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Vorbemerkungen zur Chronik des Gelsenkirchener Klinikskandals

Die vorgetäuschten Heilungen von Neurodermitis und Asthma durch die Kinderklinik Gelsenkirchen

Zusammengestellt von Dr. rer. nat. Wolfgang Klosterhalfen, Apl. Professor für Medizinische Psychologie (HHU Düsseldorf)

Über das Gelsenkirchener Behandlungsverfahren (GBV) der Kinderklinik Gelsenkirchen (KKG) zur Therapie von Neurodermitis (ND), Asthma und Allergien habe ich schon in den Jahren 2004 – 2008 kritisch berichtet. 2005 erschien (daraufhin?) Kritik am GBV im Spiegel: 
„PSEUDOMEDIZIN: Galilei aus Gelsenkirchen. Ein Professor behandelt neurodermitiskranke Kinder mit einer Mischung aus Diät und Psychokursen. Experten warnen, die Methode sei nicht nur nutzlos, sondern auch riskant.“
Quelle: spiegel.de, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39613469.html 
(Ein weiterer kritischer Spiegel-Artikel erschien leider erst 15 Jahre später: https://magazin.spiegel.de/SP/2020/41/173324617/index.html )

Mehr über den esoterischen Hintergrund des GBVs und das Wegschauen von eigentlich verantwortlichen Personen und Institutionen konnte man wenig später im Laborjournal lesen. Davon ist jedoch nur ein kürzerer Text zusätzlich im Internet erschienen: „Quacksalberei auf Krankenschein?“ (https://www.laborjournal.de/editorials/207.php).
Bisher nur in gedruckter Form gibt es diese beiden sorgfältig recherchierten Artikel von Hubert Rehm:
„Wundermedizin in Gelsenkirchen. Hamert Heinrich Heine? Gegen Wunderheiler mit nicht überprüften Behandlungsmethoden ist kein Kraut gewachsen. Selbst an Universitäten scheinen sie zu gedeihen: Ein emeritierter Düsseldorfer Professor behandelt Neurodermitis mit Methoden, die auf den Lehren eines vorbestraften Esoterikers beruhen.“ Laborjournal, 06/2005, 20-24
„Hintergrund: Vom Mundtotmachen eines Kritikers Der Tragödie erster Teil. Kritik gegen Platzhirsche macht unbeliebt, und ohne eigene Hausmacht geht man unter – eine Erfahrung, die auch Wolfgang Klosterhalfen in Gelsenkirchen machen musste.“ Laborjournal, 06/2005, 25-26

Die Bergmannsheil und Kinderklinik Buer GmbH (BKB), zu der die KKG seit 2002 gehört, sowie Prof. Stemmann haben mir im Januar 2005 durch eine Essener Anwaltskanzlei eine Abmahnung geschickt, in der sie mir eine einstweilige Verfügung sowie eine Unterlassungsklage androhten.  Ich hatte Ende 2004 in Rundschreiben und im Internet das GBV als esoterisch kritisiert und Prof. Stemmann einen Epigonen und Scharlatan genannt. Da meine Kritik an der KKG und Prof. Stemmann auf nachweisbaren Tatsachen beruhte, habe ich keine Unterlassungserklärung abgegeben. Stattdessen hat mein Rechtsanwalt bei einigen Gerichten in NRW eine Schutzschrift eingereicht. Ein Gerichts- oder zumindest Ermittlungsverfahren gegen mich hat es in dieser Sache bis heute nicht gegeben. Vielleicht war die BKB damals vernünftig genug, nicht zu versuchen, meine berechtigten Vorwürfe gerichtlich klären zu lassen; oder die BKB hat in ganz Deutschland kein Gericht gefunden, das für die BKB tätig werden wollte.

2008 hat mir die BKB erfolgreich mit einer Klage wegen Geschäftsschädigung gedroht. Nachdem ich von 2005 bis 2008 staatliche Organe (Stadt Gelsenkirchen, Bezirksregierung Münster, Gesundheitsministerium NRW, Staatsanwaltschaften in Essen und Hamm, Bundespräsidialamt) sowie die Ärztekammer Westfalen-Lippe und die medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) vergeblich aufgefordert hatte, gegen die Scharlatanerie an der KKG vorzugehen, habe ich meine Aufklärungsaktivitäten eingestellt und viele meiner kritischen Artikel auf privaten Seiten der Universität Düsseldorf gelöscht. Inzwischen sind alle privaten Seiten aller Mitarbeiter der HHU nicht mehr zugänglich.

Wegen des öffentlichen Streits um den Dokumentarfilm „Elternschule“ habe ich mich ab Mitte 2019 aber erneut zum GBV bzw. der Abteilung „Pädiatrische Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie“ der KKG geäußert und nach und nach außer der vorliegenden Chronik auch einen Übersichtsartikel www.reimbibel.de/GBV-Kinderklinik-Gelsenkirchen.htm und eine ausführliche Stellungnahme zu einem skandalösen Gutachten zu einer Beschwerde gegen die BKB (Fall des Säuglings „Karl“) verfasst.

Eine leicht überarbeitete Fassung dieses Textes ist hier zu lesen: www.reimbibel.de/Kritik-an-einem-Gutachten-von-Hendrik-Karpinski.htm.

Anfang 2020 hat die BKB hinnehmen müssen, dass das Landgericht Berlin der Klage der BKB gegen die Großmutter eines bei ihr 2017 leitlinienwidrig behandelten Säuglings nur hinsichtlich eines von vielen öffentlich gemachten Vorwürfen Recht gegeben hat. Die Richtigkeit dieses Vorwurfs konnte die Großmutter nicht nachweisen.
Noch unangenehmer für die BKB dürfte ein dermatologisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Berlin-Brandenburg vom 24.2.2020 sein, das zu dem Schluss gekommen ist:
„Das in der Kinderklinik angebotene Behandlungskonzept entspricht nicht den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien zur Neurodermitis. Das gilt sowohl für das Verständnis der Krankheit als auch die vorrangig psychosomatischen Therapieverfahren.“

Im September 2020 wurde die seit 7/2008 von Dr. Kurt-André Lion ärztlich geleitete abartige „Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie“ der BKB endlich geschlossen:

Das GBV wurde ab 1980 an der KKG von dem Kinderarzt und Allergologen Apl. Prof. Dr. med. Ernst August Stemmann (s. https://www.psiram.com/de/index.php/Ernst_August_Stemmann) entwickelt. Seit 7/2008 wurde das GBV ärztlich von dem Kinderarzt und Allergologen Dr. med. Kurt-André Lion und therapeutisch von dem Verhaltenstherapeuten Dipl.-Psych. Dietmar Langer geleitet.

Das GBV wurde unter Lion und Langer in seinen Anwendungen erweitert und in „Mulitmodale-3-Phasen-Therapie“ und „Stationäre Komplextherapie“ umbenannt: 

Lion wurde von 1992 bis 1997 an der (damals noch städtischen) KKG unter deren ärztlichem Leiter E.A. Stemmann zum Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin ausgebildet. 2001 kehrte Lion nach mehrjähriger Abwesenheit als Oberarzt an die KKG zurück. Langer arbeitet seit 1991 an dieser Klinik. Mehrere Mitarbeiterinnen der Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik der KKG waren dort etwa 30 Jahre lang tätig. Träger der BKB sind zu 72.5% die DRV Knappschaft-Bahn-See und zu 27.5% die Stadt Gelsenkirchen.

Am GBV scheiden sich die Geister. Es gab dazu viel Eigenlob von Mitarbeitern der KKG und dem 2020 verstorbenen Geschäftsführer der BKB, Werner Neugebauer, sowie Lob von den Medien, aus der Politik und von Eltern, aber kaum fachliche Anerkennung. Etliche Fachleute und Fachgesellschaften sowie einige Journalisten haben sich zum GBV und/oder der „Elternschule“ unter Langer und Lion sehr kritisch geäußert.

Ich selbst habe am GBV vor allem dies kritisiert:

  1. Das GBV hat bizarre Vorstellungen zur Entstehung von Krankheiten aus der (Germanischen) Neuen Medizin (GNM) des 2017 verstorbenen Krebsscharlatans Ryke Geerd Hamer übernommen.
  2. Prof. Stemmann hat die – in vielen Fällen anscheinend tödliche – Irrlehre Hamers im Jahr 1992 durch ein ominöses „Gutachten“ unterstützt, in dem er bestätigt hat, zentrale Annahmen der GNM seien mit großer Wahrscheinlichkeit richtig. Hamer hat mit dieser „wissenschaftlichen Verifikation“ Werbung gemacht; Hamers wichtigster Anhänger, Dipl.-Ing. Helmut Pilhar, wirbt damit noch heute für die „Germanische Heilkunde„: www.neue-medizin.de/html/body_dok_11.html
  3. Prof. Stemmann hat schon 1987 ohne Belege behauptet, Neurodermitis sei heilbar. Von 9/2016 bis Mai 2020 hat die KKG sogar behauptet: „Der psychosomatische Ansatz bei der Behandlung von Neurodermitis, Asthma, Allergien in der Kinderklinik Gelsenkirchen versprach Heilung – zumindest in 87 % der Fälle. Das schien geradezu unglaublich. Doch es funktionierte.“ http://archive.is/vlPwS

    Tatsächlich wird in den drei – methodisch sehr schwachen – Studien der KKG zur Wirksamkeit ihrer Neurodermitis-Behandlung gar nicht über Heilungen der der Neurodermitis Jahr berichtet. In einem Vereinsblatt schrieben dazu Stemmann, Starzmann und Langer (2000) u.a.: „70 % der Befragten beurteilten den Erfolg ihrer Bemühungen als sehr gut bis gut.“ sowie „Der Zustand der Haut wurde als gebessert angegeben, …“: https://web.archive.org/web/20030323174609/www.kinderklinik-ge.de/Schriften/Behandlungserfolg.pdf .

    Diese Beurteilungen stammten nicht von Ärzten, sondern von den Eltern in der KKG behandelter Kinder, die im Alter von durchschnittlich 10 Monaten (!) bzw. 6 Monaten bis 4 Jahren in der Klinik waren. Solche Verbesserungen sind auch ohne GBV bei Säuglingen und Kleinkindern als Spontanremissionen zu erwarten. Auch in Studie 3 (Lion, Langer, Stemmann, Holling, 2011) gibt es keine Kontrollgruppe und es wird nur über Verbesserungen des Hautzustands berichtet: https://web.archive.org/web/20190902105845/https://psychosomatik.bkb-kinderklinik.de/psychosomatik/_media/medienberichte/Lion-Neurodermitis.pdf
    Diese Studien habe ich hier ausführlicher kritisiert: GBV-Studien.pdf
  4. Zur angeblichen Heilung von Asthma oder Allergien in 87% der Fälle hat die KKG bisher überhaupt keine Studie vorgelegt.
  5. Das GBV war teuer (die dreiwöchige stationäre Behandlung dürfte zuletzt ca. 5.000 € gekostet haben), belastete kleine Kinder und deren Mütter durch medizinisch meist nicht indizierte „therapeutische“ Trennungen und „Stressimpfungen“ sowie zum größeren Teil unnötige radikale Ernährungsumstellungen.

Die Kinderklinik Gelsenkirchen hat bis vor kurzem (Mai 2020) Eltern, Krankenkassen, Politiker, Journalisten und die Öffentlichkeit belogen, indem sie die Fähigkeit vorgetäuscht hat, Neurodermitis, Asthma und Allergien von Kindern in zumindest 87% der Fälle zu heilen.

In dieser Chronik dokumentiere ich in chronologischer Reihenfolge Fakten und Meinungen zum GBV bzw. zur „Multimodalen-3-Phasen-Therapie / Stationären Komplextherapie“ der KKG. Dadurch möchte ich es interessierten Personen und Organisation erleichtern, sich ein realistisches Bild von der umstrittenen „Pädiatrischen Psychosomatik“ der KKG zu machen.

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