korrekten Aufklärung (der Kindesmutter) und Anamnese (des Kindes) korrekt ausgeführt wurden.“ Dieser Bitte ist die Kommission nicht gefolgt. Im Gutachten heißt es (S. 11): „Bedauerlicherweise ist es nicht gelungen, die Mutter tatsächlich für ein bio-psychosoziales Modell der Krankheitsentstehung für ihren Sohn zu gewinnen.“
Aus meiner Sicht ist dies glücklicherweise nicht gelungen, denn es handelte sich nicht um ein nachahmenswertes Modell einer Behandlung, sondern die absurde Vorstellung, dass ein angebliches Trennungstrauma (in diesem Fall eine zu schnelle Geburt) die ND verursacht hat und deswegen eine Retraumatisierung durch die Trennung von Mutter und Kind vorzunehmen ist.
„Insbesondere scheint es ihr nicht gelungen zu sein, die verhaltenstherapeutischen Elemente der Behandlung in der Weise als richtig zu vermitteln, dass sie sich tatsächlich auf die Behandlung einlassen konnte.“
Erfreulicherweise ist dies nicht gelungen, da die Mutter psychisch zusammengebrochen ist, und die Großmutter telefonisch den Abbruch der angeblichen „Therapie“ von Mutter und Kind eingeleitet hat. Der Kindesmutter wurde dadurch möglicherweise erspart, was einer anderen Mutter (und wohl nicht nur ihr) geschehen ist, die die Behandlung 2003 „durchgezogen“ hat und noch heute schwer darunter leidet:
„Besonders sind es ihre eigenen Probleme und Bedenken, die es ihr schwer machen, sich auch nur vorübergehend von ihrem Kind zu trennen, nicht bearbeitbar geworden, weil die Behandlung noch gar nicht wirklich hatte beginnen können.“
Auch mit dieser psychologischen Ferndiagnose liegt der Gutachter falsch, denn der 6 Monate alte Karl konnte laut seiner Großmutter (pers. Mitteilung an mich) schon mehrere Stunden lang der Großmutter oder dem Großvater überlassen werden. Zur Verteidigung der Pseudomedizin seines Kollegen Lion hat der Gutachter hier eine Pathologisierung der Mutter betrieben. Eine Pathologisierung der Mutter findet sich schon in der Stellungnahme von Dr. Lion gegenüber der ÄKWL. Darin wird die Mutter, die sich bei der Organisation des Klinikaufenthalts von ihrer Mutter helfen ließ, als unselbständig beschrieben.
Dass die meisten Mütter (widerstrebend) in forcierte, dem jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes nicht angemessene Trennungen eingewilligt haben („Mäuseburg“), dürfte schlicht an dem ungeheuren Gruppendruck auf dieser Station gelegen haben. Das Stammpersonal (Psychologe, Arzt, leitende Krankenschwester, Erzieherin, Sozialarbeiterin, Ernährungsexpertin) arbeitete dort schon seit etwa 25 Jahren zusammen und trat geschlossen auf. Es standen selbstsichere „Experten“ stark verunsicherten Müttern gegenüber, die verzweifelt nach Hilfe suchten. Wenn eine Mutter „schwach“ wurde und Zweifel bekam, stand sogar noch eine Mitarbeiterin des Vereins „AuK“ zur Verfügung, die von eigenen Zweifeln und späteren Erfolgen berichten konnte und zum Durchhalten aufforderte. Seit 2008 hatte dieser Verein einen Raum direkt auf der Station für Säuglinge und Kleinkinder.
2008-2019: Vortäuschen von Wissenschaftlichkeit durch Dr. Lion
Seit dem 20.02.2013 gilt § 630a, Absatz 2 BGB: „Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“ www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630a.html
Dagegen haben die BKB und Dr. Lion regelmäßig verstoßen. Psychosomatische Behandlungsansätze können zwar den allgemein anerkannten fachlichen Standards entsprechen, im Fall des GBVs traf dies aber nicht zu, denn das GBV zur Behandlung von ND, Asthma und Allergien war in Theorie und Praxis leitlinienwidrig. Die psychosomatische „Behandlung“ war weder im psychischen noch im somatischen Teil leitliniengerecht. In Verlautbarungen der KKG waren zwar teilweise Abweichungen von den üblichen Behandlungsweisen zu erkennen, vieles blieb aber hinter einer beschönigenden und verharmlosenden Nebelwand: ganzheitlich, langfristig und am Stand der Wissenschaft orientiert, die Ressourcen des Patienten stärkend.
Hätte die KKG die Öffentlichkeit z.B. darüber aufgeklärt, dass die APPAP wissenschaftliche Leitlinien weitgehend ignoriert, geistig Hamer nahesteht, und Säuglinge und Kleinkinder täglich mehrfach beim „Trennungstraining“ sich selbst überlassen werden, hätten sich viele Mütter nicht auf das GBV eingelassen. Vermutlich wären sogar einige gutgläubige Journalisten, Politiker und Angestellte der Krankenkassen aufgewacht.
Dass die APPAP nicht leitliniengerecht vorgegangen ist, beschreibt auch dieser Artikel von Herbert Renz-Polster (2019): www.kinder-verstehen.de/wp-content/uploads/Elternschule-und-die-Leitlinien_160619.pdf
Herr Dr. Lion ist von 1992 bis 1997 an der KKG unter Prof. Stemmann zum Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin ausgebildet worden. Es ist anzunehmen, dass Dr. Lion schon in diesen Jahren klargeworden ist, dass Stemmann ein Anhänger Hamers war. Als Lion 2001 als Oberarzt an die KKG zurückkehrte, war im Dienstzimmer von Prof. Stemmann sogar ein großes Poster Hamers an der Wand hinter Stemmanns Schreibtisch angebracht, das angebliche Verbindungen zwischen Psyche, Gehirnstrukturen und Organen darstellte: „PSYCHE GEHIRN ORGAN Die Zusammenhänge zwischen den drei Ebenen der Neuen Medizin nach Dr. med. Ryke Geerd Hamer“.
Dr. Lion wurde im Laufe des Jahres 2008 zum ärztlichen Leiter der APPAP ernannt. Er hat sich seitdem bis 9/2020 bemüht, das GBV als modernes, wissenschaftlich abgesichertes Verfahren erscheinen zu lassen. Im Folgenden wird aber dokumentiert, dass Lion die Wissenschaftlichkeit des GBVs nur vorgetäuscht hat.
(1) Das GBV zur „Behandlung“ von ND der APPAP wich in Theorie und Praxis sehr stark von den beiden zur Behandlung der ND vorliegenden wissenschaftlichen Leitlinien ab. Beide AWMF-Leitlinien (013-027 und 013-024) sprechen sich für eine Pflege der Haut sowie für lokale und systemische Behandlungen mit Medikamenten aus. Dr. Lion hat sich nie auf diese Leitlinien bezogen. Er hielt es für richtig, die darin empfohlenen somatischen Behandlungen möglichst zu vermeiden und nahm deshalb trockene, aufgekratzte und entzündete Haut sowie dadurch vermehrt auftretende Infektionen als über längere Zeit notwendig in Kauf. Schon allein dieser weitgehende Verzicht auf die bei ND üblichen Behandlungsmethoden war ein grober Verstoß gegen von Fachgesellschaften erstellte Leitlinien und zeigt, dass sich das GBV ganz überwiegend außerhalb dieser Normen bewegt hat.
(2) Beide ND-Leitlinien empfehlen zusätzliche, aber nicht ausschließliche psychosomatische und verhaltenstherapeutische Herangehensweisen und die psychologische Beratung von Eltern an ND erkrankter Kinder. Von Trennungsangst als Ursache der ND, „Trennungstrainings“ oder „Stressimpfungen“ als üblichen Behandlungsmethoden – dazu noch bei Säuglingen – ist in keiner dieser Leitlinien die Rede. Das unseriöse GBV wird in diesen Leitlinien nicht erwähnt.
(3) Die „Behandlung“ der ND durch Dr. Lion ist personell und methodisch aus dem GBV von Stemmann hervorgegangen, auch wenn Stemmann und dessen Schriften in den letzten Jahren auf den Internetseiten der APPAP nicht mehr genannt wurden. Es handelte sich beim GBV von Anfang an um eine Außenseitermethode, die das meiste von dem, was später in den o.a. ND-Leitlinien empfohlen wurde, nicht befolgte.
(4) Die Verfasser der o.a. ND-Leitlinien und auch fast alle anderen Fachleute sind sich darin einig, dass die ND nicht ursächlich behandelbar und daher nicht heilbar ist. Herr Dr. Lion vertrat auch in diesem wichtigen Punkt – wie schon sein Vorgänger Prof. Stemmann – einen entgegengesetzten Standpunkt.
(5) Die (angebliche) Orientierung der APPAP an der „Leitlinie für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter“ (028/041) https://web.archive.org/web/20180218224728/https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-041l_S2k_Psychische_Stoerungen_Saeugling_Kleinkind_Vorschulalter_2017-10.pdf ist bereits eine Folge der normdevianten Fantasien von Hamer und Stemmann zur Entstehung der ND. Obige Leitlinie gilt nicht für ND, Asthma oder Allergien. Eine hauptsächliche Orientierung an dieser Leitlinie wäre nur angebracht gewesen, wenn es sich bei diesen Krankheiten tatsächlich in erster Linie um psychische Störungen gehandelt hätte. Dass psychische Störungen entscheidend für die Entstehung, den Verlauf und die Therapie dieser Krankheiten sind, ist aber wissenschaftlich nicht erwiesen und hat sich deshalb auch nicht in Leitlinien der AWMF niedergeschlagen. Entsprechend gibt es keine Empfehlungen in wissenschaftlich basierten Leitlinien, Kinder mit ND, Asthma oder Allergien mit einem „Trennungstraining“ zu behandeln.
(6) Keine wissenschaftliche Leitlinie empfiehlt, bei allen Kindern mit ND, Asthma, Allergien oder Verhaltensstörungen die Ernährung auf gemüsereiche Kost umzustellen und zahlreiche Lebensmittel zu vermeiden.
(7) Weicht die Behandlung eines Arztes stark von den anerkannten Standards ab, besteht Konsens darüber, dass der Arzt dies begründen und den Erfolg seiner von der Norm abweichenden Methode belegen muss. Weder Prof. Stemmann noch Dr. Lion haben jedoch das GBV in fachlich nachvollziehbarer Weise begründet oder dessen angebliche Heilerfolge und Wirtschaftlichkeit bei ND, Asthma und Allergien nachgewiesen.
23.01.2008, Schon Anfang 2008 hat Lion öffentlich eine Nähe des GBVs zu Hamer abgestritten, indem er – vergeblich – gegen einen Wikipedia-Artikel protestierte:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Bestürzung und tief empfundenen Missfallen haben wir, die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen, Betriebsteil der Bergmannsheil und Kinderklinik Buer gGmbH, den o.a. Beitrag in der Internet-Präsenz von WIKIPEDIA zur Kenntnis genommen.
Ich selbst bin als Oberarzt in dieser Klinik mit dem Gelsenkirchener Behandlungsverfahren (GBV) betraut und durch eine Mitarbeit in diesem Krankenhaus seit 1992 intensiv auch mit dessen Inhalten vertraut. In dem WIKIPEDIA-Internet-Artikel eines anonymen Verfassers wird das GBV nicht nur unzureichend zu kurz sondern vor allem verzerrt, falsch, irreführend, diskriminierend und diskreditierend dargestellt, wogegen wir auf das Schärfste protestieren müssen.
Das GBV basiert nicht wie behauptet „auf der Grundlage von Außenseiterlehren von Ryke Geerd Hamer“ sondern auf wissenschaftlichen Erkenntnissen von Stress- und Hirnforschung und stellt einen psychosomatisch begründbaren Ansatz bei der Behandlung von Krankheiten aus dem allergischen Formenkreis (Asthma bronchiale, Neurodermitis, Heuschnupfen u.a.) dar. Mit dem durch und bei WIKIPEDIA veröffentlichten Internet-Artikel wird das GBV abqualifiziert (Rubrik Esoterik) und fälschlicherweise mit dem Krankheitsmodell nach Hamer verknüpft. Diese durch den anonymen Autor aufgestellten Behauptungen sind nicht nur nicht-beweisbar sondern sachlich falsch. Mit der Veröffentlichung dieses Artikels (im übrigen ohne zuvor bei der handelnden Therapieeinrichtung nachgefragt zu haben!) ist dem gesamten Behandlerteam (Ärzten, Psychologen, Krankenschwestern, Erzieherinnen, Kunsttherapeuten, Diätassistentinnen, Ökotrophologinnen, Ernährungsberaterinnen) Unrecht zugefügt worden und der wirtschaftlichen Einrichtung Bergmannsheil und Kinderklinik Buer gGmbH schwerer Schaden durch Veröffentlichung voreingenommener und sachlich falscher Informationen entstanden.
Um den ohnehin bereits entstandenen Schaden (wirtschaftlich und die Reputation unserer Klinik betreffend) nicht weiter ausufern zu lassen, fordern wir, die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen, Sie hiermit höflich aber bestimmt auf, den o.a. Artikel umgehend aus Ihrer Internet-Präsenz zu löschen und auch frühere von diesem Autor in längerem Umfang verfasste Versionen und die dazugehörigen Kommentare zu löschen. …“ https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Entsperrwünsche/Archiv/2008/Januar#Gelsenkirchener_Behandlungsverfahren_.28erl..29
04.09.2013, Die Nähe Lions zu Hamers irrsinniger Krankheitslehre klingt z.B. in diesem Text an, der zunächst von der KKG und dann auch vom Verein „AuK“ ins Internet gestellt wurde und dort noch viele Jahre nach dem Ausscheiden Stemmanns zu lesen war:
„Die pädiatrische psychosomatische Behandlung bei allergisch / chronischen Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten – Neurodermitis, Asthma, Heuschnupfen/ Regulationsstörungen wie Ess- und Schlafstörungen – Hier handelt es sich um ein ganzheitliches Modell, das die eigentliche Ursache der Erkrankung sucht und darauf die Behandlung aufbaut. Es vertritt die Meinung, dass die Ursachen einer Krankheit stets in einer Gefühlsverletzung liegen, die den Erkrankten unerwartet getroffen hat … .“ http://archive.is/gXreO
10.05.2016 (Aufruf der Webseite): Ähnlich äußerte sich Lion noch 2016 auf einer Webseite der KKG: „Eine ganzheitliche Medizin betrachtet ein Symptom als Ausdruck eines tiefer liegenden Problems. Die Therapie ist somit auf die Beseitigung der Ursachen der Erkrankung ausgerichtet. Diese liegt immer in den Lebenserfahrungen des Menschen begründet. Folglich wird die Erkrankung eines Menschen auf dem Hintergrund seiner persönlichen Lebensgeschichte, seiner Gefühle, Beziehungen und Verhaltensweisen betrachtet.“ https://web.archive.org/web/20160510042222/http:/www.kinderklinikge.de/Inhalt/Kliniken_Zentren_Bereiche/Kliniken/Paediatrische_Psychosomatik_Allergologie_und_Pneumologie/index.php
11.10.2016, Dass Dr. Lion geistig der Irrlehre Hamers nahestand, wird auch durch einen von ihm 2017 verfassten Arztbrief deutlich, zu dem er ein Formular verwendet hat, auf dem „Neurodermitis bei Trennungsangst“ und „Asthma bronchiale bei Revierangst“ angekreuzt werden konnte:
Dies Formular zeigt, dass Lion bei ND grundsätzlich das Vorliegen von Trennungsangst angenommen und bei Asthma grundsätzlich „Revierangst“ unterstellt hat. Der Begriff „Trennungsangst“ ist in der Fachliteratur üblich. Der Begriff „Revierangst“ als Ursache von Asthma geht aber eindeutig auf die „(Germanische) Neue Medizin“ von Ryke Geerd Hamer zurück.
19.05.2016, Vortrag von Dr. Lion an der KKG: „Allergien sind heilbar“ „Auf Erkenntnissen der Stress- und Hirnforschung beruht der ganzheitliche Therapieansatz der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen bei der Behandlung allergischer Erkrankungen wie Neurodermitis, Asthma und Heuschnupfen.“ https://web.archive.org/web/20200121150318/https://www.gelsenkirchen.de/de/_meta/veranstaltungskalender/20478-allergien-sind-heilbar
Herr Dr. Lion hat nie schlüssig dargestellt, auf welchen konkreten Erkenntnissen der extrem umfangreichen internationalen Stress- und Hirnforschung das GBV angeblich beruht, sondern sich anscheinend unkritisch den Spekulationen seines Mentors Stemmann angeschlossen. Stemmann hat diese Spekulationen hauptsächlich in seinen Büchern zum Asthma (1999) und zur ND (2002) niedergelegt. Beide Bücher sind von Hamer beeinflusst und fachlich nicht ernst zu nehmen. Von an Universitäten amtierenden Fachleuten sind beide „revolutionären“ Bücher noch nicht einmal eines Verrisses für würdig befunden worden.
Alle Fachleute, die mir 2004 und 2005 wegen meiner GBV-Kritik geschrieben haben, waren über die Pseudomedizin Stemmanns „not amused“:
Dem esoterischen GBV zur „Behandlung“ von ND, Asthma und Allergien lagen anscheinend die folgenden pseudowissenschaftlichen Spekulationen zugrunde:
(1) Alle Krankheiten werden durch eine als traumatisch empfundene „Gefühlsverletzung“ verursacht.
(2) ND wird durch ein Trennungstrauma, Asthma durch „Revierangst“ verursacht.
(3) Diese Traumata verursachen zentralnervöse Veränderungen, die ND bzw. Asthma hervorrufen.
(4) Nach Abklingen der akuten Stressphase gerät der ND-Patient in ein „Immuntief“.
(5) Durch dieses „Immuntief“ kommt es zum Ausbruch der Krankheit.
(6) Durch Pawlowsche Konditionierung können solche Ausbrüche und Rückfälle durch an sich immunologisch harmlose Reize ausgelöst werden.
(7) Eine einjährige Diät unterstützt den Heilungsprozess.
(8) Mütter praktizieren das empfohlene Autogene Training.
(9) Durch das von der Mutter regelmäßig praktizierte Autogene Training sinkt der Stresspegel bei Mutter und Kind.
(10) Wenn die kranken Kinder „liebevoll-konsequent“ erzogen werden, weniger Stress haben, gelernt haben, „seinsverloren“ zu spielen und psychisch besser belastbar sind, klingt die Krankheit ab.
(11) Stressreduktion und Ernährungsumstellung führen bei ND, Asthma und Allergien innerhalb von etwa einem Jahr zu Heilungen in zumindest 87% der Fälle.
(12) Kritiker des GBVs kennen es nicht, sind unsachlich und verfolgen eigene Interessen.
08.03.2017, Dr. Lion antwortet der Großmutter von Karl, einem damals fünf Monate alten Säugling mit schwerer ND: „Als junger Assistenzarzt kam ich hierher und war begeistert über diese m.E. überaus moderne Sichtweise – und die vielen, vielen Therapieerfolge, die wir bei an Neurodermitis erkrankten Kindern begleiten und beobachten konnten. Unser Konzept fußt auf einer psychosomatischen Sichtweise der Neurodermitis und nicht auf einer primär dermatologischen, so dass wir insgesamt dem Stress und den emotionalen Belastungen, die beide eine Neurodermitis verstärken, den größeren Stellenwert einräumen als einer Lokalbehandlung der Haut. Diese psychosomatische Sichtweise basiert auf Erkenntnissen von Stress- und Hirnforschung und mündet dann in eine psychosomatische Behandlungsstrategie in Form einer Verhaltenstherapie.“ Quelle: Schreiben von Dr. Lion an die ÄKWL vom 29.09.2017
29.09.2017, „Ärztliche Stellungnahme zur Vorlage bei der Gutachterstelle der Ärztekammer Westfalen-Lippe bzgl. der Vorwürfe von Frau xxx (Kindsmutter) und Frau xxx (Großmutter des o.g. Kindes)“
Dr. Lion stellt gleich im ersten Satz seiner Stellungnahme (S. 2/19) eine wahrheitswidrige Behauptung auf. Er schreibt: „Die Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik arbeitet seit 25 Jahren in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen (vormals Städtische Kinderklinik Gelsenkirchen) leitliniengerecht in Bezug auf psychotherapeutische Vorgehensweisen, um chronische, durch Stress unterhaltbare Störungs- und Krankheitsbilder von Kindern bereits bei Säuglingen positiv zu beeinflussen. Ziel dabei ist stets die Selbstheilungsmöglichkeiten des Kindes zu fördern.“
Zum Beispiel Im Fall „Karl“ widersprechen Diagnostik und Therapie jedoch sowohl der S2-Leitlinie, an der sich die APPAP angeblich orientiert, als auch den beiden o.a. ND-Leitlinien. Wegen der nicht-evidenzbasierten Auffassung Lions, dass ND immer durch Trennungsangst verursacht und aufrechterhalten wird, wurde ein „Trennungstraining“ angeordnet. Dazu wurde der 6 Monate alte Patient „Karl“ laut Angaben von Mutter und Großmutter am 4. Tag ab 10 Uhr von seiner Mutter getrennt und um 11 Uhr in die „Mäuseburg“ zu weinenden und schreienden anderen Kindern gebracht, während seine Mutter sich 1 ½ Stunden lang in einem anderen Raum einen Vortrag von Dr. Lion anhörte (und – zumindest in der letzten halben Stunde – ihren Sohn schreien hörte). Ebenfalls auf Seite 2/19 behauptet Dr. Lion:
„Die Herangehensweise geschieht unter systemisch familientherapeutischen Gesichtspunkten unter Hinzuziehung einer wichtigen Bezugsperson des Kindes, i.d.R. eines Elternteils, meistens der Mutter.“ Auch bei dieser Aussage Lions scheint es sich um einen Täuschungsversuch zu handeln. Jedenfalls hat die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie zu dem Dokumentarfilm „Elternschule“ wie folgt Stellung genommen:
„Als größte systemische Fachgesellschaft fühlen wir uns zu einer Stellungnahme aufgefordert, da der verantwortliche Psychologe Dietmar Langer wie auch die Klinik selbst, sich darauf berufen, „auch systemisch“ zu arbeiten. In dem gezeigten Einblick in die Arbeit des Gelsenkirchener Teams vermögen wir jedoch nichts Systemisches zu erkennen und distanzieren uns in aller Deutlichkeit von dem Vorgehen in der Psychosomatischen Abteilung der Kinderklinik. … In den gefilmten Sequenzen der stationären Therapie in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen zeigt sich die systemische Haltung in keiner Weise. Es wird vielmehr das scheinbare Versagen der Eltern im „Kampf“ gegen die Kinder in den Vordergrund gestellt. Dabei wird den Eltern kein Raum geboten, eigene Vorstellungen von Lösungen zu entwickeln oder sich ihrer eigenen Ressourcen bewusst zu werden. Sie erhalten Frontalunterricht von Experten, die Ihnen aufzeigen, welche Fehler sie in der Vergangenheit machten und was sie stattdessen in Zukunft zu tun haben.“ www.dgsf.org/themen/stellungnahmen-1/stellungnahme-zum-dokumentarfilm-elternschule
Charakteristisch für die Versuche Lions, das hochgradig esoterische GBV als wissenschaftlich fundiert anzupreisen, ist die folgende Passage aus dessen Schreiben an die ÄKWL: „In dem Standardwerk „Thure von Uexküll: Psychosomatische Medizin, Urban und Fischer Verlag, findet sich in jeder Auflage auch die Neurodermitis abgehandelt und besprochen, so dass eine psychosomatisch-psychotherapeutische Herangehensweise an dieses Krankheitsbild medizinisch-psychologisch begründet ist. Insofern besteht unsererseits keine Handlungsweise, die sich jenseits anerkannter Behandlungsstrategien wiederfindet.“ (S. 4/19)
Die Psychosomatische Medizin speist sich aus sehr unterschiedlichen Quellen und ist in Theorie und Praxis bis heute sehr heterogen. Dies zeigt sich z.B. in sämtlichen Auflagen des von Lion zurecht als Standardwerk zitierten und ursprünglich von Prof. Thure von Uexküll herausgegebenen Lehrbuchs oder hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Psychosomatik .
In der Fachliteratur zur Psychosomatik sind schon viele empirisch nicht hinreichend abgesicherte Meinungen vertreten worden, aber die Tendenz geht heute – zumindest in dem genannten Lehrbuch und an Universitäts-Hautkliniken – zu einer vorsichtigen und oft auch selbstkritischen Betrachtungsweise. Dies gilt schon für die mir vorliegende 4. Auflage (1990) des Lehrbuchs und dessen 55. Kapitel „Dermatologie“ (S. 1032-1051), in dem Prof. Klaus Bosse u.a. feststellt: „Heute wird die Mitwirkung psychischer Abläufe neben den bekannten genetischen, immunologischen und allergologischen Faktoren bei der Auslösung von Rezidiven des sog. endogenen Ekzems wieder gesehen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß der klinisch-dermatologischen, immunologischen und allergologischen Diagnostik sowie der symtomatischen dermatologischen Therapie eine aktuell entscheidende Rolle zukommt. Mittel- und langfristig erfährt diese durch Berücksichtigung psychosomatischer Gesichtspunkte eine wesentliche Erweiterung.“ (S. 1034)
Die 4. Auflage dieses Lehrbuch enthielt übrigens auch erstmals ein Kapitel von Wolfgang und Sibylle Klosterhalfen über Psychoimmunologie (S.195-211). Darin habe ich den Forschungsstand zu Wirkungen von Stress auf immunologische Parameter und bestimmte Krankheiten mit der gebotenen Zurückhaltung dargestellt.
Es scheint, dass kein einziger Lehrstuhl für Kinderheilkunde, Dermatologie oder Psychosomatik den esoterischen Ansatz von Stemmann bzw. Lion positiv bewertet hat. Entsprechend wurde das GBV auch weder 1990 noch später in dem Uexküll-Lehrbuch erwähnt. Hingegen haben sich – vor allem 2005 und 2020 – etliche ND-Experten in ungewöhnlich kritischer Weise zum GBV geäußert.
Oktober 2018 (Aufruf der Webseite): Hintergrund-Informationen der KKG zum Film „Elternschule“: „Die Abteilung für Psychosomatik arbeitet auf der Basis wissenschaftlicher Leitlinien – den sogenannten AWMF-Leitlinie: Psychische Störungen im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter. Diese wurden von den medizinischen Fachgesellschaften auf der Basis von Studien entwickelt. Unsere leitliniengerechte Arbeit ist also durch Studien wissenschaftlich abgesichert.“ https://archive.is/g8yqZ
In der Verhaltenstherapie wird bei damit einverstandenen Erwachsenen u.a. die Methode des Flooding (Reizüberflutung) verwendet. Dabei werden die Patienten in Begleitung des Therapeuten extreme Angst auslösenden Situationen (z.B. Brücken, freie Plätze, verschmutzte Keller) ausgesetzt. Sie werden sorgfältig darauf vorbereitet, zum Teil psychopharmakologisch unterstützt und können jederzeit abbrechen.
In der KKG kamen Säuglinge und Kleinkinder zu anderen verzweifelt nach ihren Müttern rufenden und weinenden Kindern in die „Mäuseburg“, wo sie auf nicht reagierendes, ihnen zunächst weitgehend unbekanntes Personal trafen. Sie waren auf diese Situation nicht vorbereitet und bekamen keine Unterstützung. Ausschließlich die KKG hat solche schrecklichen „Therapien“ bei Kindern unter drei Jahren durchgeführt.
27.10.2018 (Aufruf der Webseite): Die APPAP schreibt über die Therapie psychosomatischer Krankheiten: „Die Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen beschäftigt sich seit fast 30 Jahren mit der Behandlung chronischer psychosomatischer Erkrankungen sowie mit Verhaltensauffälligkeiten von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. Aus diesem umfassenden Erfahrungsschatz heraus und in Verbindung modernster medizinischer und therapeutischer Erkenntnisse und Lehren, entwickelte die Abteilung ein nachweislich sehr erfolgreiches Behandlungskonzept, das in dieser Form nur in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen angeboten wird: die Multimodale 3-Phasen-Therapie. …“ https://web.archive.org/web/20181027163052/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/therapie/multimodale-3-phasen-therapie-lion-langer/ (lange Ladezeit)
Bei der „Multimodalen 3-Phasen-Therapie“, später auch „Stationäre Komplextherapie“ genannten pseudomedizinischen Misshandlung von Kindern handelte es sich um alten Wein in neuen Schläuchen. Ich betrachte diese unspezifischen Umbenennungen als Täuschungsmanöver, um Spuren zurück zu Stemmann und Hamer zu verwischen. Es sind zwar unter Lion mehr Kinder aufgenommen worden, die nicht körperlich erkrankt waren, aber zumindest die auch an ihnen vorgenommenen Trennungs- und Schlaftrainings waren schon früher wesentliche Bestandteile des GBVs.
12.07.2019 (Aufruf der Webseite): „Maßgebend für das Therapiekonzept sind die Leitlinien zu Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter sowie die Leitlinien für eine pädiatrische Psychosomatik.“ https://web.archive.org/web/20190712102341/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/therapie/Stationaere-Komplextherapie/.
Dies entspricht nicht der Wahrheit, denn diese Leitlinie besagt u.a., dass Angststörungen nicht unter einem Alter von 18 Monaten diagnostiziert werden sollen (S. 102) und empfiehlt psychotherapeutische Interventionen erst ab einem Alter von 3 Jahren (S. 106): https://web.archive.org/web/20180218224728/https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-041l_S2k_Psychische_Stoerungen_Saeugling_Kleinkind_Vorschulalter_2017-10.pdf
Dr. Lion hat permanent gegen diese beiden Regeln verstoßen, indem er bei Säuglingen und Kindern unter 18 Monaten, die an ND litten, Trennungsangst unterstellt und alle Kinder unter 3 Jahren einem „Trennungstraining“ ausgesetzt hat.
Außerdem beschreibt die Leitlinie 028-041 nicht die Behandlung von Kindern mit ND. ND-Leitlinien wiederum beschreiben ausführlich die Hautpflege durch Crémes, Salben und Bäder sowie lokale und systemische Behandlungen mit Medikamenten. Siehe https://web.archive.org/web/20180504161344/https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-027l_S2k_Neurodermitis_2016-06-verlaengert.pdf und www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-024l_S1_Psychosomatische_Dermatologie_2018-05.pdf
Solche Behandlungen haben Dr. Stemmann und Dr. Lion nach Möglichkeit vermieden. Entsprechend haben sie ihre Behandlungen der ND weitgehend außerhalb des Rahmens vorgenommen, den die wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften vorgegeben haben. Entsprechendes gilt auch für die Behandlungen von Asthma und Allergien.
Leitlinien „für eine pädiatrische Psychosomatik“ sind in der folgenden umfangreichen Sammlung von AWMF-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin nicht zu finden: www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien/ll-liste/deutsche-gesellschaft-fuer-kinder-und-jugendmedizin-dgkj.html
03.08.2019 (Aufruf einer Webseite der APPAP): „Psychosomatische Erkrankungen, Angstzustände, Verhaltensauffälligkeiten sowie allergische Reaktionen bei Kindern sind komplexe Krankheitsbilder. Dies betrifft in besonderem Maße Allergien wie Neurodermitis, aber auch Asthma und Heuschnupfen. Aus Sicht der psychosomatischen Medizin betrachten wir diese Erkrankungen als erworbene Störungen, deren Symptome und Krankheitsverläufe durch Stress, Anspannung sowie seelische Belastungs- und Konfliktsituationen verursacht bzw. beeinflusst werden und sich insofern mittels Verhaltenstherapien positiv beeinflussen lassen.“ https://web.archive.org/web/20190803174456/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/behandlungsspektrum/allergien-neurodermitis-asthma-heuschnupfen/
Es mag sein, dass die Symptome der o.a. Krankheiten durch Stress usw. beeinflusst werden, aber es gibt keine Evidenz dafür, dass sie dadurch auch verursacht werden. Letzteres ist nicht die Auffassung der Psychosomatischen Medizin, sondern die von Lion sowie von Hamer und Stemmann.
22.08.2019 und 22.09.2020 (Aufruf der Webseite)
„Unsere Arbeit ist absolut gewaltfrei. In unserer Klinik gibt es keine Gewalt. Die klinischen Methoden entsprechen dem aktuellen Forschungsstand und den Standards der medizinischen Wissenschaft“, betont Dr. Kurt-André Lion, ärztlicher Leiter der Abteilung für pädiatrische Psychosomatik und weist Vorwürfe nachdrücklich zurück.
„Unser verhaltenstherapeutisches Programm basiert auf den Empfehlungen und Vorgaben von anerkannten Fachgesellschaften wie denen der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Die Behandlung der Patienten entspricht den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Wir arbeiten wie auch andere psychosomatische Kliniken in Deutschland. Das ist evidenzbasierte Medizin, also patientenorientierte und wissenschaftlich-empirisch abgesicherte Medizin. Wir halten uns an die Vorgaben der Fachgesellschaften.“ http://archive.is/XGHJv und https://archive.is/i27xS
Es ist umstritten, ob es in der APPAP körperliche Gewalt, z.B. beim Füttern von Kleinkindern, gegeben hat. Es gab aber durch medizinisch nicht indizierte Trennungen, „Stessimpfungen“ und „Schlaftrainings“ in großem Umfang psychische Gewalt gegen Säuglinge und Kleinkinder.
11.11.2019 (Aufruf der Webseite)
Sabine Ziegler (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der KKG), Informationen für Journalisten (Auszug):
„Die Behandlung muss vom Kinderarzt verschrieben werden und wird von den Krankenkassen übernommen. Sie erfolgt auf der Basis der AWMF-Leitlinien (Psychische Störungen im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter). Aufnahmebedingung ist die vorherige Ausschöpfung aller ambulanten ärztlichen und psychologischen Therapiemöglichkeiten. Bei der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern mit psychosomatischen Krankheits- und Störungsbildern werden wissenschaftliche Erkenntnisse der Verhaltenstherapie im klinischen Alltag umgesetzt.“ https://web.archive.org/web/20191111134036/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/aktuelles/aktuelle-themen-chronische-psychosomatische-erkrankungen/?we_objectID=92
Beim GBV wurden Säuglinge und Kleinkinder grundsätzlich einem „Trennungstraining“ unterworfen. Es scheint sich dabei nicht um Psychotherapie, sondern um die Misshandlung von Schutzbefohlenen gehandelt zu haben. Herr Dr. Lion hat sich offensichtlich fachlich bis 2020 so gut wie gar nicht von seinem Lehrer Stemmann gelöst und Eigenes auf die Beine gestellt.
Insgesamt ist festzustellen, dass Dr. Lion bei der „Behandlung“ von ND, Asthma und Allergien eine Orientierung an wissenschaftlichen Leitlinien nur vorgetäuscht und sich in Wirklichkeit an pseudomedizinischen Ideen von Hamer und Stemmann orientiert hat. Zwar stand es Lion im Rahmen seiner Berufsfreiheit zu, übliche Normen ärztlichen Handelns zu ignorieren, es war ihm aber nicht erlaubt, die Öffentlichkeit systematisch zu täuschen und den falschen Eindruck hervorzurufen, die Behandlung von ND, Asthma und Allergien in seiner Abteilung würde sich an wissenschaftlichen Leitlinien und dem Stand der Wissenschaft orientieren.
08.04.2020 (Aufruf einer Webseite der APPAP): „Der Therapieansatz ist „gesundheitsorientiert“, d.h. er beschäftigt sich mit den Ressourcen des erkrankten Menschen und seiner Familie und ist langfristig angelegt. Er basiert auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen der Stress- und Hirnforschung. Hierbei kümmern wir uns um Kinder bereits ab dem Säuglingsalter.“ https://archive.is/IVqq1
18.10.2020 (Aufruf einer Webseite der KKG): „Die Abteilung für Psychosomatik arbeitet auf der Basis wissenschaftlicher Leitlinien – den sogenannten AWMF-Leitlinie: Psychische Störungen im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter. Diese wurden von den medizinischen Fachgesellschaften auf der Basis von Studien entwickelt. Unsere leitliniengerechte Arbeit ist also durch Studien wissenschaftlich abgesichert.“ https://archive.is/K9CUE
2011: Schwache Neurodermitis-Studie von Lion, Langer et al.
Lion KA, Langer D, Stemmann EA, Holling H: Integrierte klinisch-psychosomatische Komplexbehandlung bei Kindern mit Neurodermitis – eine Evaluationsstudie – päd – Praktische Pädiatrie, 4/2011, 196–202, https://web.archive.org/web/20190902105845/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/psychosomatik/_media/medienberichte/Lion-Neurodermitis.pdf
Diese in einem Online-Fachjournal erschienene 3. Studie der KKG zur angeblichen Wirksamkeit der ND-„Behandlung“ bei Säuglingen und Kleinkindern ist methodisch nicht viel besser als die beiden im Jahr 2000 im AuK-Vereinsblatt („AUK-Brief“) sowie die 2002 im Buch von E.A. Stemmann und S. Stemmann erschienenen beiden Studien von Starzmann und Langer. Sie hat ebenfalls keine Vergleichsgruppe mit der üblichen Behandlung und belegt nicht, dass die Mehrheit der nur 15 (!) untersuchten Kinder vom GBV profitiert hat oder sogar nach einem Jahr geheilt war. Die Studie zeigt hingegen, dass etliche der Säuglinge und Kleinkinder auch noch nach einem Jahr unter ND litten. Eine Besserung nach einem Jahr ist aber nicht überraschend und kann mangels Kontrrollgruppe nicht auf die spezielle Therapie (GBV) zurückgeführt werden.
Da Lion und Langer immer alle Eltern aufgefordert haben, nach einem Jahr zu einer Nachuntersuchung zu kommen, lagen ihnen nur Verlaufsdaten von den Kindern vor, die nach einem Jahr wieder vorgestellt wurden. Diese Kinder dürften daher eine positive Selektion von Kindern darstellen, deren Eltern auch noch nach einem Jahr positiv zum GBV eingestellt waren. Es wird in dem Artikel nicht erläutert, wie es zur Auswahl genau dieser 15 Kinder kam. Diese Auswahl muss daher nicht repräsentativ für alle von Dr. Lion „behandelten“ ND-Patienten gewesen sein, sondern könnte eine positive Selektion darstellen. In der APPAP wurden ja hunderte von Kindern mit ND „behandelt“. Es wird auch keine Drop-Out-Rate angegeben.
Es bleibt bei der präsentierten Statistik außerdem unklar, inwieweit die gefundenen Mittelwertdifferenzen auf einzelne Kinder zurückgehen, die nach einem Jahr symptomfrei waren. Außerdem wird auch in dieser 3. Studie nicht über Heilungen, sondern nur über statistisch signifikante Besserungen im Verlauf der ND berichtet. Vieles wäre klarer, wenn die Autoren einfach alle 2 x 15 Scorad-Werte für den Ausprägungsgrad der ND zu Beginn der „Behandlung“ und nach einem Jahr veröffentlicht hätten.
„Die Ergebnisse dieser Studie stützen die These, dass psychosoziale Faktoren wie Stressbewältigungsstrategien der Betroffenen, Bindungsqualität und Interaktionsmusterzwischen Eltern und ihrem Kind sowie Sicherheit und Selbstwirksamkeitserwartungen der Eltern eine große Bedeutung für die Ausprägung und den Verlauf der Neurodermitis haben. Dass diese Faktoren nicht hoch genug eingeschätzt werden können, wird besonders dadurch deutlich, dass die Erfolge gerade auch bezüglich des Hautbefunds unter Verzicht auf Anwendung von und Medikamenten zur regelmäßigen Hautpflege erzielt wurden.“ S. 201f
Diese hinsichtlich des Verlaufs der ND fraglichen „Erfolge“ wurden unter weitgehendem Verzicht auf die Linderung des Leidens der Patienten durch Salben und Medikamente und unter Inkaufnahme des Zufügens von zusätzlichem psychischem Leid durch das „Trennungstraining“ bzw. „Stressinduktionen“ und die Ernährungsumstellung „erzielt“. Außerdem könnte die verordnete Diät die körperliche und eventuell auch die geistige Entwicklung der Kinder beeinträchtigt haben. Siehe dazu die Äußerungen von Prof. Höger im dem oben zitierten Spiegel-Artikel von 2005.
„Insgesamt zeigt diese Studie die Wirksamkeit konsequent angewandter verhaltens- und familientherapeutischer Interventionen im stationären Setting mit einer nachstationären Unterstützungsphase und belegt damit die Bedeutung psychosomatischer Behandlungsansätze bei chronischen Erkrankungen wie der Neurodermitis.“ S. 202
Wegen gravierender methodischer Schwächen sind die hier zitierten fantasiereichen Schlussfolgerungen nicht aus den Ergebnissen der Studie abzuleiten. Bei dieser mit bunten Grafiken angereicherten Studie, die die entscheidenden 2 x 15 ND-Scores der Kinder zu Beginn der „Behandlung“ und nach einem Jahr verschweigt, dafür aber (wie von den Autoren eingeräumt) mathematisch unzulässige statistische Mittelwerte und Streuungen (pseudogenau auf zwei Stellen hinter dem Komma!) angibt, handelt es sich nicht um eine ernst zu nehmende wissenschaftliche Arbeit, sondern um das Vortäuschen von Besserungen des Hautzustands durch das GBV. Dass diese durchschnittlichen Besserungen unabhängig vom GBV als Spontanremissionen aufgetreten sein könnten oder teilweise der rigorosen Ernährungsumstellung zu verdanken waren, wurde von Lion et al. nicht eingeräumt.
Vortäuschen einer externen Evaluation durch die Universität Münster: In seinem Schreiben vom 29.09.2017 an die ÄKWL (wegen einer Beschwerde gegen die KKG, Fall „Karl“) hat Dr. Lion unter Bezug auf diese 3. Studie dreist behauptet (S. 4/19): „Die Wirksamkeit der von uns angewandten integrierten klinisch-psychosomatischen Komplexbehandlung (OPS 9-402.1) auf das Krankheitsbild einer Neurodermitis haben wir auch extern durch die Westfälische Wilhelms-Universität, Münster, evaluieren lassen.“
Nachdem ich wegen methodischer Probleme und der Tatsache, dass Dr. Lion Erstautor der Studie ist, Zweifel an einer solchen externen Evaluation geäußert hatte, haben die BKB und Dr. Lion in einem mir zugestellten Abmahnschreiben vom 20.11.2019 behauptet: „Herr Prof. Holling war auch an den Inhalten der Studie mitbeteiligt. Er war bei Planung und Durchführung der Studie sogar räumlich anwesend und aktiv beteiligt, … .“ S. 12
Daraufhin habe ich zunächst längere Zeit vergeblich bei Prof. Holling und dem Rektorat der Uni Münster nachgefragt, ob es tatsächlich eine Evaluation durch die Universität Münster gegeben hat:
Am 27.11.2020 war jedoch Herr Christoph Jochindke (Jurist des Rektorats der Universität Münster und zuständig für hochschulrechtliche Angelegenheiten) so freundlich, mir auf der Basis eines Gesprächs, das er inzwischen mit dem mir gegenüber nicht sehr auskunftfreudigen Prof. Holling hatte, telefonisch zu erklären, welche Rolle Prof. Holling bei dieser Studie gespielt hat. Herr Jochindke hat mir in diesem Telefongespräch meine Vermutung bestätigt, dass Prof. Holling nicht an der Planung und Durchführung der Studie beteiligt war, sondern nur die Daten der Studie erhalten und ausgewertet hat. Es sieht also danach aus, dass Herr Dr. Lion gelogen und gegenüber der ÄKWL und dann auch mir gegenüber versucht hat vorzutäuschen, “seine” ND-“Behandlung” sei von einer unabhängigen und renommierten Stelle wissenschaftlich geprüft worden.
1987-2020: Das dreiste Vortäuschen von Heilerfolgen
a) Vage Versprechungen von Heilungen
ND, Asthma und Allergien sind behandelbar, aber nicht heilbar. Prof. Stemmann hat spätestens ab 1987 öffentlich behauptet, ND sei heilbar und dies später auch über Asthma und Allergien gesagt. Auch Stemmanns Nachfolger Lion hat durch solche Aussagen immer wieder suggeriert, dass die APPAP wesentlich mehr zu bieten hat als nur die Linderung von Krankheitssymptomen.
In Wirklichkeit hat die KKG aber weder belegt, dass sie die ND heilen kann, noch hat sie ausreichend versucht, die Leiden ihrer ND-Patienten durch Pflege der Haut und eine medikamentöse Behandlung zu lindern. Stattdessen wurden Säuglinge und Kleinkinder „Trennungstrainings“, zum Teil auch einem „Stressimpfungstraining“ und alle Kinder einer radikalen Diät unterzogen. Die KKG hat von 1980 bis 2020 die ND kaum gelindert, nicht geheilt und stattdessen Kinder, Eltern und Krankenkassen geschädigt.
Im Folgenden soll an einigen Beispielen verdeutlicht werden, wie die KKG – auch noch in den letzten zehn Jahren – immer wieder wahrheitswidrig behauptet hat, ND, Asthma und Allergien seien heilbar, oder es könne zumindest die Gesundung oder die Selbstheilung dieser Krankheiten wesentlich gefördert werden.
14.03.2011, Vortrag von Dr. Kurt-André Lion (Essen, Pfarrsaal St. Joseph): „Allergien sind heilbar. Psychosomatische Betrachtung von Allergien – Was kann der Betroffene zu seiner Selbstheilung beitragen?“
24.03.2011, Vortrag von Dr. Kurt-André Lion (Düsseldorf, Bürgerhaus Bilk): „Neurodermitis und Asthma sind heilbar“
27.04.2013, Vortrag von Dr. Kurt-André Lion: „Asthma bronchiale ist heilbar. Der Betroffene muss sich selbst heilen“ https://web.archive.org/web/20200202145109/https://www.auk-ov-straubing.de/index_2.php?id=19&sid=zmTuSJNg5P2SY1khaxru5f185859d5a8
26.08.2014 (Aufruf der Webseite): Allergie- und umweltkrankes Kind e.V. (AuK) bietet weiterhin Bücher von E.A. Stemmann an: „Neurodermitis ist doch heilbar: Es geht um mehr, als nur um die Behandlung der Haut (E.A. Stemmann und S. Stemmann) Preis 32,00 EUR (inkl. Versandkosten), 249 Seiten ;
Asthma bronchiale ist heilbar Prof. Dr. E.A. Stemmann Preis 20,50 EUR (inkl. Versandkosten) , https://web.archive.org/web/20140826140905/http://bundesverband-allergie.de/wir-uber-uns/materialien/ www.amazon.de/Neurodermitis-ist-doch-heilbar-Behandlung/dp/3000328297
Das Buch „Neurodermitis ist doch heilbar“ ist bei Amazon „currently unavailable“. Das Buch „Asthma bronchiale ist heilbar“ konnte ich bei Amazon nicht finden.
18.01.2016 (Aufruf einer Webseite des Bundesverbands AuK): „Patienten wie Betroffene erlernen Entspannungstechniken, eine liebevolle konsequente Erziehung und stellen bei den Allergien die Ernährung auf eine gemüsebetonte Vollwertkost um. Ziel ist, die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Seit 30 Jahren nunmehr behandelt ein multiprofessionelles Team auf der psychosomatischen Station die Betroffenen – mit grandiosen Erfolgen!“ https://web.archive.org/web/20160118234738/http://bundesverband-allergie.de/behandlung/
15.04.2016, Vortrag von Dr. Lion bei der AOK Straubing: „Allergien sind heilbar – Was können wir hierbei von der Psyche lernen?“ https://web.archive.org/web/20160617131801/http://auk-ov-straubing.de/
10.05.2016 (Aufruf einer Webseite der APPAP): „Insgesamt erreicht das Gesamtkonzept eine so hohe Effektivität, dass den meisten Patienten langfristig Symptom bzw. Störungsfreiheit bei einer „normalen“ Lebensführung ohne dauerhafte Einschränkungen bzw. Anwendungen möglich ist.“ https://web.archive.org/web/20160510042222/http:/www.kinderklinik-ge.de/Inhalt/Kliniken_Zentren_Bereiche/Kliniken/Paediatrische_Psychosomatik_Allergologie_und_Pneumologie/index.php
22.07.2017 (Aufruf der Webseite): „Neben vielen Fragen, die an Dr. Lion gestellt wurden, löste eine Antwort großes Erstaunen aus. „Können Sie sagen, wie viele Patienten Sie in ihren Berufsjahren schon geheilt haben?“. Dr. Lion antwortet prompt: „Ich habe 0 = Null Personen geheilt. Alle anderen Heilungen, und der Prozentsatz liegt sehr hoch, sind Selbstheilungen. Wir schulen die Menschen lediglich dahingehend, bestmögliche Bedingungen für den Selbstheilungsprozess zu schaffen.“ , https://web.archive.org/web/20170922140354/http://auk-ov-straubing.de/
09.10.2017,Vortrag von Dr. Kurt-André Lion im Evangelischen Familienzentrum in Essen: „Allergien sind heilbar!“, www.diakoniewerk-essen.de/content/tablefiles/pagefiles/254/2017-3%20plakat%20vortrag%2C%20dr.%20lion%2C%2023.5.%2C%20allergien%20%28korr.%29.pdf
12.04.2018, Vortrag von Dr. Lion an der KKG: „Allergien sind heilbar!“: „Auf Erkenntnissen von Stress- und Hirnforschung beruhend bietet die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen ein ganzheitliches Konzept zur Behandlung allergischer Erkrankungen (Neurodermitis, Asthma bronchiale, Heuschnupfen) an. Diese Erkrankungen werden durch Stress gefördert und verstärkt. Mittels einer psychosomatischen Betrachtungsweise und der Durchführung verhaltenstherapeutischer Maßnahmen wird die Heilung durch den Betroffenen selbst gefördert.“ https://web.archive.org/web/20190927070416/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/aktuelles/termine-und-veranstaltungen-kinderklinik-jugendklinik-gelsenkirchen/?we_objectID=75
27.10.2018 (Aufruf der Webseite): „Die Therapie stellt eine Intensivbehandlung dar, in der viele aufeinander abgestimmte medizinische und therapeutische Module die Effekte erzeugen, die letztlich zu der erwünschten Heilung bzw. Stabilisierung des Kindes führen.“ https://web.archive.org/web/20181027163052/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/therapie/multimodale-3-phasen-therapie-lion-langer/
05.02.2020 (Aufruf der Webseite): „Psychosomatische Krankheiten werden als Stresskrankheiten begriffen, die sich durch verhaltensmedizinische Interventionen beeinflussen lassen. Die Veränderung ungünstiger Stressmuster (körperliche Reaktionen, Verhaltensweisen) durch nachhaltige Lernerfahrungen führt zur Genesung.“ https://archive.is/IVqq1 (lange Ladezeit)
b) Konkretes Vortäuschen von großen Heilerfolgen 1999 lagen der KKG die ND-Studien 1 und 2 vor. Laut Studie 1 hatten 70% der befragten Eltern „den Erfolg ihrer Bemühungen als sehr gut bis gut“ beurteilt“. Laut Studie 2 hatten Eltern in 87% der Fälle den Zustand der Haut als gebessert angegeben. Diese methodisch unzulänglichen Studien sind zurecht nie in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden.
Obwohl es 1999 keinen auch nur einigermaßen ernst zu nehmenden Nachweis für Heilungen von Allergien durch das GBV gab, hat Prof. Stemmann – sofern die Berichterstattung durch die WAZ korrekt war – schon in diesem Jahr dieser Zeitung vorgelogen, durch das GBV würden 80% der Allergien innerhalb eines Jahres geheilt:
„Wie hoch ist die Erfolgsrate an Ihrer Klink?
Stemmann: Wir hatten bislang etwa 2500 allergiekranke Kinder im stationären Bereich. 80 % waren innerhalb eines Jahres geheilt.“
Auch im Herbst 2002 hat die WAZ berichtet, die Kinder würden durch das GBV geheilt: „Nach einem Jahr gelten die Kinder als geheilt und können wieder alles essen.“ (WAZ, 23.10.2002)
30.03.2005, Bericht im Hamburger Abendblatt über das GBV: „Nach Auskunft der Gelsenkirchener Kinderklinik werden 80% aller Kinder mit Neurodermitis dank dieses Programms innerhalb von zwei Jahren geheilt.“ http://archive.is/aMdnK
24.05.2005, Vortrag im katholischen Pfarrheim Bodenwerder: Anke König vom Ortsverband Bodenwerder des Vereins „AuK“ schreibt in Ihrer Ankündigung eines Vortrags von Prof. Stemmann: „Wir vertreten das „Gelsenkirchener Behandlungsverfahren“, das in der Kinderklinik Gelsenkirchen mit einem Heilungserfolg von 87 % praktiziert wird.“ https://web.archive.org/web/20060714012100/http://www.holzminden.com/maria/unsere_gemeinde/allergie_selbsthilfegruppe.html
Die Quote von 87 Prozent geht anscheinend auf die 2. ND-Studie der KKG zurück: „In einer weiteren prospektiven Studie (Langer, Dissertation, im Druck) an 40 Kindern im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren, die im Jahr 1998 behandelt und ein Jahr später nachuntersucht wurden, wurde ebenfalls der Behandlungserfolg überprüft. Die Eltern wurden gebeten, die Behandlung zu beurteilen. … Der Zustand der Haut wurde in 87% als gebessert angegeben. … Der Neurodermitiskranke heilt sich selbst!“ S. 268
Aus 87% durch Eltern festgestellte Besserungen wurden unverfroren 87% Heilungen gemacht!
06.09.2005, Ankündigung eines Vortrags an der VHS Dorsten, Überschrift: „Neurodermitis ist heilbar“, erster Satz der Ankündigung: „Vorgestellt wird das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren, das auf eine Heilungsrate von 87 % verweist.“ https://web.archive.org/web/20060114011100/http://www.dorsten.de/Dokumente/VHS_2-05.pdf S.11/91 des PDFs
Von 9/2016 bis 5/2020 hat die KKG wahrheitswidrig über die Hertener Allgemeine Zeitung und über eigene Internetseiten verbreitet, ND, Asthma und Allergien würden in zumindest 87 Prozent der Fälle geheilt:
„Der psychosomatische Ansatz bei der Behandlung von Neurodermitis, Asthma, Allergien in der Kinderklinik Gelsenkirchen versprach Heilung – zumindest in 87 % der Fälle. Das schien geradezu unglaublich. Doch es funktionierte.“
Der in der Hertener Allgemeinen vom 07.09.2016 erschienene Text wurde von der APPAP ins Netz gestellt und von archive.org hier gespeichert: https://web.archive.org/web/20191213181926/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/psychosomatik/_media/medienberichte/Hertener-Allgemeine-vom-07-09-2016.pdf
Die Pressemeldung selbst wurde von der KKG zumindest 2017, 2019 und 2020 im Internet zugänglich gemacht: https://web.archive.org/web/20170315030507/https://www.kjkge.de/Inhalt/Aktuelles_Presse/_Presse_Meldungen/AuK.php (Aufruf: 15.03.2017)http://archive.is/rKSZe (Aufruf: 09.12.2019) http://archive.is/vlPwS (Aufruf: 31.05.2020)
Es wurde also wahrheitswidrig von 9/2016 bis Ende Mai 2020 von einer Zeitung und auf Webseiten der KKG und der APPAP behauptet, zumindest 87% der Kinder mit ND, Asthma oder Allergien würden durch die „einzigartige komplexe Behandlung dieser Erkrankungen“ geheilt.
Zur Frage des Therapieerfolgs bei Asthma und Allergien scheint die KKG bisher noch überhaupt keine Studie vorgelegt zu haben. Dies hat indes die KKG sowie die APPAP und den Selbsthilfeverein „AuK“ nicht daran gehindert, auch bei diesen Krankheiten der Öffentlichkeit Heilungen in zumindest 87% der Fälle vorzutäuschen. Meine Kritik an den drei ND-Studien der KKG ist auch hier zu lesen:
Das Kriterium „Prozentsatz der Besserungen“ ist geeignet, bei Laien und forschungsmethodisch nicht versierten Fachleuten große Therapieerfolge vorzutäuschen. Es reichen schon sehr viele kleine Besserungen, um auf hohe Besserungsraten zu kommen. Da Säuglinge und Kleinkinder mit ND bevorzugt zu einem Zeitpunkt in der APPAP „behandelt“ wurden, wenn die zu starken Schwankungen neigende ND gerade besonders stark ausgeprägt war, und die Symptomatik bei Kindern von 0 bis 4 Jahren eine stark rückläufige Tendenz hat, sind häufige Besserungen auch bei weitgehendem Verzicht auf Cremes, Salben und Medikamente unabhängig von einer „Behandlung“ mit dem GBV zu erwarten.
5/2017, Vortrag von Dr. Lion im Gemeindesaal Brandenbusch: „Die Klinik behandelt seit 30 Jahren Kinder und Jugendliche, zunehmend auch Erwachsene, mit Allergien, Asthma und Neurodermitis. 87 Prozent der Betroffenen sind nach ein bis anderthalb Jahren gesund, wenn Sie auf Station Erlerntes konsequent umsetzen, erklären die Organisatoren der Veranstaltung.“ www.lokalkompass.de/essen-sued/c-ratgeber/ueber-allergien-und-ihren-zusammenhang-mit-der-psyche-informiert-ein-vortrag-in-bredeney_a760068
14.06.2018, Leserkommentare von Frauke Döllekes in der ZEIT (Frau Döllekes war 1. Vorsitzende des Vereins „AuK“) „Wir alle durften aber die Erfahrung machen, dass wir sehr wohl! sehr aktiv am Selbstheilungsprozess mitwirken konnten und Erfolg hatten. Die psychosomatische Behandlung geht an die Ursachen und macht keine reine Symptombekämpfung. Insofern ist es ein sehr!!!! hilfreicher Weg, der zumindest einen Versuch wert ist. 87 % der Menschen, die ihn gegangen sind, sind gesung! … Nach 30 Jahren Entwicklung, Forschung und Erfahrung und 87% Erfolgen, lohnt in jedem Fall ein Blick auf diesen Weg … Seit 30 Jahren werden Neurodermitis, Asthma und Allergien sehr erfolgreich in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen behandelt. Betroffene und Patienteneltern werden hier geschult, wie es gelingt die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Ohne Crèmes, ohne Hilfsmittel – mittels Stressregulation. Und das gelingt in 87 % der Fälle. Somit verlieren diese teuflischen Erkrankungen ihre Schrecken! Wir vom Selbsthilfeverein haben es selber erlebt. Nach ein bis anderthalb Jahren ist der Spuk vorüber.“ www.zeit.de/wissen/gesundheit/2018-05/neurodermitis-kinder-eltern-chronische-hautkrankheit/seite-2
4/2017: Beschwerde der Großmutter von „Karl“ bei der ÄKWL
Der 6 Monate alte Karl litt an starker ND, die sich gegenüber bisherigen Behandlungsversuchen als resistent erwiesen hatte. Nachdem die Großmutter von Karl durch Internetrecherchen zu dem Schluss gekommen war, dass die „Behandlungsmethodik“ von Dr. Lion „bereits bei vielen enorm geholfen hat“, hat sie Kontakt zu ihm aufgenommen. Herr Dr. Lion schrieb ihr dann am 8.7.2017 u.a.: „Ich persönlich kenne jetzt unser Psychosomatik-Konzept in Gelsenkirchen seit 25 Jahren: als junger Assistenzarzt kam ich hierher und war begeistert über diese m.E. überaus moderne Sichtweise – und die vielen, vielen Therapieerfolge, die wir bei an Neurodermitis erkrankten Kindern begleiten und beobachten konnten. Unser Konzept fußt auf einer psychosomatischen Sichtweise der Neurodermitis und nicht auf einer primär dermatologischen, so dass wir insgesamt dem Stress und den emotionalen Belastungen, die beide eine Neurodermitis verstärken, den größeren Stellenwert einräumen als einer Lokalbehandlung der Haut. Diese psychosomatische Sichtweise basiert auf Erkenntnissen von Stress- und Hirnforschung und mündet dann in eine psychosomatische Behandlungsstrategie in Form einer Verhaltenstherapie.“
Es wurde daraufhin eine dreiwöchige stationäre Behandlung von Karl unter Einbeziehung der Mutter vereinbart, und Mutter und Kind trafen am 9.4.2017 morgens in der KKG ein.
30.04.2017, Die dazu von ihrer Tochter bevollmächtigte Großmutter beschwerte sich mit Schreiben vom 30.04.2017 bei der ÄKWL über die Behandlung ihres Enkels in der Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik der KKG. Mutter und Kind haben die KKG am Morgen des 13.04.2017 wieder verlassen, weil die Mutter u.a. mit den dort praktizierten häufigen und bis zu 90-minütigen, therapeutisch angeblich notwendigen Trennungen von Mutter und Kind nicht einverstanden war.
Die Großmutter hat sich danach auf der Facebook-Seite des Teams Wallraff über die „Behandlung“ des Kinds beschwert. Ihr Bericht wurde 11.000 mal geteilt. Außerdem hat sie dem Deutschen Kinderschutzbund ihr Leid geklagt. (Beide Schreiben sind in einem Urteil des Landgerichts Berlin dokumentiert.)
Die BKB hat deshalb die Großmutter vor dem Landgericht Berlin auf Unterlassung von Schmähkritik und unwahren Tatsachenbehauptungen sowie eine Klarstellung verklagt. Außerdem wurden Anwaltskosten und eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000 € eingefordert. Die Klage war nur in einem von vielen Punkten erfolgreich, so dass festzustellen ist, dass sich die BKB bei diesem Rechtsstreit blamiert hat. Inzwischen gibt es das Urteil in vom Gericht anonymisierter Form. Ich habe es hier zugänglich gemacht:
Ende Juli 2020 hat Medwatch über diesen Prozess berichtet:
17.02.2020, Nach Abschluss der Begutachtung durch die ÄKWL hat sich die BKK VBU, bei der Karl versichert war, wegen der ihr schon lange vorliegenden Beschwerde der Großmutter an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Berlin-Brandenburg gewendet, der dann ein Fachgutachten in Auftrag gegeben hat. Auszüge aus dem dermatologischen Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Berlin Brandenburg von Frau Dr. Carla Pistorius zum Fall „Karl“: „Komplementärmedizinische Verfahren müssen nach Vorliegen kontrollierter Studien jeweils evaluiert werden, dann kann ihr Einsatz empfohlen werden. (S. 7) … Die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen bietet ein von den aufgeführten Fachgesellschaften abweichendes Behandlungskonzept an. … Die von der Klinik erwähnten Evaluationsstudien sind entweder nicht publiziert oder so klein, dass ihre Ergebnisse nicht valide sind. Das in der Kinderklinik angebotene Behandlungskonzept entspricht nicht den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien zur Neurodermitis. Das gilt sowohl für das Verständnis der Krankheit als auch die vorrangig psychosomatischen Therapieverfahren. (S. 9) … In den genannten Fachgesellschaften wird das Gelsenkirchener Konzept sehr kritisch beurteilt und eine leitliniengerechte Therapie und Diagnostik empfohlen. (S. 9) … Aus dermatologischer Sicht waren die medizinischen Maßnahmen bei Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Leitlinie nicht indiziert. … Eine Alternative wäre eine leitliniengerechte ambulante oder stationäre Therapie.“ (S. 10) Anonymisierte Kopie des Gutachtens:
Ich stimme der Beurteilung des GBVs durch Frau Dr. Pistorius zu, halte es aber nicht für richtig, es indirekt als komplementärmedizinisches Verfahren zu bezeichnen. Das GBV hat vernünftige Verfahren nicht ergänzt, sondern war ein „alternativmedizinisches“ Verfahren, durch das die herkömmlichen Methoden ersetzt werden sollten. Deshalb wurde das GBV von Prof. Stemmann anfangs auch als Gelsenkirchener Behandlungsmodell bezeichnet.
10/2018: Kinostart des Dokumentarfilms „Elternschule“
03.10.2018, Premiere: „Die SCHAUBURG zeigt die hochinteressante Dokumentation ELTERNSCHULE in einer Sondervorstellung“ www.schauburg-gelsenkirchen.de/mobile/event/69717
Dieser Film erweckt den falschen Eindruck, es ginge beim GBV nur um die Behandlung von Verhaltensstörungen. Zwar leidet eins der gezeigten Kinder an ND, der Film zeigt aber nur die Behandlung von dessen Ess- und Schlafstörungen.
08.10.2018, Ein Trailer zum Dokumentarfilm “Elternschule” erscheint auf Youtube: www.youtube.com/watch?v=pr3bdVQ8kvk
11.10.2018, Start des inzwischen umstrittenen Dokumentarfilms „Elternschule“ in Programmkinos; Regie: Ralf Bücheler, Jörg Adolph; Verleih: Zorro Film in Zusammenarbeit mit mindjazz pictures; Produktion: if… Productions; Länge: 117 Minuten; der Film ist als DVD erhältlich.
a) Positive Reaktionen auf den Film: Siehe Teil 2: Presse, Radio, Staatliches Fernsehen.
b) Kritische Stimmen zum Film: Der größte Teil der Kritik von Laien und von Fachleuten am GBV setzte ab 2018 beim Dokumentarfilm „Elternschule“ an, der ab Herbst 2018 in Programmkinos und am 3.7.2020 sowie am 13.7.2020 jeweils zu später Stunde im 1. und im 2. Deutschen Fernsehen gezeigt wurde.
18.10.2018, “So hart sind die Methoden der Kinderklinik“ (BILD): „Eltern, die mit ihren Kindern nicht mehr weiter wissen, bekommen in der Jugendklinik Gelsenkirchen Nachhilfe. Und zwar in der „Elternschule“ der Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“. Ein Kamerateam hat mehrere Familien ein halbes Jahr lang begleitet. Daraus entstand der Dokumentarfilm „Elternschule“ (Start: 11. Oktober). Ein Film, der stark polarisiert. Denn darin wird gezeigt, wie Kinder mit zum Teil unorthodoxen Methoden umerzogen werden.“ … „Der Kinderarzt und Autor Herbert Renz-Polster (68, „Die Kindheit ist unantastbar“) nimmt Stellung auf seinem Blog gegen den Film: `Was mich an diesem Film vor allem wundert, ist die Schamlosigkeit, mit der erzieherische Gewalt dargestellt, glorifiziert und auch durch Medien vermittelt wird. Man darf einer Mutter erklären, ihr Kleinkind verhalte sich nicht normal – nur weil es sich vom Arzt nicht untersuchen lässt? Man darf Kinder zum Essen zwingen, nur weil man einen Kittel anhat? (…) Vielleicht noch grausamer ist das mit anzusehen: wie nüchtern und hart über die schwer verunsicherten, teilweise auch traumatisierten Kinder geurteilt wird.` “ https://tinyurl.com/BildLangerRenz
20.11.2018, „Vorwürfe gegen Gelsenkirchener Klinik. Wer heilt, hat Recht?“ (TAZ): „Seit dem Dokumentarfilm „Elternschule“ steht eine Gelsenkirchener Kinderklinik unter Beschuss. Der Vorwurf: Kindesmisshandlung. … Mittlerweile ist auf der Seite der Klinik nichts mehr vom „Gelsenkirchener Behandlungsverfahren“ zu lesen. Auf Anfrage der taz erklärte die Klinik zum 3-Phasen-Modell, das auch in der Neurodermitis-Behandlung Anwendung findet: „Das Programm wurde nach dem Ausscheiden von Prof. Stemmann im Jahr 2008 zur leitliniengerechten Behandlung komplexer psychosomatischer Krankheitsbilder entwickelt. … Die Therapie erfolge auf Basis der aktuellen Leitlinien und sei vollkommen unabhängig von der Bezeichnung „Gelsenkirchener Behandlungsverfahren“ zu sehen. Die Klinik beruft sich auf 30 Jahre Erfahrung, distanziert sich aber gleichzeitig von ihrer Vergangenheit.“ https://taz.de/Vorwuerfe-gegen-Gelsenkirchener-Klinik/!5548612/ (Mit zwei Leserkommentaren von mir.)
25.10.2018, Kommentar des Kinderschutzbunds: „Der Film „Elternschule“ dokumentiert die Behandlung psychosomatisch erkrankter Kinder und Kleinstkinder. Nach Einschätzung des DKSB zeigt er einige verzweifelte Mütter, die in der Klinik lernen, dass eine Eltern-Kind-Beziehung eine Kampfbeziehung ist und dass sie möglichst hart zu ihren Kindern sein sollen. Einzelne Kinder werden zudem als „egoistische Strategen und Taktiker“ öffentlich vorgeführt.“ www.dksb.de/de/artikel/detail/elternschule-kinderschutzbund-zu-der-umstrittenen-erziehungs-doku/
02.11.2018: Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V.: „Die in dem Film dargestellten Behandlungsmethoden zum Üben von Trennungssituationen und zur Schlafanbahnung, die in der Klinik eine lange, sich auch auf andere psychosomatische und somatische Erkrankungen und Störungen erstreckende Tradition haben, sind so hingegen weder wissenschaftlich evaluiert (Publikationen der Kinderklinik Gelsenkirchen) noch vertretbar. Sie sind aus unserer Sicht als klinisch und ethisch bedenklich zu werten und können im schlimmsten Fall dem Kind mehr schaden als nutzen. … Generell bedarf die Behandlung von psychischen Störungen von Kindern, insbesondere im Kleinkindalter, eines umfassenderen Konzeptes und einer fundierten kinder- und jugendpsychiatrischen und –psychotherapeutischen Expertise.“ www.dgkjp.de/images/files/stellungnahmen/2018/2018_11_02Stellungnahme_Elternschule_final.pdf
Die KKG hat seit 1998 eine Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diese hat meines Wissens jedoch nie mit der Abteilung von Prof. Stemmann bzw. Dr. Lion zusammengearbeitet. Der erste Leiter dieser Tagesklinik, Dr. Reinhold Martens, hat, nachdem ihm im Jahr 2000 klargeworden war, dass Prof. Stemmann ein Anhänger Hamers war, die KKG fluchtartig verlassen. Er hatte sich zunächst an die Gelsenkirchener Gesundheitsdezernentin Henriette Reker gewendet, ist dort aber nicht auf Verständnis gestoßen.
06.11.2018, „Die Kinder sind in maximaler Not.“ Karl Heinz Brisch im Gespräch mit Ute Welty: „Er habe sich nicht vorstellen können, dass in einer deutschen Kinderklinik kleine Patienten in dieser Art und Weise behandelt würden, sagte der Leiter der Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie an einer Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität im Deutschlandfunk Kultur.“ www.deutschlandfunkkultur.de/umstrittener-film-elternschule-die-kinder-sind-in-maximaler.1008.de.html?dram:article_id=432431
22.11.2018, Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland e.V. (VAKJP): „Die im Film gezeigten pädagogischen und therapeutischen Maßnahmen lassen sich weder mit einem psychodynamischen Verständnis noch mit unseren ethischen Grundsätzen vereinen.“ www.vakjp.de/pdf/meldungen/2018-11-22_VAKJP-Stellungnahme_zum_Kinofilm_Elternschule.pdf
12/2018, Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. und Bundesarbeitsgemeinschaft Stationäre Sozialpädiatrie: „in einem Raum mit mehreren schreienden Kindern sitzt eine Betreuungsperson als Aufsicht, die die anwesenden Kinder demonstrativ ignoriert“
www.dgspj.de/wp-content/uploads/servive-stellungnahmen-film-elternschule-dezember-2018.pdf
03.05.2019, Johannes Mölkenberg: „Die Kinder-Dressur“: „Der Film „Elternschule“ versucht, Kinder als Täter zu denunzieren und propagiert so ein reaktionäres Familienbild. … Die in diesem Jahr für den Deutschen Filmpreis nominierte Dokumentation „Elternschule“ ist jedoch inhaltlich höchst fragwürdig. Kinder werden darin überwiegend als kleine Tyrannen und geschickte Manipulatoren gezeigt, derer sich Eltern zu erwehren hätten. Von Liebe und Verständnis für die Bedürfnisse von Heranwachsenden ist dabei wenig zu spüren. So wird eine Renaissance von Erziehungsmethoden heraufbeschworen, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts üblich waren: Kinder haben zu gehorchen und sich unterzuordnen.“ www.rubikon.news/artikel/die-kinder-dressur
16.06.2019, Kinderarzt und Autor Dr. Herbert Renz-Polster: „„Elternschule“ und wissenschaftliche Leitlinien“:„Die Behauptung, das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren stütze sich auf die anerkannten Leitlinien zur Behandlung psychischer Störungen im Säuglings‐ und Kleinkindalter ist meines Erachtens nicht sachgerecht. Vielmehr zeigen sich bei der genauen Analyse eindeutige Diskrepanzen und Widersprüche zu den in diesen Leitlinien begründeten Empfehlungen.“ www.kinder-verstehen.de/wp-content/uploads/Elternschule-und-die-Leitlinien_160619.pdf
28.06.2019, Kinderarzt und Autor Dr. Herbert Renz-Polster: “Im Wesentlichen stehen drei Vorwürfe im Raum: … dass in dem Film Gewalt gegen Kinder gezeigt werde … dass es sich bei den gezeigten Therapiemethoden teils um wissenschaftlich nicht gesicherte Aussenseitermethoden handle … dass die Behandlung nicht heilend, sondern möglicherweise schädigend wirke.“ www.kinder-verstehen.de/aktuelles/elternschule-ein-rueckblick/
02.07.2019, Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Oliver Dierssen: Dierssen kritisiert das im Film „Elternschule“ Gezeigte. Interview zum GBV (Audio von „Das gewünschteste Wunschkind“): www.podcast.de/episode/407142072/Der+Film%3A+Elternschule
29.06.2019, Dr. Wolfgang Klosterhalfen: „DER GELSENKIRCHENER KLINIKSKANDAL Eine Kritik des pseudomedizinischen „Gelsenkirchener Behandlungsverfahrens“ (GBV) der Kinderklinik Gelsenkirchen zur angeblichen Heilung von Asthma und Neurodermitis“.
Eine Fassung dieses Artikels vom 09.10.2019 wurde von archive.org am 15.10.2019 gespeichert: https://web.archive.org/web/20191015133458/http://www.reimbibel.de/GBV-Kinderklinik-Gelsenkirchen.pdf .
Diese umfangreiche Kritik des GBVs enthielt auf Seite 2 u.a. dies: „Die Behauptung Stemmanns, durch das GBV würden innerhalb eines Jahres 80% der an ND erkrankten Kinder geheilt, wird nicht durch die beiden von der Klinik selbst durchgeführten Elternbefragungen gedeckt. Diese methodisch äußerst schwachen Studien berichten gar nicht über Heilungen und belegen wegen zeitlicher Selektionseffekte, Spontanremissionen, völlig fehlender ärztlicher Diagnostik und anzunehmender Dankbarkeitseffekte noch nicht einmal, dass das GBV überhaupt bei der ND des Kindes therapeutisch wirksam war. Zur Wirksamkeit des GBVs bei Asthma wurde keine Studie vorgelegt. Kurzfristige Schädigungen von Kindern, Eltern und Krankenkassen sind offensichtlich eingetreten, langfristige Schädigungen von Kindern und Eltern zu befürchten. Durch das GBV und Stemmann wurde außerdem die gemeingefährliche GNM Hamers aufgewertet.
7/2019: Der Film „Elternschule“ wird von ARD und ZDF gezeigt
ARD und ZDF senden am 3.7. bzw. 13.7.2019 spät abends den Dokumentarfilm „Elternschule“, der ausschnittsweise zeigt, wie Kleinkinder und deren Mütter in der Abteilung „Psychosomatische Medizin“ der KKG behandelt werden. Die 90-minütige Dokumentation stand nur wenige Wochen in den Mediatheken der Sender zur Verfügung. Es handelt sich hier um eine filmisch sehr gelungene, aber fachlich hochproblematische Produktion, die den Zuschauer seinen Emotionen überlässt und anscheinend in Unkenntnis der problematischen Hintergründe des GBVs gedreht und unkommentiert gezeigt wurde. Da bekannt war, dass die Meinungen über das GBV und den Film stark divergieren, wäre es sinnvoll gewesen, ihn nicht zu später Stunde zu senden, sondern um 20:15 und eine Diskussionsrunde mit Vertretern und Kritikern des GBVs anzuschließen.
Für irreführend und skandalös halte ich die Tatsache, dass ohne weitere Erläuterungen praktisch nur Kinder mit Verhaltensstörungen gezeigt wurden. Nur ein Kind hat ND, es geht im Film aber nur um dessen Ess- und Schlafstörungen. 2017 litten jedoch noch zwei Drittel der Patienten der APPAP unter ND oder Asthma. Den Filmautoren scheint nicht bewusst gewesen zu sein, dass die „Behandlung“ dieser Kinder hochgradig leitlinienwidrig und medizinisch nicht indiziert war. Hinsichtlich der in der APPAP praktizierten problematischen Verhaltenstherapie bei Verhaltensstörungen scheinen ihnen ebenfalls keine Experten zur Seite gestanden haben.
Einen guten Eindruck von der sehr unterschiedlichen Rezeption sowohl unter Laien als auch unter Fachleuten vermittelt ein Text von Medwatch, der noch am Tag der Ausstrahlung im Ersten Deutschen Fernsehen veröffentlicht wurde: https://medwatch.de/2019/07/03/doku-elternschule-in-der-ard-im-sinne-der-kinder-halten-wir-es-fuer-bedenklich/ .
26.01.2020, Prof. Klosterhalfen speichert eine Pressemeldung der KKG, in der immer noch eine Heilung von Allergien in 87% der Fälle versprochen wird: http://archive.is/SHVvb
25.09.2020, Bericht im FOCUS: „Karl Heinz Brisch über TV-Doku, „Elternschule“ muss schließen – Psychiater befürchtet langfristige Folgen für Kinder“ www.focus.de/familie/eltern/familie-heute/kinderpsychiater-im-interview-elternschule-muss-schliessen-was-jetzt-mit-den-kindern-aus-der-tv-doku-passiert_id_12461374.html
9/2020: Schließung der Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik“
Am 14.09.2020 hat die KKG mitgeteilt, dass die APPAP geschlossen wird: https://archive.is/6ww1M . Laut Geschäftsführer Werner Neugebauer, der kurz nach Erscheinen weiterer kritischer Berichte über das GBV im Spiegel (2.10.2020) und im DLF (5.10.2020) am 8.10.2020 – an Herzversagen? – verstorben ist, https://trauer.lokalkompass.de/traueranzeige/werner-neugebauer , war die Schließung „eine rein ökonomische Entscheidung“. Verursacht worden sei der Rückgang der Patientenzahlen dadurch, dass manche Familien den Herausforderungen einer dreiwöchigen stationären Therapie nicht mehr gewachsen seien, sowie – Neugebauer hat dies nur angedeutet – die „hitzige Diskussion im Jahr 2018 um den Dokumentarfilm „Elternschule“. Tatsächlich sind die Patientenzahlen der APPAP aber schon seit dem Ausscheiden ihres früheren, auf viele Menschen charismatisch wirkenden Leiters (Prof. Stemmann) im Jahr 2008 kontinuierlich zurückgegangen:
oder .htm.
2020f: Der Spiegel und der DLF berichten kritisch über das GBV
Besonders unangenehm dürften für die BKB die Nachforschungen der Journalisten Timo Grampes und Armin Himmelrath gewesen sein, die sich etliche Monate vor der Schließung der APPAP mit unbequemen Fragen an die BKB gewandt hatten. Bei ihrer zweiten Anfrage antwortete nicht mehr die BKB, sondern eine Anwaltskanzlei. Möglicherweise war es die Kölner Kanzlei Höcker, die mich schon dreimal belästigt hat und wie folgt für sich als „Rufwächter“ Reklame macht: „Für alle sieben Kategorien von Presseanfragen gibt es geeignete Strategien, mit denen wir erreichen können, dass die Medien in rechtmäßiger Weise berichten – also im günstigsten Fall gar nicht oder jedenfalls in deutlich abgeschwächter Form.“ https://www.hoecker.eu/hoecker-rufwaechter
11.09.2020, Bericht im SPIEGEL von Grampes und Himmelrath: „Umstrittene Abteilung der Kinderklinik Gelsenkirchen schließt“ www.spiegel.de/panorama/bildung/elternschule-umstrittene-abteilung-der-kinderklinik-gelsenkirchen-schliesst-a-92cc8262-5a70-4f53-aca7-3c3e5dbbf838
14.09.2020, Noch am Tag der Bekanntmachung der Schließung hat der Journalist Timo Grampes in einem Interview des Deutschlandfunks (DLF) geäußert, dass anscheinend mehr hinter dieser Meldung steckt als der Rückgang der Patientenzahlen: www.deutschlandfunkkultur.de/psychosomatik-abteilung-aus-elternschule-ein-baby-das-sich.1008.de.html?dram:article_id=484068 .
Aus meiner Sicht steckt hinter der für die KKG blamablen Abstimmung mit den Füßen durch die Eltern potentieller Patienten (bzw. der stark abnehmenden Anzahl von Überweisungen durch Kinder- und Hautärzte) nicht zuletzt das Ausscheiden des Begründers des GBVs, Ernst August Stemmann, im Jahr 2008 sowie u.a. von mir und von der Großmutter von „Karl“ schon öffentlich geäußerte und von den genannten Journalisten in Kürze zu erwartende Kritik am GBV.
14.09.2020, Timo Grampes im DLF Kultur über die „Psychosomatik-Abteilung“ aus „Elternschule“: „Das Baby, das sich Haut vom Kopf kratzte“: 5www.deutschlandfunkkultur.de/psychosomatik-abteilung-aus-elternschule-ein-baby-das-sich.1008.de.html?dram:article_id=484068
02.10.2020, Bericht über das GBV im SPIEGEL: Gut 15 Jahre nach dem Bericht von Dennis Ballwieser über „PSEUDOMEDIZIN: Galilei aus Gelsenkirchen“ erschien ein zweiter kritischer Artikel über das GBV im SPIEGEL: „Dunkle Passagen. Eine Klinik im Ruhrgebiet behandelte chronisch kranke Kinder jahrelang mit dubiosen Methoden. Fachleute sind entsetzt.“ Autoren: Timo Grampes und Armin Himmelrath, Nr. 41, S. 50f
Grampes und Himmelrath skizzieren u.a. die Nähe Stemmanns zu Hamer, berichten über den Fall des 2017 in der APPAP misshandelten Säuglings „Karl“, die Schließung der APPAP und lassen Prof. Bieber und mich zu Wort kommen. Der renommierte Bonner Professor für Dermatologie, Thomas Bieber, wird vom SPIEGEL wie folgt zitiert: „Wissenschaftlich ist das Scharlatanerie und darüber hinaus gefährlich. Es sei der Klinik gelungen, die Hoffnungen von Eltern auf schnelle Heilerfolge anzusprechen.“ S.51
Mich zitiert der DER SPIEGEL wie folgt: „Da diese Abteilung stark von der <Germanischen Neuen Medizin> des Krebsscharlatans Hamer beeinflusst wurde, hätte man sie schon vor vielen Jahren schließen sollen, sagt Wolfgang Klosterhalfen, habilitierter Psychologe und ehemaliger Mitarbeiter der Kinderklinik. Die Abteilung habe aus Neurodermitis, Asthma und Allergien psychische Krankheiten gemacht und Säuglinge und Kleinkinder mehr miss- als behandelt. Dass sich das fragwürdige Konzept so lange habe halten können, liege auch daran, dass zu viele Eltern, Journalisten, Politiker und Krankenkassen dem Erfolgsversprechen geglaubt haben.“ S.51
Werner Neugebauer, der Geschäftsführer der BKB, wird u.a. wie folgt zitiert: „>Die Therapie von psychosomatischen Störungen braucht Zeit und Geduld. Das ist für manche Familien eine zu große Herausforderung.<“
Der Bericht schließt: „Fritz´ Mutter hingegen sagt: Dass die Klinik jetzt schließe, >löst in mir eine unfassbare Freude und Erleichterung aus<.“ https://magazin.spiegel.de/SP/2020/41/173324617/index.html
05.10.2020, Deutschlandfunk Kultur über das GBV: „Elternschule“ in der Kritik, „Schreiende Kinder und Babys überall“: „Die psychosomatische Abteilung der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen steht in der Kritik: Eltern ehemaliger Patienten beklagen grausam anmutende Behandlungsmethoden. Auch die medizinischen Grundlagen der Therapie werden von Ärzten angezweifelt.“
Prof. Thomas Bieber: „Es gibt null wissenschaftlichen Nachweis, dass das ganz am Anfang ist und alles andere – die Immunologie, die Barrierestörung, die wirklich genetisch bedingt ist – Folge dieser psychologischen Störung sein sollte. Das ist völlig absurd, was hier in den Raum gestellt wird. Und dann folglich auch dieser Ansatz, zu versuchen, darauf aufbauend das Problem zu lösen. Das heißt, durch einen wie auch immer gearteten psychologischen, psychosomatischen Ansatz, Heilungsversprechen zu machen, das ist Scharlatanerie, um es mal auf den Punkt zu bringen.“ www.deutschlandfunkkultur.de/elternschule-in-der-kritik-schreiende-kinder-und-babys.2165.de.html?dram:article_id=485238
17.12.2020, Deutschlandfunk Kultur, u.a. über den Fall „Karl“: „Mindestens 87% Erfolg? Die Evidenz ganzheitlicher Methoden in der Kinderpsychosomatik“ (A. Himmelrath und T. Grampes) In diesem Bericht über die absurde ND-„Behandlung“ in der KKG kommen zwei Mütter und zwei Ärzte zu Wort.
Mutter des damals 6 Monate alten Karl: „Meiner Meinung nach … ist das dort eine Sekte. So richtig wird man, wenn man Zweifel hat, nicht für voll genommen. Wenn man Zweifel hat, dann wird einem gleich gesagt, ja, dann wenden Sie sich an einen Psychologen. Die Zweifel werden recht schnell erdrückt und man wird recht schnell runtergedrückt.“
Prof. Thomas Bieber: „Und diese Erwartungshaltung wird da bedient von diesen Kollegen in Gelsenkirchen, indem sie das – für mich sehr vereinfacht – darstellen und sagen: ´Sie sind dran schuld, Ihr Kind ist dran schuld, ihr Kind ist n Terrorist, er terrorisiert Sie, und deswegen müssen Sie jetzt mehr Abstand von Ihrem Kind nehmen. Das löst das Problem. Entschuldigen Sie, aber das ist blanker Schwachsinn, was hier propagiert wird. Wissenschaftlich ist das völliger, blanker Schwachsinn, ich muss das einfach sagen.“ https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2020/12/17/evidenz_in_der_kinderpsychosomatik_feature_drk_20201217_1930_dd0e8567.mp3
Von mir transkribierte Auszüge aus dieser Sendung:
Tränen in der „Mäuseburg“ Von Armin Himmelrath und Timo Grampes“: „Neurodermitis, Asthma, Allergien: Die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen versprach Heilung, „zumindest in 87 Prozent der Fälle“. Unseriös, sagen einige Fachleute und Eltern – andere stellen sich hinter die Klinik. Die Geschichte einer Recherche.“ www.deutschlandfunkkultur.de/psychosomatik-abteilung-aus-elternschule-traenen-in-der.3991.de.html?dram:article_id=490801
Grampes und Himmelrath haben für ihre Berichte sehr gründlich recherchiert. Sie haben viel gelesen, korrespondiert und Akteure interviewt. Ich glaube nicht, dass sie dafür angemessen hoch bezahlt wurden. Was ich bedauere, aber diesen Autoren wegen ihres außergewöhlichen Engagements nicht vorwerfe, ist die Tatsache, dass sie bisher nichts zu dem die KKG umgebenden Sumpf der Dulder und Unterstützer geschrieben haben. Dieser gesellschaftspolitisch wichtigen Aufgabe hat sich von den Journalisten bisher nur Hubert Rehm 2005 und 2006 mit seinen Artikeln im Laborjournal gewidmet.
2011-2020: Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB)?
§ 225 (1) StGB lautet: „Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2. seinem Hausstand angehört,
3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.“ https://dejure.org/gesetze/StGB/225.html
Der Fürsorge, Obhut und Gewalt der Psychosomatik-Abteilung der APPAP sind von 2010 bis 9/2020 über 1000 Kinder überlassen worden, die gequält und sowohl durch Tun als auch durch Unterlassen misshandelt wurden. Weil nicht pflichtgemäß für sie gesorgt wurde, sind sie an ihrer Gesundheit geschädigt worden. Ich habe den Eindruck, dass es im Laufe der Jahre schon unter Prof. Stemmann bei der „Behandlung“ von Säuglingen und Kleinkindern mit ND, Asthma und Allergien zu einer übermäßigen Gewöhnung des Klinikpersonals an das a) schon vorhandene und b) ihnen durch das GBV zusätzlich zugefügte Leid der Kinder gekommen ist. Prof. Stemmann hat eine Marschroute vorgegeben, bei der aus bemitleidenswerten kranken Kindern nach und nach lästige Egoisten wurden, die ihre Mütter terrorisieren und denen man deshalb klar zeigen musste, wo es langgeht. Dabei hat sich das Klinikpersonal mit den Müttern der Kinder gegen diese verbündet. Aus Sicht des Personals zum langfristigem Wohl von Mutter und Kind. Man kann hier durchaus schon von einer Verrohung sprechen.
Ich nehme an, dass in erheblichem Maß außer Narzissmus auch Opportunismus, autoritäre und konservativ-religiöse Einstellungen sowie ein verständliches Interesse am Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes und des Ansehens von KKG und BKB in der ökonomisch schwachen Region Gelsenkirchen im Spiel waren.
Zumindest Herr Ulrich Neumann (AOK), Herr Neugebauer und Herr Dr. Lion waren stark religiös geprägt. Dies könnte zu einer sehr konservativen Einstellung zu Kindern beigetragen haben, die in der Bibel angelegt ist. Dort findet sich z.B.: „Wer die Rute spart, hasst seinen Sohn, wer ihn liebt, nimmt ihn früh in Zucht.“ (Einheitsübersetzung, Sprichwörter, 13,24)
Damit möchte ich nicht unterstellen, dass die Genannten jemals Anhänger der Prügelstrafe waren. Sie könnten aber konservativ-religiös eingestellt gewesen sein und daher Gefallen an den autoritären Erziehungsvorstellungen Stemmanns gefunden haben. Bei Herrn Dr. Lions Umgang mit kleinen Kindern – wie er im Film „Elternschule“ zu sehen ist – hatte ich außerdem den Eindruck, dass er Freude daran hatte, kleine Kinder zu „bändigen“.
Hinzu kam ein Phänomen, das als „Kollateralruhm“ bezeichnet werden kann. Nicht wenige Personen dürften stolz darauf gewesen sein, Mitarbeiter/in eines Professors der Medizin zu sein, der als Pionier der Allergiebehandlung „weit über Gelsenkirchen hinaus Beachtung und Anerkennung gefunden“ hatte.
Es gab beim GBV offensichtlich einen geistigen Führer mit einer scheinbar tieferen Einsicht in Krankheitsvorgänge und Therapiemöglichkeiten, dessen Überzeugung man folgte, dass die Kinder – sozusagen per aspera ad astra – nur durch das Tal der Tränen – zur Heilung gelangen. Bei dieser extrem konservativen „Pädagogik“ Stemmanns, die an schwarze Pädagogik erinnert, spielte der Verhaltenstherapeut Dietmar Langer eine wichtige Rolle, indem er die bisher überwiegend nur bei Erwachsenen angewendete Konfrontationstherapie (Flooding) in Form von „Trennungstrainings“ oder „Stressimpfungen“ leitlinienwidrig bei Säuglingen und Kindern unter 3 Jahren eingesetzt hat.
Diese pseudopsychosomatischen „Behandlungen” waren grausam und vor allem bei Säuglingen und Kindern unter 3 Jahren medizinisch nicht indiziert. Sie geschahen gegen den deutlich erkennbaren Willen der Kinder und zum Teil auch gegen den Willen der ihre Kinder begleitenden Mütter. Möglicherweise handelte es sich daher bei dem medizinisch nicht indizierten „Trennungstraining“ bei Kindern mit ND, Asthma, Allergien und Verhaltensstörungen um die Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 StGB: https://ra-klose.com/leistungsspektrum/strafrecht/misshandlung-schutzbefohlener .
Schutzbefohlene waren aus psychologischer Sicht nicht nur die kranken Kinder, sondern wohl zum Teil auch die gegenüber dem selbstsicher auftretenden Personal nicht durchsetzungsfähigen Mütter, die in ihrer Not die Verantwortung für ihr Kind an die vermeintlichen Expert/inn/en der KKG delegierten. Sie wurden von diesem Personal zum Nachteil der unnötig in große Angst versetzten Kinder und ihrer selbst möglicherweise zu Mittäterinnen gemacht.
Ich widerspreche hier Oberstaatsanwalt Lindenberg vom Landgericht Essen, der mangels psychologischem Einfühlungsvermögen im Fall „Karl“ 2017 die Meinung vertreten hat, es sei der Mutter jederzeit möglich gewesen, die Behandlung abzubrechen. Diese Auffassung halte ich wegen des enormen Drucks, der durch das Personal der APPAP auf die Mütter ausgeübt wurde, für realitätsfern. Es war den meisten Müttern psychisch nicht möglich, sich gegen das eingespielte Team der APPAP aufzulehnen.
Quälen durch Unterlassen medizinisch indizierter Behandlungen: Durch das leitlinienwidrige Vorenthalten von Medikamenten wurden die ND-Patienten der APPAP, besonders solche mit sehr schwerer Symptomatik, gesundheitlich stark geschädigt. Es dürfte z.B. Herrn Dr. Lion bekannt gewesen sein, dass heutige lokal verwendete Cortison-Derivate wesentlich weniger Nebenwirkungen haben als dies früher der Fall war. Die lokalen und systemischen Behandlungsmöglichkeiten mit Medikamenten sind in den letzten Jahren erheblich erweitert worden. Es dürfte oft medizinisch indiziert gewesen sein, solche Medikamente zumindest zeitweise zum Wohl der Patienten einzusetzen.
30.03.2005, Hamburger Abendblatt: „Im Gegensatz zu vielen herkömmlichen Verfahren werden beim Gelsenkirchener Verfahren deshalb in erster Linie die Eltern und nicht etwa die Kinder behandelt.“ http://archive.is/aMdnK
2011: „Im Rahmen der psychosomatischen Therapie wird auf die standardmäßige Gabe von Salben oder Medikamenten verzichtet beziehungsweise diese auf ein Mindestmaß reduziert.“ Quelle: Lion KA, Langer D, Stemmann EA, Holling H, Integrierte klinisch-psychosomatische Komplexbehandlung bei Kindern mit Neurodermitis – eine Evaluationsstudie päd – Praktische Pädiatrie, 4/2011, S. 197, https://web.archive.org/web/20190902105845/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/psychosomatik/_media/medienberichte/Lion-Neurodermitis.pdf
Es ist nicht zu bestreiten, dass durch dieses ideologisch bedingte und fachlich nicht zu rechtfertigendes weitgehendes Aussetzen von bewährten Behandlungsmethoden Kinder mit ND absichtlich und unnötig großen Qualen ausgesetzt wurden.
09.-12.04.2017, Aus dem Bericht der Mutter des Säuglings „Karl“ vom 04.07.2019: „Ich rief meine Mutter an, die versuchte, mich zu beruhigen. Als sie versprach, am Telefon zu bleiben, traute ich mich zum Schwesterntresen und bat um eine Wundversorgung des Kopfes meines Kindes. Diese wurde verweigert, „weil das nicht so schlimm“ sei. Ich solle mich „nicht so haben“. www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=427837351406016&id=288344965355256
„Am Anreisetag fand zunächst ein kurzes Aufnahmegespräch mit einer Schwester statt. Alle Salben und Cremes sollten sofort abgesetzt werden, auch das Kortison, das üblicherweise ausschleichend abgesetzt wird.“ (Mutter von Karl)
Der weitgehende Verzicht der APPAP auf Hautpflege war leitlinienwidrig und dürfte deren ohnehin schon schwer geplagte ND-Patienten unmittelbar und auch langfristig schwer geschädigt haben, weil die Kinder dadurch stärker Juckreiz und Komplikationen durch bakterielle Infektionen ausgesetzt wurden als leitliniengerecht behandelte Kinder.
Gegen die Besiedlung der Haut mit Bakterien können auch Chlor-Bäder helfen. Dies wird z.B. seit langem von der Hautklinik der Universität Düsseldorf empfohlen: www.uniklinik-duesseldorf.de/patienten-besucher/klinikeninstitutezentren/klinik-fuer-dermatologie/ich-bin-patient/sprechstunden/neurodermitis . Dr. Lion scheint leider solche präventiven Behandlungen weder praktiziert noch für den Hausgebrauch empfohlen zu haben.
Zu ihrer verhaltensmedizinischen Hypothese, durch Hautpflege würde die ND verstärkt, haben weder Stemmann noch Lion wissenschaftliche Belege vorgelegt. Ob das Eincremen von der Mehrheit der Kinder mit ND überhaupt als angenehm empfunden wurde und dadurch geeignet war, die Krankheit zu verstärken, ist außerdem schon deswegen fraglich, weil beim Eincremen erkrankter Haut vermutlich oft Schmerzen auftreten.
Quälen durch das Sich-Kratzen-Lassen der ND-Patienten: Dr. Stemmann und Dr. Lion war der Meinung, dass sich ND-Patienten ruhig kratzen sollten. Säuglinge sollten keine Handschuhe tragen, die geeignet sind, die Folgen des Kratzens zu mindern. Krankenpfleger/innen sollten nicht eingreifen, wenn sich ein Kind kratzt. Durch diese Vorgehensweise erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass den Kindern gesundheitliche Schäden und den Krankenkassen zusätzliche Kosten durch Infektionen entstanden, die ärztlich behandelt werden mussten.
Quälen durch fehlende Allergiediagnostik: Es erscheint fraglich, ob bei allen Kindern mit ND eine ausreichende Allergiediagnostik durchgeführt worden ist, bevor sie nach Gelsenkirchen kamen. In der APPAP scheint auf solche Diagnostik verzichtet worden zu sein:
Sprecher: „Sandra Wagner besuchte nach dem Klinikaufenthalt in Gelsenkirchen mit ihrem Säugling eine weitere Klinik, um seine Neurodermitis behandeln zu lassen. Diese Klinik stellte diverse Allergien fest, die als Ursache für die Neurodermitis in Frage kommen. Ein Allergietest blieb in Gelsenkirchen laut Behandlungsunterlagen offensichtlich aus. Fritz ist heute vier. Sandra Wagner sagt, es geht ihm gut. Seine Neurodermitis ist verschwunden.“
Quelle: DLF Kultur, 17.12.2020, s. oben
Möglicherweise war für den guten Krankheitsverlauf von „Fritz“ bzw. Karl der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel wichtig.
Quälen durch Vorenthalten verhaltenstherapeutischer Methoden: Es gab in den letzten 10 Jahren verhaltenstherapeutische Methoden, um bei älteren Kindern und Jugendlichen das Kratzen zu reduzieren. Siehe z.B. www.hautsache.de/Neurodermitis/Kinder/Kratzkloetzchen.php Es hat nicht den Anschein, dass solche Methoden von Dr. Lion und Herrn Langer eingesetzt wurden.
Quälen durch „Trennungstrainings“: In denJahren 2013 bis 2018 wurde laut der BKB-Qualitätsberichte für diese Jahre 795 mal die ICD-10-Diagnose F93 (Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters) gestellt. Ein erheblicher Teil der so diagnostizierten Kinder dürfte unter 18 Monate alt gewesen sein. Dies widerspricht wie schon gesagt der AWMF-Leitlinie „S2k-Litlinie 028/041 – Psychische Störungen im Säuglings-, Kleinkind- und Vorschulalter“, , an der sich die APPAP angeblich orientiert hat.
Stemmann hat offensichtlich von Hamer die Vermutung übernommen, dass durch ein traumatisierendes Trennungserlebnis die Entstehung von ND nicht nur begünstigt, sondern verursacht wird. Deshalb hat Stemmann in Zusammenarbeit mit den Diplom-Psychologen Gerd Starzmann und Dietmar Langer zur erhofften Therapie dieser Angst Mütter und Kinder im Alter von 0 bis 3 ½ Jahren immer wieder voneinander getrennt. Die Kinder sollten sich dadurch an Trennungen gewöhnen und weniger Stresshormone ausschütten.
Dieses abnorme „Trennungstraining“ war medizinisch nicht indiziert, wurde aber spätestens seit 1993 nicht nur bei Kindern mit ND, sondern bei allen Säuglingen und Kleinkindern, d.h. unabhängig von der jeweiligen Erkrankung des Kindes, durchgeführt.
Dass alle kleinen Kinder häufig von ihren Müttern getrennt wurden, war nicht nur pseudomedizinisch „indiziert“, sondern allein schon deswegen notwendig, um die Mütter ohne Störung durch deren Kinder „therapieren“ zu können. Die Mütter sollten zu Ko-Therapeuten ihrer Kinder ausgebildet werden. Nur so war es möglich, die Mütter durch Vorträge zu belehren, am Autogenen Training und am Lauftraining teilnehmen zu lassen. Um die Mütter und Kinder aus ihrer Stressspirale herauszubekommen, sollten sie auch getrennt voneinander essen.
Der oben zitierte Behandlungsplan aus dem Jahr 2017 zeigt, dass die „Behandlungen“ von Mutter und Kind ganz überwiegend getrennt, parallel und in Gruppen stattfanden. Dieses autoritär strukturierte Behandlungsprogramm wurde geradezu fabrikmäßig durchgeführt. Es gab auch individuelle psychologische Beratungsgespräche. Diese waren aber nicht im täglichen Ablauf vorgesehen, sondern mussten individuell vereinbart werden.
Die Kinder wurden bei den häufigen Trennungen von Stationspersonal beaufsichtigt, aber außer beim Essen ansonsten weitgehend sich selbst überlassen. Sie machten dabei die – potentiell traumatisierende und die Mutter-Kind-Beziehung schädigende – Erfahrung, dass ihnen niemand hilft, wenn sie verzweifelt nach ihrer Mutter rufen. Reaktionen von plötzlich von ihren Müttern getrennten Kleinkindern kann man in dem Dokumentarfilm „Elternschule“ sehen. Sie wurden auch schon 2005 in dem vom SWR produzierten Film „Hilfe! Mein Kind macht mich fertig! – Erziehungskurse für verzweifelte Eltern“ gezeigt:
„Simon ist zweieinhalb Jahr alt. Er schreit von morgens bis abends – und in der Nacht. Simon schreit beim Anziehen, beim Waschen, beim Essen, beim Spazierengehen, im Kinderzimmer, in der Küche und auch auf dem Spielplatz. Seit er begonnen hat, sich an Händen und Gesicht die Haut blutig zu kratzen, fühlt sich seine Mutter endgültig überfordert. Ihre letzte Hoffnung ist jetzt die Kinderklinik in Gelsenkirchen. Seit vielen Jahren haben sich hier Ärzte und Psychotherapeuten auf die Behandlung „schwieriger“ Kinder spezialisiert. Die aufgekratzte Haut der Kinder – bekannt als Neurodermitis – ist für sie die Folge von chronischem Streß. Deshalb wird nicht mit Medikamenten, sondern mit Verhaltenstraining gegen das Kratzen und Schreien angegangen. Wir haben Mutter und Kind durch das Programm in Gelsenkirchen begleitet. Unser Film zeigt die Verzweiflung, die Hoffnungen, die Rückschläge und die Erfolge während des intensiven Trainings.“ http://bluetandem.de/produktionen_3.htm
Siehe dazu meine Zusammenstellung von vier kritischen Berichten von Müttern, diese Kritik: www.kinder-verstehen.de/mein-werk/blog/elternschule-therapie-in-not/ und diesen Artikel:
Herbst 2011, Bericht von Andrea Steidle (Kommunikationswissenschaftlerin, die zuvor beim MDS tätig war): „Das Immunsystem gezielt stressen und heilen: Familien mit Neurodermitis lernen umzudenken“: „Erst ab dem dritten Tag besuchen die Kinder dann schrittweise die >>Mäuseburg<< oder den Spielraum und werden von ihren Eltern getrennt: >>Für unsicher gebundene Kinder ist dies eine echte Katastrophe, auf die unter anderem mit massivem Kratzen reagiert wird<< so Dr. Lion, >>das Kind flippt immunologisch zunächst aus.<<
Stressor Trennung öffnet die Kinder
Muss das wirklich sein? So grausam es zunächst erscheint – >>mit diesem Stressor können wir fast jedes Kind standardisiert treffen<<, beschreibt der Mediziner, selbst Vater von vier Kindern, seine 20-jährige Berufserfahrung.“ Quelle: MDK forum – Das Magazin der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung, Heft 3/2011, S. 11-12
„MDK forum richtet sich an Krankenkassen, Institutionen und Verbände im Gesundheitswesen, an Journalisten sowie an das gesundheitspolitische Umfeld und die Mitarbeiter der Medizinischen Dienste.“ www.mdk.de/aktuelles-presse/magazin-mdk-forum/
Mit diesem Bericht im MDK-Forum wurde u.a. den regionalen MDKs nahegelegt, das GBV zu akzeptieren. Die Formulierung „fast jedes Kind standardisiert treffen“ passt eher zu einem Sadisten als zu einem Kinderarzt.
Quälen durch „Schlaftrainings“: 21.08.2019 (Aufruf der Webseite): „Auch bei therapeutischen Maßnahmen wie Schlaf- oder Trennungsübungen werden die Kinder nie alleine gelassen, sondern durchweg von erfahrenen Therapeuten und Pflegekräften begleitet.“ www.kjkge.de/Inhalt/Aktuelles_Presse/_Presse_Meldungen/Infos_fuer_Journalisten.php Diese URL führt inzwischen zur Startseite der KKG, ihr Inhalt wurde aber hier gespeichert: http://archive.is/g8yqZ .
Über das nächtliche „Begleiten“ ihres Kindes schrieb 2019 eine Mutter, die 2003 am GBV teilgenommen hatte: „Am nächsten Morgen erzählten mir die Schwestern kurz von der Nacht. Wie hartnäckig F. doch sei, eine „harte Nuss“. Sie würden aber angemessene Maßnahmen ergreifen. Sie sagten mir, wie ich dann auch vorgehen solle, sollte es auch nach dem Aufenthalt nochmal zu „Schwierigkeiten“ nachts kommen. Licht anmachen, sie aus dem Bett nehmen, auf den kalten Wickeltisch legen und ihr ein Fieberthermometer in den Po schieben. Anschließend solle ich sie wieder ins Bett legen und allein im Dunkeln zurücklassen. So würden Babys schnell verstehen, dass nächtliches Weinen nur unangenehme Folgen hat und schnell Ruhe geben.“ https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=480634269459657&id=288344965355256
Lügt diese Mutter? Will sie sich aus irgendwelchen Gründen an der KKG rächen? Oder fanden solche „Verhaltenstherapien“ tatsächlich statt?
Beim erst 6 Monate alten Patienten „Karl“ sollte gemäß „Behandlungsplan“ ein „Schlaftraining“ durchgeführt werden. Seine Mutter schrieb dazu in ihrem Tagebuch: „Später am Vormittag wurde mir gesagt, dass mein sechs Monate alter Sohn durchschlafen müsse, da jedes Kind ab vier Monaten dazu in der Lage wäre. Ich zweifelte dieser Aussagen mit Nachdruck an und begründete meine Einwände. Ich wurde erneut an einen Psychologen verwiesen. Daraufhin wollte ich einen „richtigen Arzt“ sprechen. Dr. Lion kam zu mir und berichtete mir von seiner jahrelangen Erfahrung. Er forderte mich dazu auf, zu vertrauen. Auch er erklärte, dass wir ja stationär seien, damit meinem Sohn geholfen werden könnte. Ich versuchte anschließend ernsthaft, die Zweifel zur Seite zu schieben und den Klinikmitarbeitern zu vertrauen.“ www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=427837351406016&id=288344965355256
In der von der von Dr. Lion angeblich befolgten Leitlinie „028-041 Psychische Störungen“ ist jedoch zu lesen: „Schlafstörungen sollen nicht vor dem Alter von 12 Monaten diagnostiziert werden.“ (S. 58). Anscheinend hat Herr Dr. Lion einen erheblichen Teil seiner Patienten unter 12 Monaten zusätzlich zum „Trennungstraining“ durch ein „Schlaftraining“ unnötig zusätzlich belastet und dabei gegen die o.a. Leitlinie verstoßen.
Quälen durch „Stressimpfungstrainings“: 12.07.2019 (Datum des Aufrufs der Webseite): „Ein besonderes Charakteristikum der Therapie stellen gezielte Interventionen zur Stress-Induktion dar, womit eine deutliche Abgrenzung zu Kur- und Reha-Maßnahmen gegeben ist.“ https://web.archive.org/web/20190712102341/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/therapie/Stationaere-Komplextherapie/
Von „Stressimpfung“ und „Trennungstraining“ ist in den einschlägigen AWMF-Leitlinien nicht die Rede. Ein „Stressimpfungstraining“ wird zwar von Wikipedia als eine Form von kognitiver Verhaltenstherapie dargestellt, diese bezieht sich aber ausschließlich auf ein Vorgehen bei Erwachsenen. Beim GBV wurden anscheinend Säuglinge und Kleinkinder, die bei der ärztlichen Statusuntersuchung Angst zeigten, täglich untersucht, damit sie sich an diese Situation gewöhnen und zukünftig weniger Angst vor ärztlichen Untersuchungen haben.
Quälen durch medizinisch nicht indizierte Ernährungsumstellungen: „Mittlerweile übernehmen die Krankenkassen die Therapiekosten für Eltern und Kind, wenn vorher Nahrungsunverträglichkeiten als Ursache ausgeschlossen wurden und andere Therapien nicht greifen.“ https://web.archive.org/web/20191015133250/https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/verband-hilft-eltern-allergieplagter-kinder-seit-25-jahren-id12191864.html
Während in der Bevölkerung etwa 30% der Säuglinge und Kleinkinder mit ND allergisch auf bestimmte Lebensmittel reagieren, lag bei den Patienten von Dr. Lion dieser Anteil vermutlich wesentlich niedriger. Außerdem wurden auch alle nicht unter einer Allergie leidende Patienten einer Ernährungsumstellung unterzogen. Dass die allen Patienten verordnete Diät medizinisch sinnvoll ist, hat Herr Dr. Lion offensichtlich angenommen, dafür aber keine empirischen Belege geliefert.
Die beim GBV für mindestens ein Jahr angeordnete radikale Ernährungsumstellung belastete Kinder, weil sie auf viele von ihnen bevorzugte Nahrungs- und Genussmittel (z.B. Milch, Kuchen, Zucker, Bonbons, Schokolade, Limonaden) verzichten und viel Gemüse essen mussten. In Familien, Kitas und Schulen kamen dadurch zusätzlich in eine Außenseiterrolle. Und für die Mütter bedeutete die Ernährungsumstellung wesentlich mehr Arbeit.
Dem SPIEGEL gegenüber hat Prof. Höger 2005 erklärt, er habe Kinder behandelt, „die als Folge dieser Diät unterernährt und in ihrer Entwicklung deutlich zurückgeblieben waren„.
Da a) der SPIEGEL nie gezwungen wurde, diesen schweren Vorwurf zurückzunehmen, und b) in den GBV-Studien der KKG nie Angaben zur Gewichtsentwicklung der Patienten gemacht wurden, und c) ich Prof. Höger mehr vertraue als den Doktoren Stemmann und Lion, die hinsichtlich ihrer angeblichen Heilerfolge dreist gelogen haben, nehme ich an, dass die bei tausenden von Patienten verordnete Ernährungsumstellung nicht nur leitlinienwidrig, sondern auch kriminell war.
2011-2020: Schwerer Abrechnungsbetrug (§ 263 StGB)?
In § 263 StGB (Betrug) steht u.a.: „(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. … (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. gewerbsmäßig … handelt, …“ https://dejure.org/gesetze/StGB/263.html
Als Oberarzt war Herr Dr. Lion gehalten, nicht nur im Interesse seiner Patienten und deren Eltern zu handeln, sondern auch die wirtschaftlichen Interessen der BKB zu berücksichtigen. Dabei war es ihm gestattet, im Rahmen berufsspezifischer Grenzen Werbung für das GBV zu machen. Er durfte wahre Tatsachen verbreiten (z.B. auf die zahlreichen AuK-Selbsthilfegruppen oder langjährige Erfahrungen verweisen), aber nicht zum Nachteil von Patienten, Eltern und Krankenkassen sogenannte falsche Tatsachen vorspiegeln (z.B. erfundene hohe Heilungsquoten, Orientierung an wissenschaftlichen Leitlinien) oder wahre Tatsachen entstellen oder unterdrücken (z.B. die wahren Ergebnisse der ND-Studien der KKG, die Nähe von Stemmann, Lion und dem GBV zu Hamer), um der BKB Vermögensvorteile zu verschaffen.
Sofern Herr Dr. Lion von privat versicherten Patienten selbst finanziell profitierte, durfte er auch nicht im Eigeninteresse Patienten bzw. deren Eltern und einweisende Kolleg/inn/en durch unwahre Behauptungen täuschen. Er durfte dies auch nicht zur Sicherung seines Arbeitsplatzes oder der Arbeitsplätze anderer Personen tun.
Möglicherweise hat das personalintensive GBV der BKB nicht Gewinne, sondern dauerhaft Verluste gebracht. Aber auch in diesem Fall hätte Dr. Lion durch rechtswidriges Verhalten die Absicht verfolgt, der BKB, sich selbst und Anderen Vermögensvorteile zu verschaffen, indem er versuchte, durch betrügerische Behauptungen die Verluste der BKB zu mindern.
Es ist mein Eindruck als juristischer Laie, dass bei Herrn Dr. Lion auch der – oft schwer nachweisbare – subjektive Tatbestand der Betrugsabsicht vorlag. Er wusste z.B. genau, dass auch unter seiner Leitung die KKG nicht zumindest 87% der Patienten mit ND geheilt hat, und hat trotzdem beharrlich und offensichtlich erfolgreich das Ziel verfolgt, bei Anderen irrtümliche Vorstellungen von großen Heilerfolgen zu erregen. Er wollte – wie schon sein Vorgänger im Amt, Prof. Stemmann – das GBV wesentlich besser aussehen lassen als es in Wirklichkeit war. Herr Dr. Lion handelte nicht fahrlässig, sondern absichtlich. Sofern ihm nicht stark eingeschränkte Einsichtsfähigkeit zugesprochen werden kann, war ihm klar, dass er zum GBV Lügen verbreitet hat und verbreiten ließ und „wahre Tatsachen“ entstellt und unterdrückt hat.
Es ist anzunehmen, dass Dr. Lion auch über die Geschäftsführung der BKB bei den Krankenkassen einen Irrtum über die Qualität des GBVs erregt hat. Darüber ist mir aber bisher nichts Konkretes bekannt. Die Verhandlungen zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen über die Höhe der zu zahlenden Vergütungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Die Rechte und Pflichten von Krankenhäusern und Krankenversicherungen sowie deren Beziehungen regelt vor allem das Sozialgesetzbuch V. Dort hieß es schon 1988 in Artikel 1 (4): „Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.“ BGBl. I S. 2477 www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl188s2477.pdf%27%5D__1614841015822
Daraus wurde inzwischen § 70 SGB V, „Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit“: „(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden. (2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.“ https://dejure.org/gesetze/SGB_V/70.html
Es ist aus meiner Sicht nicht zu bestreiten, dass es sich bei der „Behandlung“ von ND, Asthma und Allergien durch die Kinderklinik Gelsenkirchen im Wesentlichen um – selbstverständlich nicht erstattungsfähige – pseudomedizinische Scharlatanerie handelte, denn die „Behandlung“
– entsprach nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse;
– war nicht ausreichend;
– war nicht zweckmäßig;
– war nicht notwendig;
– war nicht wirtschaftlich.
Ich habe deshalb am 22.12.2020 wegen des Verdachts des Abrechnungsbetrugs gegen Herrn Dr. Lion Strafanzeige bei der Abteilung für Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Bochum erstattet. Diese mochte meinem Verdacht nicht selbst nachgehen und hat meine Anzeigen an das Landgericht Essen weitergeleitet. Näheres dazu in Teil 2.
2016-2020: Veruntreuung von Geld von Versicherten (§ 266 StGB)?
§ 266 (1) StGB (Untreue) lautet: „Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Es ist erstaunlich und wirft kein gutes Licht auf das deutsche Gesundheitswesen, dass die KKG jahrzehntelang den Krankenkassen die Scharlatanerie des GBVs als einen innovativen Behandlungsansatz verkaufen konnte. Spätestens seit 2005 der SPIEGEL über die Pseudomedizin der KKG berichtet hatte, hätten die Kassen merken müssen, dass mit dem GBV etwas nicht stimmt, und entsprechende Nachforschungen anstellen müssen. Es war schon spätestens seit den 90er-Jahren zu erkennen, dass es sich beim GBV in Theorie und Praxis um eine neuartige Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt, die einer gründlichen Prüfung auf Erstattungsfähigkeit bedurfte.
Es war zwar legitim, Prof. Stemmann zunächst hinsichtlich seines ungewöhnlichen Therapieverfahrens einen Vertrauensvorschuss zu gewähren und ihn auch ohne wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit seiner normdevianten Methoden gewähren zu lassen. Aber nach einigen Jahren wäre eine fachlich seriöse Darstellung seiner angeblichen Behandlungserfolge erforderlich gewesen.
Es sieht aber bisher nicht danach aus, dass jemals eine gründliche Überprüfung des GBVs durch Krankenkassen, deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften stattgefunden hat. Es scheint nie eine Überprüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen (G-BA) veranlasst und entsprechend nie eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) durchgeführt worden zu sein. Auch von einer über einen Einzelfall hinausgehenden Überprüfung durch einen regionalen Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ist mir bisher nichts bekannt geworden.
Der MDS hat mir durch seine Teamleiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit Schreiben vom 08.03.2021 mitgeteilt: „Der MDS hat zu keiner Zeit ein Gutachten oder eine Stellungnahme erstellt, die die von Ihnen angesprochene Therapie der Kinderklinik Gelsenkirchen positiv bewertet und empfohlen hat.“
Man sollte eigentlich annehmen, dass bei den Verbänden der Krankenkassen schon 1980 und früher so viel medizinischer Sachverstand vorhanden oder erreichbar war, dass nicht zu übersehen war, dass Prof. Stemmann zwar viel behauptet, aber wenig belegt hat.
Dass es sich beim GBV im Wesentlichen um „des Kaisers neue Kleider“ handelte, d.h. Stemmann fachlich fast nackt dastand, hätten außerdem den Kassen alle Direktoren von Universitätshaut- oder -kinderkliniken erklären können.
2016-2020: Begünstigung von Straftaten (§ 257 StGB)?
§ 257 (1) lautet: „Wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Ich habe den Verdacht, dass etliche Personendas GBV unterstützt haben, obwohl sie erkennen konnten, dass die „Behandlung“ von Kindern mit ND, Asthma oder Allergien mit den Methoden des GBVs und das Vortäuschen von großen Heilerfolgen rechtswidrig waren.