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Scharlatanerie an der Kinderklinik Gelsenkirchen

Prof. Wolfgang Klosterhalfen, www.kinderklinik-gelsenkirchen-kritik.de/1.pdf , 10.06.2020

An der Kinderklinik Gelsenkirchen (KKG) hat sich seit etwa 30 Jahren zur Behandlung von Asthma und Neurodermitis eine sektenartige Abteilung etabliert, die von 1980 bis März 2007 von Prof. Dr. med. Ernst August Stemmann geleitet wurde. Stemmann war ein Anhänger der „(Germanischen) Neuen Medizin“ des Krebsscharlatans Ryke Geerd Hamer. Mit einem positiven Gutachten Stemmanns zur gemeingefährlichen und anscheinend in nicht wenigen Fällen tödlichen „Medizin“ Hamers macht die Hamer-Sekte bis heute Werbung. Stemmanns „Gelsenkirchener Behandlungsverfahren“ wurde inzwischen von dessen Nachfolgern in „Multimediale-3-Phasentherapie“ umbenannt. Stemmann wird von seinen „Erben“ inzwischen nicht mehr zitiert.

Nach Stemmann sowie dem Verhaltenstherapeuten Dietmar Langer (bekannt u.a. durch den Dokumentarfilm „Elternschule“) und dem Kinderarzt Dr. Kurt-André Lion, die seit 2007 die Psychosomatik-Abteilung der Kinderklinik leiten, werden alle Krankheiten durch eine Gefühlsverletzung verursacht. Asthma durch einen Revierkonflikt, Neurodermitis durch einen Trennungskonflikt. Seit 1987 bzw. 1990 hat Prof. Stemmann verkündet, Neurodermitis und Asthma seien heilbar. Seit 2016 bewirbt die KKG ihr hochgradig esoterisches Therapieangebot wie folgt: „Der psychosomatische Ansatz bei der Behandlung von Neurodermitis, Asthma, Allergien in der Kinderklinik Gelsenkirchen versprach Heilung – zumindest in 87 % der Fälle. Das schien geradezu unglaublich. Doch es funktionierte.“ http://archive.is/SHVvb    

In Wirklichkeit werden diese angeblichen Heilungen nur vorgetäuscht, denn die drei bisher von der KKG präsentierten Studien zur Neurodermitis-Behandlung berichten nur über Besserungen des Hautzustands. Mangels Kontrollgruppe können noch nicht einmal diese Besserungen auf die teuren dreiwöchigen stationären Bemühungen der Klinik zurückgeführt werden. Die KKG spricht selbst von einer „Förderung der Spontanheilung“.

Zur in der Kinderklinik üblichen pseudomedizinischen Behandlung der Neurodermitis werden Säuglinge und Kleinkinder mehrmals täglich von ihren Müttern getrennt. Darüber hat sich 2017 die Großmutter eines damals 6 Monate alten Säuglings bei der ÄKWL und ihrer Krankenkasse beschwert. Die ÄKWL ist 2019 zu dem Schluss gekommen, die Behandlung sei leitliniengerecht gewesen, ein Behandlungsfehler liege nicht vor. Zu einer gegensätzlichen Einschätzung ist jedoch im Auftrag des MDK Berlin Brandenburg kürzlich die Dermatologin Dr. Carla Pistorius in ihrem Gutachten zu dieser Beschwerde gekommen:

„Komplementärmedizinische Verfahren müssen nach Vorliegen kontrollierter Studien jeweils evaluiert werden, dann kann ihr Einsatz empfohlen werden. (S. 7) … Die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen bietet ein von den aufgeführten Fachgesellschaften abweichendes Behandlungskonzept an. … Die von der Klinik erwähnten Evaluationsstudien sind entweder nicht publiziert oder so klein, dass ihre Ergebnisse nicht valide sind. Das in der Kinderklinik angebotene Behandlungskonzept entspricht nicht den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien zur Neurodermitis. Das gilt sowohl für das Verständnis der Krankheit als auch die vorrangig psychosomatischen Therapieverfahren. (S. 8, Hervorhebung durch mich) … In den genannten Fachgesellschaften wird das Gelsenkirchener Konzept sehr kritisch beurteilt und eine leitliniengerechte Therapie und Diagnostik empfohlen. (S. 9) … Aus dermatologischer Sicht waren die medizinischen Maßnahmen bei Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Leitlinie nicht indiziert. … Eine Alternative wäre eine leitliniengerechte ambulante oder stationäre Therapie.“ (S. 10) Das Gutachten ist hier einzusehen: www.kinderklinik-gelsenkirchen-kritik/MDKBB-GA.pdf .

Während es seit 40 Jahren keinen wissenschaftlichen Beleg für den Nutzen der „Therapie“ gibt, sind iatrogene Schädigungen zu befürchten:

* Da die KKG bei Neurodermitis weitgehend auf eine Symptombehandlung durch Salben und Medikamente verzichtet, leiden Kinder wesentlich mehr als bei einer leitliniengerechten Behandlung.

* Viele Kinder und Mütter leiden schwer unter dem durchgeführten „Trennungstraining“.

­­* Viele Kinder und Mütter leiden unnötig unter einer radikalen Ernährungsumstellung (bei allen Kindern).

* Laut Prof. Höger (Spiegel, 7.3.2005, PSEUDOMEDIZIN Galilei aus Gelsenkirchen) waren Patienten wegen der Diät unterernährt und in ihrer Entwicklung zurückgeblieben.

Durch die traditionell leitlinienwidrigen Behandlungen wurden die Krankenkassen schon um zig Millionen Euro geschädigt. Der Zentralausschuss der gesetzlichen Krankenkassen sollte diese Abteilung überprüfen und dafür sorgen, dass seine Kassen nicht mehr die Kosten für diese Scharlatanerie übernehmen. Außerdem sollten die umstrittenen Therapien bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten (Einschlafstörungen, Fütterstörungen, Schreien) überprüft werden.

Meine ausführliche „Chronik des Gelsenkirchener Klinikskandals“, bei dem viele staatliche und medizinische Organisationen bisher intensiv weggeschaut haben, ist hier einzusehen: www.kinderklinik-gelsenkirchen-kritik.de oder www.kinderklinik-gelsenkirchen-kritik.de/Chronik.pdf .

Anschrift des Verfassers:

Dr. Wolfgang Klosterhalfen

In der Donk 30

40599 Düsseldorf

wk@reimbibel.de